Digitale Versuchung – Handys an Schulen auf dem Prüfstand

Wie Smartphones Lernen, Konzentration und das soziale Miteinander beeinflussen

Mehr als 70 Prozent aller Kinder zwischen 6 und 18 Jahren besitzen in Deutschland ein Handy. Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche rund 37 Stunden pro Woche – also etwa fünf Stunden täglich – am Handy verbringen. Das ist ein erheblicher Teil ihrer Freizeit. Handys beeinträchtigen die zwischenmenschliche Kommunikation und die soziale Interaktion im realen Leben, denn Schülerinnen und Schüler verbringen mehr Zeit mit digitalen Geräten und weniger Zeit mit echten Gesprächen, die soziale Fähigkeiten und Empathie fördern.

Auch die Idee mancher Schulen, die Nutzung nur in den Pausen zu erlauben, führt oft dazu, dass diese nicht mehr als gemeinschaftliche Zeit erlebt werden – obwohl sie für das soziale Klima wichtig wären. Eine US-Studie zeigt, dass Jugendliche teils über 200 Nachrichten pro Tag erhalten und sich unter Druck gesetzt fühlen, selbst während des Unterrichts sofort zu reagieren. Das beeinträchtigt zusätzlich die Konzentration, die vielen Jugendlichen ohnehin schwerfällt.

Viele empfinden diesen ständigen Druck als Belastung. Laut einer Jugendstudie der Vodafone-Stiftung von 2025 würden 56 Prozent der 14- bis 20-Jährigen gerne weniger soziale Medien nutzen, schaffen es aber nicht, dem Gruppenzwang zu entkommen.

Mobbing hat es zwar schon immer an Schulen gegeben. Allerdings bieten Handys weit mehr Möglichkeiten, anonym anderen das Leben schwer zu machen, indem unbemerkt verletzende Nachrichten gesendet sowie Bilder oder Videos geteilt werden. Solche Formen des Mobbings sind schwerer zu erkennen und zu unterbinden als Konflikte in der analogen Welt. Hinzu kommt: Kinder ohne Handy oder mit einem veralteten Gerät geraten schnell ins Abseits.

Durch den intensiven Gebrauch digitaler Medien werden zudem Grundfertigkeiten vernachlässigt – etwa das Erinnern, konzentrierte Lesen oder das bewusste Beobachten der Umwelt. 

Digitale Kompetenz braucht analoge Grundlagen

Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass der Ruf nach einem Handyverbot an Schulen immer lauter wird. So haben inzwischen die nordischen Länder – einst Vorreiter beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht – einen deutlichen Kurswechsel vollzogen: Der Einsatz digitaler Geräte wurde stark reduziert, und an vielen Schulen sind Handys inzwischen vollständig verboten. Forschungen aus Norwegen belegen seitdem positive Effekte wie bessere Noten und weniger Mobbing. In Ingolstadt hingegen setzt man – so wie in vielen Schulen – auf WhatsApp-Gruppen als Kommunikationsplattform. 

In Solingen startete gerade ein einzigartiges Projekt: Nach eineinhalb Jahren intensiver Abstimmungen zwischen Eltern, Schulen, Stadtverwaltung und Psychologen ist es nun so weit – mehr als 1.000 Fünftklässler der weiterführenden Schulen verzichten freiwillig vollständig auf soziale Medien.Angesichts der Tatsache, dass Handys heute für Kinder und Jugendliche selbstverständlich sind, zählt Medienkompetenz zu den zentralen Schlüsselqualifikationen – ebenso wie Lesen und Schreiben. Das eigene Handy ist dafür nicht zwingend erforderlich, kann aber hilfreich sein, wenn klare Regeln für Datenschutz, Nutzungszeiten und Chancengleichheit bestehen. Kann die Durchsetzung der Bedingungen nicht gewährleistet werden, überwiegen die Nachteile. 

Foto: freepic

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