Und was sie über Geschichte und Werte einer Stadt erzählen
Die Identität einer Stadt speist sich aus vielen Faktoren. Straßennamen sind ein fester Bestandteil der lokalen Erinnerungskultur, weil sie Geschichte und soziale Struktur einer Stadt widerspiegeln. Manche liefern Hinweise auf die historische Funktion und manchmal auch auf Handwerk, das bereits ausgestorben ist – wie beispielsweise Gerbergasse. Einige haben geographische Bezüge und weisen auf Besonderheiten – wie Bergstraße – hin. Manche Namen beziehen sich auf örtliche Besonderheiten. In Ingolstadt etwa geht die Adresse „Am Stein“ auf die Sage zurück, der Teufel habe aus Zorn über den Bau des Münsters einen Stein auf das Gotteshaus werfen wollen und weit verfehlt. Solche Erzählungen machen Stadtführungen lebendig.

Bis ins 18. Jahrhundert waren Benennungen nach Persönlichkeiten eher die Ausnahme. Heute werden Straßen deutlich häufiger nach historischen Ereignissen oder Personen benannt, die eine Stadt geprägt oder die sich um sie verdient gemacht haben. In Deutschland ist es seit 1945 üblich, Straßen erst postum zu benennen – auch, um Personenkult vorzubeugen, wie er in Diktaturen anzutreffen ist. Benennungen sollen zugleich Werte und Leitbilder sichtbar machen. In vielen Städten gibt es Initiativen, mehr Straßen nach bedeutenden Frauen zu benennen. Zielvorgaben einzelner Kommunen gehen dabei teils weiter, so will Wien zum Beispiel eine Geschlechterparität erreichen. Für Ingolstadt liegt keine amtliche Quote vor; der Anteil weiblicher Namenspatinnen ist nach eigener Auswertungen mit rund einem Viertel gegenüber den männlichen doch sehr niedrig.
Schwieriger Umgang mit historischem Erbe mancher Namensnennung
Die Benennung einer Straße ist grundsätzlich auf Dauer angelegt. Umbenennungen sind selten. Gleichwohl nehmen Debatten zu, und Anträge auf Überprüfung bestehender Namen werden häufiger – insbesondere, wenn historische Belastungen im Raum stehen. Dabei geht es vielfach um Persönlichkeiten, deren Wirken heutigen Wertvorstellungen nicht mehr entspricht.
Hier prallen oft zwei Sichtweisen aufeinander: Für die einen sind Straßennamen zentraler Teil der Erinnerungskultur, für die anderen primär Orientierungshilfe. Manche Anliegen sind gut nachvollziehbar; in anderen Fällen sind differenzierte biografische Kenntnisse um die Geschichte und Wirken einer Person erforderlich, die nicht jedermann zugänglich oder bekannt sind und folglich erschließen sich viele entsprechende Anträge der Allgemeinheit nicht.
Funktionsnamen wie „Parkstraße“ sind von Umbenennungen in der Regel ausgenommen.
