„Wann ist ein Mann ein Mann?“ – diese Frage stand im Mittelpunkt des 10. Ingolstädter Männertags, der dieses Jahr erstmals in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) stattfand. Unter diesem Leitmotiv diskutierten sieben Podiumsgäste mit mehr als 60 Besuchern über Rollenbilder, mentale Gesundheit und moderne Arbeitsmodelle. Dabei wurde schnell deutlich: Offen über eigene Schwächen zu sprechen, ist nicht nur ein persönlicher Schritt, sondern auch eine Frage der Gleichstellung.
Eingeladen hatten die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ingolstadt, Anja Assenbaum, und ihre Kollegin an der THI Astrid Moser. Gemeinsam mit ihren Gästen stellten sie tradierte Vorstellungen von Männlichkeit auf den Prüfstand. Weltweit wird der Internationale Männertag am 19. November begangen – vielerorts mit Fokus auf Männergesundheit, Vorbilder und Gleichstellung.
Im Verlauf des Abends verschob sich jedoch der Blickwinkel: Statt „Wann ist ein Mann ein Mann?“ müsse man heute eher fragen „Wann ist ein Mensch ein Mensch?“. Denn viele Erfahrungen – beruflicher Druck, gesundheitliche Belastungen, der Wunsch nach mehr Familienzeit – seien längst keine reinen Männerthemen mehr, sondern betreffen Menschen aller Geschlechter. Entscheidend sei, wie offen darüber gesprochen werden könne.
Ein Teilnehmer machte zudem auf die Unsichtbarkeit alleinerziehender Väter im Alltag aufmerksam. Häufig werde nach „der Mutter“ gefragt, Institutionen reagierten irritiert, wenn der Vater der betreuende Elternteil sei. Für Kinder sei es belastend, wenn ihre Lebensrealität strukturell kaum vorkomme. Dabei gebe es große Unterschiede zwischen „alleinerziehend“ und „getrennt erziehend“ – zwischen einer verstorbenen Mutter und einer kooperativen geteilten Betreuung liegen viele Nuancen.
Immer wieder rückten die Folgen für die mentale Gesundheit in den Fokus. Wie erkennt man Depressionen bei Freunden oder in der Familie? Typische Anzeichen seien fehlender Antrieb, der Verlust von Freude an Hobbys, sozialer Rückzug, körperliche Beschwerden oder das diffuse Gefühl, „irgendetwas stimmt nicht“. Viele Männer zögerten jedoch lange, diesen Eindruck ernst zu nehmen und Hilfe zu suchen. Der Gang zum Hausarzt oder eine professionelle Beratung könne entscheidend sein, um eine Erkrankung früh zu erkennen und zu behandeln.
Mehrere Redner berichteten offen von eigenen gesundheitlichen Krisen – von langen Krankschreibungen über Reha- und Klinikaufenthalte bis hin zu beruflichen Rückschritten. Wichtig sei eine „radikale Akzeptanz“ der eigenen Situation: Wer eine Erkrankung verdränge, verschlimmere sie meist. Klinikaufenthalte und Therapie wurden ausdrücklich nicht als Makel, sondern als Chance beschrieben, wieder Stabilität zu finden.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage: Kann man in Teilzeit Karriere machen? Einige Podiumsgäste erzählten, wie sie ihre Arbeitszeit reduziert haben – aufgrund von Krankheit, Pflege von Angehörigen oder für mehr Zeit mit den Kindern. Einer schilderte die Aufteilung des Erwerbslebens mit seiner Partnerin im Verhältnis ein Drittel zu zwei Dritteln, andere berichteten von unterstützenden Arbeitgebern, die eine Reduktion auf 50 Prozent ermöglichten. Gleichzeitig wurde deutlich: In vielen Branchen gilt Teilzeit noch immer als „Karrierekiller“, obwohl flexible Modelle angesichts des Fachkräftemangels zunehmend ein Wettbewerbsvorteil sind.
Damit eng verknüpft war der Wandel der Arbeitswelt. Früher hätten viele versucht, „das Maximum aus dem Job herauszuholen“ – heute gehe es eher darum, „das Beste aus dem Leben herauszuholen“. Immer mehr Beschäftigte wünschen sich kürzere Arbeitszeiten oder mehr Flexibilität, um ihre mentale Gesundheit und ihr Privatleben besser zu schützen. Veränderung liege dabei nicht nur bei Politik und Institutionen, sondern auch bei jedem Einzelnen.

