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Überlebenskampf

 Kommentar von Hermann Käbisch

Ingolstadt war und ist eine Autostadt. Gemeint ist, dass  die Stadt von der Produktion von Autos, also von Audi, dem größten Arbeitgeber der Stadt, abhängt. Ohne die Gewerbesteuer des VW-Konzerns (es kommt nicht auf die Gewinne von Audi, sondern auf das Konzern-Ergebnis von Volkswagen an) kann sich die Stadt finanziell kaum über Wasser halten. Dies zeigt sich gerade jetzt, wo offensichtlich Gewerbesteuerzahlungen von Volkswagen ausbleiben. Da klafft dann im städtischen Haushalt eine riesige Lücke. 

Diese Abhängigkeit der Stadt von Audi/VW wird schon immer beklagt, aber weder unter der 48-jährigen Herrschaft der CSU (von 1972 bis 2020) noch unter der Regentschaft von Christian Scharpf (SPD) in den letzten fünf Jahren hat sich daran etwas geändert. Das Problem war bekannt, aber offensichtlich nicht lösbar. Insbesondere einige Personen, die sich jetzt mit Wirtschaftskompetenz brüsten, hätten ja Gelegenheit gehabt, etwas zu ändern, haben aber nichts erreicht. Nun hängt VW in den Seilen und es fließt keine Gewerbesteuer nach Ingolstadt. Die Stadt muss sparen, da auch der immer hochgelobte Mittelstand bei weitem nicht in der Lage ist, mit seinen Gewerbesteuerzahlungen der Stadt finanziell wieder Leben einzutauchen. 

Aber wird die Gewerbesteuer aus Wolfsburg wieder fließen? Danach schaut es nicht aus. Zwar haben Audi und auch VW  in der jüngsten Vergangenheit immer noch Milliardengewinne gemacht. Die konnten sie aber mit anderen Verlusten verrechnen, so dass für Ingolstadt letztendlich nichts übrig blieb. 

Und die deutsche und europäische Automobilindustrie geht schweren Zeiten entgegen.. Die Neue Züricher Zeitung, ein in Wirtschaftsfragen kompetentes Blatt, titelte Anfang Dezember: „Europas Autobauer stehen vor dem Kollaps“. Sollte das zutreffen, dann gehen in Ingolstadt viele Lichter aus. Aber warum sollte es Volkswagen und den anderen europäischen Autobauern eigentlich mittel-  oder langfristig so schlecht gehen? Die renommierte Züricher Tageszeitung meint, dass die chinesischen Autobauer „fast alles besser machen” als die Europäer. Die Chinesen bauen ein Auto rund um die inzwischen so wichtige Software, haben deutlich kürzere Entwicklungszeiten bei neuen Modellen, müssen sich bei Design und Qualität nicht verstecken und produzieren deutlich billiger. In China, dem wichtigsten Absatzmarkt der europäischen Autobauer, brechen die Absatzzahlen ein. Und in Europa fluten die Chinesen jetzt den Markt mit attraktiven Modellen, so dass auch hier VW & Co mit dem Rücken zur Wand stehen. Und die Chinesen gehen auch auf Einkaufstour. Mercedes ist bereits zu knapp 20 Prozent in chinesischer Hand. Und um den Stellantis-Konzern (Citroen, Peugeot, Opel, Fiat, Chrysler u.a.)  ranken sich Gerüchte, wonach der chinesische Autobauer Leap Motor eine Übernahme anstrebt.

Machen wir uns nichts vor: Es gibt einen knallharten Überlebenskampf in der Automobilindustrie. Die goldenen Zeiten sind vorbei – auch für Ingolstadt.

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