„Ingolstadt steht vor einer neuen finanziellen Realität“ – Stadtspitze kündigt Sparkurs und Strukturreformen an

Die finanzielle Lage der Stadt bleibt angespannt. Bei einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag stellten Oberbürgermeister Dr. Michael Kern und Finanzreferent Franz Fleckinger die aktuellen Zahlen vor – und sie fielen deutlich schlechter aus als erwartet. Kern sprach von einer „tiefgreifenden Zäsur“, Fleckinger von einer „anhaltend schwierigen Situation“. Mit dem Leitbild „Ingolstadt – Zukunftsstark 2030“ will die Stadt nun gegensteuern.

Gewerbesteuer auf niedrigstem Stand seit fast 20 Jahren

Finanzreferent Fleckinger machte gleich zu Beginn deutlich, wo das Hauptproblem liegt: bei der Gewerbesteuer. Die Einnahmen bewegen sich derzeit im Bereich von 50 bis 58 Millionen Euro – weniger als die Hälfte dessen, was für eine solide Haushaltsführung nötig wäre.

„Wir waren zuletzt 2006 oder 2007 auf diesem Niveau“, sagte Fleckinger. Für einen stabilen Haushalt bräuchte die Stadt rund 150 bis 160 Millionen Euro. Von diesen Werten sei man weit entfernt, und eine schnelle Erholung sei nicht in Sicht: „Die Gewerbesteuer wird auch in den kommenden Jahren nur sehr moderat fließen.“

Hinzu kommen weiter steigende Ausgaben – etwa im Sozial- und Personalbereich oder bei laufenden
Investitionsprojekten wie Schulen und Infrastruktur. Die Stadt plant daher eine Nachtragshaushaltssatzung und will den
Kassenkreditrahmen von derzeit 75 auf 117 Millionen Euro anheben, um die Liquidität im Jahr 2026 zu sichern.

Fleckinger rechnet bis 2029 mit jährlichen Unterdeckungen von rund 88 Millionen Euro. Nur durch Rücklagen und Einsparungen könne man den Fehlbetrag vorübergehend abfedern. Seine Hoffnung: „Wenn es gut läuft, können wir die Lücke vielleicht auf einen einstelligen Millionenbetrag drücken.“

Oberbürgermeister Dr. Michael Kern sprach von einer „neuen finanziellen Realität“. Die Lage sei strukturell, nicht vorübergehend. „Dies ist kein kurzer Einbruch der Gewerbesteuer, sondern ein disruptives Ereignis, das eine neue Zeit eingeläutet hat“, sagte Kern.

Ursachen seien die schwache Konjunktur, internationale Handelskonflikte, die Transformation der Automobilindustrie sowie gestiegene Bau- und Sozialkosten. Diese Entwicklungen lägen weitgehend außerhalb des städtischen Einflusses.

„Die wirtschaftlichen und finanziellen Spielräume, die wir über Jahrzehnte hatten, werden in dieser Form nicht zurückkehren“, so Kern. Die Stadt müsse lernen, „mit dauerhaft niedrigeren Einnahmen zu gestalten – und trotzdem handlungsfähig zu bleiben“.

Vier Leitlinien bis 2030

Unter dem Titel „Ingolstadt – Zukunftsstark 2030“ will die Stadt ihre Finanzen stabilisieren und zugleich zukunftsfähig bleiben. Kern nannte vier zentrale Schwerpunkte:

  1. Konsolidieren: Alle Ausgaben werden überprüft. Verwaltung, Beteiligungen und freiwillige Leistungen stehen auf dem Prüfstand. Der Personalstand soll schrittweise durch natürliche Fluktuation reduziert werden.„Wir wollen selbst entscheiden, wo wir kürzen und wo wir investieren“, sagte Kern.
  2. Innovativ optimieren: Die Verwaltung soll moderner, digitaler und effizienter werden. Dabei setzt die Stadt verstärkt auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – etwa bei Anträgen, der Stadtplanung oder der Zweitwohnungssteuer. Ziel sei, Bürokratie abzubauen und den Bürgerservice zu verbessern.
  3. Wirtschaft stärken: Ingolstadt will die Wirtschaftsförderung neu ausrichten und gezielt Zukunftsbranchen unterstützen. Neue Gewerbeflächen an der Manchinger Straße und im Weiherfeld, der Ausbau des IN-Campus und ein geplanter Gewerbehof im PPP-Modell sollen neue Impulse bringen.„Jeder neue Arbeitsplatz, jede Investition, jede Innovation stabilisiert unsere Stadt“, betonte der Oberbürgermeister.
  4. Fair finanzieren: Kern forderte vom Bund und vom Freistaat eine gerechtere Finanzierung der Kommunen. „Das System trägt nicht mehr“, sagte er mit Blick auf das bundesweite Defizit von 25 Milliarden Euro. Kommunen müssten stärker an der Umsatzsteuer beteiligt und Förderprogramme vereinfacht werden.

Sparen mit Augenmaß

Kern kündigte an, dass die Stadt deutliche Einsparungen vornehmen werde – aber mit Bedacht: „Ein Kahlschlag wäre keine Lösung.“ Auch die Bürgerinnen und Bürger würden Einschränkungen spüren, etwa bei Kultur, Freizeit und Infrastruktur. Ziel sei es, Ingolstadt „lebenswert und handlungsfähig“ zu halten.

Die ersten konkreten Maßnahmen aus der zweiten Konsolidierungsrunde sollen in der Oktobersitzung des Stadtratsberaten und beschlossen werden. Weitere Schritte folgen im Dezember und im kommenden Jahr.

Ein ausgeglichener Haushalt sei angesichts eines Defizits von 60 bis 80 Millionen Euro pro Jahr derzeit nicht erreichbar, so Kern. Dennoch bleibe der Kurs klar: „Wir handeln heute, damit Ingolstadt auch morgen gestalten kann.“

„Ingolstadt kann Transformation“

Trotz der düsteren Finanzlage gab sich der Oberbürgermeister kämpferisch:

„Ingolstadt hat in seiner Geschichte oft bewiesen, dass es mit Wandel umgehen kann. Jetzt ist wieder so ein Moment. Wenn wir gemeinsam anpacken, machen wir unsere Stadt bis 2030 zukunftsstark – mit neuer Stärke aus eigener Kraft.“

Die Botschaft ist eindeutig: Die fetten Jahre sind vorbei. Ingolstadt muss sich auf eine Zeit des Umbaus, des Sparens und des Neujustierens einstellen – und soll dabei dennoch den Mut behalten, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten.

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