Jessica Roch: „Wir sollten den Zyklus wieder mehr leben“
Interview mit der Ingolstädter Bloggerin und Zykluscoach Jessica Roch über den Tag der Menstruation am 28. Mai, Pille und Gesundheit
Frau Roch, ist der weibliche Zyklus nichts für die emanzipierte Frau?
Jessica Roch: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Der Zyklus ist die Superkraft der Frau. Frauen müssen nur lernen, den richtigen Zugang dazu zu finden und die Menstruation nicht als etwas Lästiges zu sehen, sondern als etwas Positives wahrzunehmen. Das bedeutet: Die emanzipierte Frau sollte etwas weniger männlich denken und etwas mehr zum weiblichen Ursprung kommen.
Aber eine emanzipierte, moderne Frau, tut ja alles, um unabhängig von Zyklus und Periode zu sein.
Roch: Für mich ist Emanzipation auch, dass ich zu mir stehen kann und mich nicht von äußeren Einflüssen treiben lasse. Ich glaube, dass dies bei der Menstruation passiert, dass wir Maschinen sind, die immer funktionieren sollen und uns möglichst nichts aufhält. Das finde ich eine total toxische Denkweise. Der Zyklus hilft uns Frauen, wieder in Einklang mit unserem Körper zu kommen. Das ist für mich wahre Emanzipation, sich nicht treiben zu lassen mit dem Gedanken: Ich muss funktionieren. Sondern, wenn ich stark genug bin, zu sagen: Ich habe einen weiblichen Körper, der andere Veranlagungen als ein männlicher hat und anders funktioniert. Deswegen lebe ich danach.
War die Anti-Baby-Pille dann mehr Fluch als Segen?
Roch: Nein. Denn die Anti-Baby-Pille hat den Frauen geholfen, selbstbestimmt zu werden. Sie wurden also nicht mehr schwanger, wenn sie dies nicht wollten. Es sind dadurch viel mehr Frauen in das Arbeitsleben eingestiegen oder haben ein Studium aufgenommen. Damals war die Pille also genau das Richtige, um den Frauen zu mehr Unabhängigkeit zu verhelfen. Sie konnten dadurch ihren eigenen Weg gehen.
Aber die Pille hat die Frau von Ihrem natürlichen Zyklus entfernt.
Roch: Das stimmt, aber wir müssen das differenzierter betrachten. Unter den damaligen politischen Gegebenheiten war es gut, das eigene, selbstbestimmte Leben zu erreichen. Heutzutage brauchen wir das nicht mehr. In unserer aktuellen Zeit ist die Pille mehr Fluch als Segen.
Ist dann der Internationale Tag der Menstruation am 28. Mai unter anderem auch dafür da, zurück zum natürlichen Zyklus zu kommen?
Roch: Ja, ich glaube, wir Frauen müssen uns das mehr trauen. Denn der Zyklus ist nichts wofür man sich schämen muss, auch wenn er teilweise noch als Tabu-Thema behandelt wird. Dabei ist es doch das Natürlichste der Welt. Jeder hat eine Mutter – und die hat auch menstruiert. Wir sollten also dankbar dafür sein: Dies ist der Ursprung allen Lebens. Für mich ist der Tag der Menstruation ein wichtiges Datum, sich bewusst zu machen, woher man kommt und dass der weibliche Zyklus mit seiner Ebbe und Flut etwas wunderbares ist. Wir sollten den Zyklus also wieder mehr leben und sich nicht dafür schämen oder sogar verstecken sollte.
In unserer Gesellschaft wird aber dem weiblichen Körper viel zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Das beginnt bereits im Schulunterricht.
Roch. Stimmt. Es ist viel zu lange vernachlässigt worden, dass wir – sowohl Frauen als auch Männer – wissen, was im weiblichen Körper passiert. Das sollte dringend ausgebaut werden. Da kommen viele Probleme her, weil man als Frau im Zyklus so entkoppelt ist vom eigenen Körper. Aber was dahintersteckt, was dabei passiert, ist hochkomplex. Es heißt immer: Männer sind ein An- und Ausschalter, was ihre Hormone betrifft und Frauen sind ein ganz komplizierter Stromkreislauf, der durch kleinste Hebel anders laufen oder außer Gefecht gesetzt werden kann. Es wäre schon wichtig, wenn man die Basis versteht und erkannt, was im weiblichen Körper vor sich geht. was gut oder im schlimmsten Fall schädlich sein kann.
Sehen Sie dies unter anderem als Ihre Aufgabe?
Roch: Absolut. Das ist meine Position, um dieses Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und mehr Frauen zu helfen, ihren Körper besser zu verstehen. So habe ich beispielsweise bereits Kontakt zu Lehrern in Bayern aufgenommen, weil ich das Thema gerne an die Schulen tragen möchte. Mein Wunsch ist es, dass junge Frauen anders aufwachsen, verstehen, was vor sich geht und erkennen, woher Hormonprobleme kommen und sich dadurch nicht mehr so hilflos fühlen, wie es meiner Generation noch ging.
Sie sind Zykluscoach, Autorin, Redakteurin und Bloggerin. Was sind Ihre inhaltlichen Schwerpunkte?
Roch: Ich habe mehrere Schwerpunkte. Zum einen will ich Frauen helfen im Einklang mit ihrem Zyklus zu leben. Das ist mein Hauptantriebspunkt. Wir Frauen sollten verstehen, wie wir unser Leben nach dem Zyklus ausrichten. Wir brauchen in den insgesamt vier verschiedenen Zyklusphasen beispielsweise unterschiedliche Lebensmittel, weil wir unterschiedliche Nährstoffbedürfnisse haben. In der einen Zykluszeit verbrennen wir mehr Kalorien, in anderen wird der Stoffwechsel etwas langsamer. Deshalb sollten wir uns da anpassen. Das gilt auch für den Sport. Ich kann nicht in jeder Zyklusphase mit der gleichen Intensität trainieren. In manchen Phasen haben wir Frauen einen viel höheren Cortisol-Spiegel, dadurch funktioniert das nicht so gut. Wir müssen also verstehen, dass Frauen keine kleinen Männer sind. Abgesehen davon, informiere ich über Verhütung und kläre über mögliche Folgen der Pille auf. Denn die Pille wird immer noch viel zu einfach verschrieben, ohne entsprechende Aufklärung. Es fehlen meist Informationen zu den Nebenwirkungen und was durch die Einnahme im Körper dabei passiert. Dazu stelle ich auch alternative Verhütungsmittel vor. Es gibt nämlich noch viele weitere, sichere Verhütungsmöglichkeiten, die einfach noch viel zu unbekannt sind.
Von welchen Erfahrungen berichten Ihre Kundinnen?
Roch: Aktuell betreue ich nur Kundinnen, die die Pille abgesetzt haben. Diese haben massive Probleme. Teilweise bleibt die Periode über Monate aus oder sie klagen über eine heftige Gewichtszunahme. Bei manchen wachsen auch Haare im Gesicht, aber gleichzeitig gehen ihnen diese auf dem Kopf aus. Andere leiden unter einer massiven Menstruations-Blutung. Jede Frau zeigt andere Reaktionen. , unter den Folgen sie natürlich leiden. Viele wissen dann nicht mehr, was sie tun sollen. Ich teile mein Wissen mit ihnen und versuche eine Hilfe zu geben, wie sie diese Probleme wieder schnell in den Griff bekommen.
Haben Sie auch einmal die Pille genommen?
Roch: Die Pille habe ich mit 16 Jahren verschrieben bekommen. Damals hatte ich meinen ersten Freund. Beim Gynäkologen wurde ich nicht richtig aufgeklärt.
Ab wann haben Sie die Pille dann infrage gestellt?
Roch: Nach dem Studium wurde ich Veganerin. Dadurch habe ich mich bereits mehr mit Gesundheitsthemen auseinandergesetzt. Irgendwann kam ich zu dem Punkt als ich mich fragte: „Warum schlucke ich jeden Tag diese blöden Hormone?“ Dann begann ich mich, mit diesem Thema zu beschäftigen. Daraufhin kam ich zu dem Entschluss, dass ich diese Pille nicht mehr nehmen will. Ich setzte sie ab und bekam schreckliche Nebenwirkungen, von massiv unreiner Haut bis zum Ausgehen meiner Haare. Dabei merkte ich, wie massiv die Pille den Körper beeinflusst. Daraufhin habe ich mich stark in das Thema eingearbeitet und recherchiert, was ich tun kann, um diese Nebenwirkungen loszuwerden, wie ich die Pille ohne Nebenwirkungen absetzen kann usw.
Dann kam Bodysynchron?
Roch: Dann kam zuerst Hormongeflüster. Das war mein erster Blog zu diesem Thema. Damals war ich noch als Redakteurin fest angestellt. Aufgrund Zeitmangels habe ich den Blog aber pausiert. Zu Beginn der Corona-Krise nahm ich ihn wieder auf und benannte ihn zu Bodysynchron um. Seither gibt es diesen Kanal.
Dies brachte dann auch eine berufliche Umorientierung nach sich?
Roch: Mein Job als Redakteurin habe ich 2018 gekündigt und leitete anschließend beim Ingolstädter Stadttheater die Öffentlichkeitsarbeit. Das bereitete mir zwar viel Freude. Doch durch die Pandemie schlossen die Theater – und als ich meinen alten Blog wieder aufleben ließ, nahm das gesamte Projekt wieder Fahrt auf. Ich merkte, dass in diesem Thema meine Leidenschaft liegt. Als ich schließlich einen Buchvertrag erhielt, habe ich mich voll auf Bodysynchron konzentriert und meinen Job beim Stadttheater gekündigt.
Können Sie dann davon leben?
Roch: Ja.
Hat die Pharmaindustrie schon einmal kontaktiert?
Roch: Ja. Sie wollten, dass ich ein Schwangerschaftspräparat mit Vitaminen anpreise, weil ich auch Werbedeals mit Kooperationspartnern mache. Für mich habe ich allerdings von Anfang an ausgeschlossen, jemals mit der Pharmaindustrie zusammenzuarbeiten. Ich will unabhängig bleiben, um diese Branche gegebenenfalls auch kritisieren zu können. Deshalb habe ich dieses Angebot natürlich abgelehnt.
Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Roch: Mein Tag ist sehr facettenreich. Da gleichen sich die Tage selten. Beruflich gibt es viele Projekte, von Buch, Kursen, bis Blog- und Videobeiträgen. Prinzipiell stehe ich auf und bereite mir ein zyklusgerechtes Frühstück zu. Das teile ich als Inspiration mit meiner Community. Je nachdem, was nun ansteht, schreibe ich und drehe Videos für meinen Kanal. Das heißt: viel Content-Produktion. Ich versuche dabei, viele Informationen mitzugeben. Deshalb sehe ich mich nicht als Influencerin, sondern als Coach, der viel Wissen teilt. Zum Teil betreue ich deshalb auch Kundinnen, unterstütze sie bei Hormonfragen und -problemen. Zwischendurch versuche ich ein gesundes Mittagessen einzubauen und mit meinem Hund eine Runde spazieren zu gehen. Meist arbeite ich relativ lange, bis 20 oder 21 Uhr. Dann ist Feierabend und es folgt das Abendessen.
In welcher Zyklusphase befinden Sie sich aktuell?
Roch: Aktuell befinde ich mich in meiner Lutealphase. In dieser Phase tritt viel PMS (Prämenstruelles Syndrom, d. Red.) auf. Ich habe mir deshalb zum Frühstück einen Süßkartoffel-Toast gemacht, weil komplexe Kohlenhydrate in dieser Phase wichtig sind.
Isst Ihr Mann Tobias dabei mit?
Roch: Mein Mann hat schon immer bei mir mitgegessen, auch als er noch nicht Veganer war. Er nimmt das, was ich liefere, als Basis und ergänzt das. In der Eisprungphase beispielsweise esse ich wenig Kohlenhydrate. Ganz ohne Kohlenhydrate mag er es allerdings nicht, deshalb bereitet er sich dann immer noch ein paar Nudeln dazu.
Haben Sie auch Männer, die Ihnen folgen?
Roch: Einige. Mir schreiben auch viele, die Ihren Freundinnen helfen wollen und Infos suchen. Es gibt aber auch Männer, die mich hassen. Vor allem, wenn ich die Pille kritisiere. Diese Männer nervt das, weil sie Angst haben, dass sie wieder Kondome benutzen müssen. So etwas gibt es auch. Aber es gibt viele gute Filterfunktionen auf Instagram. So sehe ich meist nur nette Männer, die mir tolle Botschaften schreiben (lacht).
Das Gespräch führte Timo Schoch.
Zur Person
Jessica Roch (33) arbeitet als Zykluscoach und Bloggerin. Ihr Abitur schloss sie am Ingolstädter Christoph-Scheiner-Gymnasium ab, anschließend studierte sie Kultur- und Medienwissenschaften in Regensburg. Sie ist verheiratet und lebt in Ingolstadt