Elternkreis drogengefährdeter und drogenabhängiger Kinder und Jugendlicher
Die Erkenntnis trifft Sie aus heiterem Himmel: Ihr Kind konsumiert Drogen. Plötzlich prasseln Fragen auf Sie ein: Was habe ich falsch gemacht? Warum passiert das ausgerechnet uns? Mit wem kann ich darüber sprechen? Zugleich möchten Sie vermeiden, dass andere davon erfahren – aus Angst vor Unverständnis, Schuldzuweisungen und Stigmatisierung.
Umso wichtiger ist ein Gesprächskreis für Eltern und Angehörige. Denn wer sonst weiß so genau, wie es Ihnen geht, was Sie umtreibt und welche Schritte helfen können, aus einem Strudel herauszufinden, der nicht nur Ihr Kind, sondern das gesamte familiäre Umfeld erfasst.
Ein Clown läutet die Zeitenwende ein
„Zeitenwende“ – so lautete das Motto des ersten Ingolstädter Katholikentags 1999. Für Eltern drogengefährdeter und -abhängiger Kinder wurde es tatsächlich eine Zäsur. Weil es schwer war, sich zu diesem Thema öffentlich zu bekennen, brauchte es eine Figur, die Hemmungen abbaut: einen Clown.
Ein Clown lockt Menschen an, zaubert ein Lächeln ins Gesicht und erleichtert den Zugang zu schwierigen Themen. Diesen Clown entwarf die Initiatorin des Ingolstädter Elternkreises, Ursula Schönauer. Die Resonanz auf ihren Stand am Schliffelmarkt war enorm – ein deutliches Signal für den Bedarf an Unterstützung.
So entstand der Entschluss, einen regelmäßigen Elternkreis zu gründen. Bis heute – mehr als 25 Jahre später – treffen sich Mütter, Väter und andere Angehörige donnerstags im Bürgerhaus in der Kreuzstraße. Die Begegnung mit Menschen in ähnlicher Lage spendet Trost, macht Mut und liefert Antworten auf bedrückende Fragen. Zugleich erfahren die Teilnehmenden, was Sucht bedeutet und wie ein hilfreicher Umgang mit betroffenen Familienmitgliedern aussehen kann.
Die Co-Abhängigkeitsfalle vermeiden
Die Abhängigkeit eines nahestehenden Menschen, besonders eines Kindes, führt oft dazu, dass man sich fast ausschließlich an dessen Gefühlen und Problemen orientiert – so stark, dass man sich selbst aus dem Blick verliert. Eigene Bedürfnisse, Grenzen und die eigene Gesundheit geraten ins Hintertreffen.
Viele versuchen, den Betroffenen zu „retten“, indem sie alles für ihn tun, ihn überwachen, ihm Entscheidungen abnehmen. Das Selbstwertgefühl hängt zunehmend daran, ob diese Bemühungen „fruchten“ – was selten gelingt. Die Folge ist eine Spirale aus Enttäuschung, Überforderung und Verzweiflung.
Im Elternkreis werden Angehörige für diese Dynamik sensibilisiert. Sie lernen, auf sich selbst zu achten, innere Ruhe und Kraft aufzubauen, um der Krise standzuhalten. Dazu gehört auch die Einsicht, dass man nichts erzwingen kann und der eigene Einfluss begrenzt ist. Schritt für Schritt wird klar: Die Verantwortung für sein Leben trägt der Abhängige selbst. Eltern können unterstützen und ermutigen – den Weg aus der Sucht jedoch muss er selbst gehen.
Fragen, die viele bewegen
Eine der zentralen Sorgen lautet: Was denken andere, wenn sie von der Sucht unseres Kindes erfahren? Werden wir verurteilt, verlieren wir Ansehen? In der Gruppe wird deutlich, dass diese Angst viele teilen – und dass niemand mit dieser Last allein ist.
Ebenso quälend sind Fragen wie: Warum nimmt mein Kind keine Hilfe an? Warum scheitern alle unsere Versuche? In den Treffen zeigt sich immer wieder, dass ein wichtiger Schritt darin besteht, als Eltern zunächst selbst Unterstützung anzunehmen – und vorzuleben, dass Hilfe holen kein Versagen ist, sondern Stärke.
Das Herz der Selbsthilfegruppe
Ursula Schönauer ist nicht nur Gründerin des Kreises, sondern bis heute die prägende Kraft, wenn es um Unterstützung für Eltern drogenabhängiger Kinder und um Suchtprävention in Ingolstadt geht. Sie moderiert die Treffen, vermittelt Wissen, hört zu und ermutigt zu klaren Entscheidungen.
Seit Jahrzehnten engagiert sie sich mit großem persönlichem, oft unkonventionellem Einsatz für Prävention und Angehörigenarbeit. Kaum eine Anreise ist ihr zu weit, um an Fachtagungen, Fortbildungen und Kongressen teilzunehmen – als Zuhörerin wie als Referentin. Dort berichtet sie von Erfahrungen aus dem Elternkreis, von gelungenen Wegen, aber auch von Lücken in der Versorgung.
So ist ein Netzwerk entstanden, das fachliche Kompetenz mit viel Herz und praktischer Erfahrung verbindet – mit einem Ziel: Familien in einer extrem belastenden Situation zu entlasten und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. (HaGa)

