Eine stürmisch gefeierte Premiere „Die Ärztin“ am Stadttheater Ingolstadt
Es ist selten, dass das komplette Publikum bei einer Aufführung derart begeistert ist wie am Samstag, den 8. Februar bei der Premiere von „Die Ärztin“: die Zuschauer hält es nach zwei dichten Stunden nicht mehr auf den Sitzen und sie halten Minuten lang stürmische Standing Ovation.
Die Begeisterung galt der sehr freien Adaption von Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“, des englische Regisseurs und Dramatikers Robert Ickle. Seine Bearbeitung „The Doctor“feierte 2019 Uraufführung in London und wurde von der New York Times zum „das Stück des Jahrzehnts“ erklärt wurde.
Der Ausgangspunkt beider Geschichten ist ähnlich: Ein Mädchen liegt nach einer heimlichen, missglückten Abtreibung im Krankenhaus im Sterben. Der behandelnde Arzt verweigert einem katholischen Priester den Zugang zu der Sterbenden, um dem ahnungslosen Mädchen ein friedliches Sterben zu ermöglichen und ihr so die Todesangst zu ersparen. Während der hitzigen Auseinandersetzung stirbt das junge Mädchen.
In Ickles Drama ist Professor Bernhardi die jüdische Ärztin Ruth Wolff und eine der besten Medizinerinnen des Landes. Sie ist Mitbegründerin und Leiterin eines Forschungsinstituts für Alzheimererkrankungen. Der Vorfall mit dem katholischen Priester schlägt hohe Wellen, wird zu einem politischen und rassistischen Skandal aufgebauscht, bis hin zu einem vernichtenden, medialen Shitstorm. Die komplexen Diskussionen, die ihr Handeln auslöste, arten in ausufernde, moralisierende Identitätsfragen, es geht um Religion contra Medizin, katholisch gegen jüdisch, Rassismus und Frauenfeindlichkeit.Es stehen sich unterschiedliche religiöse und gesellschaftliche Positionen unversöhnlich gegenüber. Die Ärztin, die sich weigert das Spiel mitzuspielen wird auch in ihrem Selbstverständnisses als Fachfrau nicht nur in Frage gestellt, sondern auch vernichtet.
Für die herausragende Inszenierung konnte man Nurkan Erpulat gewinnen Mit Gitti Scherers Drehbühne, auf der mehrere Klinikräumen und einem gemütlichen Wohnzimmer.platziert sind, ist durchgängig ein Szenenwechsel mit schnellen Schnitten möglich. Die herausragende,dichte Inszenierung überzeugt und begeistern durch ein ausnahmslos hervorragendes Ensemble: Diana Marie Müller, Richard Putzinger, Peter, Reisser, Enrico Spohn, Murat Seven, Peter Polgar, Teresa Trauth, Berna Celebi und Julius Böhning. In der Rolle der Ärztin begeisterte die fantastische Viktoria Voss, die ohne Pause während der zwei Stunden auf der Bühne jede Minute absolut präsent ist und überzeugte einmal mehr mit ihrem herausragenden Können.
Ein unbedingt sehenswerter Theaterabend (HaGa)
Bilder: Germaine Nassal