Nach dem Wahlkampf geht die Arbeit richtig los
Die Anfänge der Corona-Pandemie waren schon während des Kommunal-Wahlkampfes zu spüren. An den Abenden der Wahl selbst sowie der Stichwahl fielen die großen Partys aus. Genauso die üblichen Feste der einzelnen Parteien im Nachgang und vor allem als Dank für die Helfer. Die Freien Wähler haben ihr Fest im privaten Rahmen nachgeholt. Der Vorsitzende Hans Stachel konnte in lockerer Atmosphäre über die Zeit nach der Wahl sprechen.
Herr Stachel, wie geht es Ihnen heute?
Mir geht es heute sehr gut. Ich bin froh, dass wir endlich unsere kleine private Feier vom Wahlabend nachholen können.
Hat sich der ganze Wahlkampf-Stress gelegt und Sie schnaufen etwas durch?
Definitiv. Wobei die Anspannung von der Wahl relativ schnell verflogen war. Es war doch mehrere Monate tagtäglich eine Belastung. Wobei jetzt auch die Zeit nach der Wahl, die die Findung von Mehrheiten für Ausschüsse und die ganzen Verhandlungen beinhaltet – das war aus meiner Sicht sogar noch anstrengender als der Wahlkampf selber. Jetzt sind wir in der Phase, in der sich der Stadtrat finden muss. Das gipfelt darin, dass wir aktuell jeden Tag im Rathaus sind. Also weniger für mich ist es nicht geworden aber die Belastung, dass es viele Baustellen gleichzeitig sind, die ist jetzt weg.
Sie sagen noch nicht, dass Sie an dem Punkt sind, an dem Sie jetzt was arbeiten können.
Nein wir sind immer noch in Bewegung, dass wir uns ausrichten, den Stadtrat ausrichten, Geschäftsordnungen machen. Wir haben auch neue Soft- und Hardware bekommen. Das muss auch eingerichtet werden und wir müssen damit arbeiten lernen. Wir wollen uns jetzt zwingen digital zu arbeiten. Aktuell dauern die Sitzungen zwar noch länger, weil jeder mit der Technik kämpft; ich denke, dass das jetzt der Einführungszeitraum ist und der optimale Zeitpunkt auch da etwas zu ändern.
Wenn Sie trotzdem schon eine erste Bilanz ziehen – wie ist das Arbeitsgefühl im Stadtrat?
Ich würde das Arbeitsgefühl im Stadtrat mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parteien auf alle Fälle positiv einschätzen. Mir gehts gut dabei, ich fühle mich gut. Ich glaube auch, dass es den anderen genauso geht. Man sucht das Gespräch, man ist offen unterwegs, es wird nicht sehr taktiert – der Wahlkampf ist schließlich vorbei. Jetzt geht es einfach vorwärts. Ich glaube, dass der in meinen Augen stattgefundene Generationswechsel – das hat jetzt nicht nur was mit dem Alter zu tun, dem Stadtrat guttut. Viele neue Kollegen kommen relativ unbelastet dazu und es sind andere Gesprächsebenen möglich als vorher.
Trotzdem hat man den Eindruck, dass Sie als Partei schon etwas bei verschiedenen Themen sticheln.
Ich glaube, dass es ein Unterschied ist, wenn man sagt, dass man offen miteinander umgeht und eine gute Gesprächsbasis hat und dass es eben nicht heißt, dass man einer Meinung sein muss. Das ist das was momentan noch nicht ganz so stark nach außen dringt, weil die entsprechenden Themen noch nicht aufploppen. Der Stadtrat beschäftigt sich gerade noch wesentlich mit sich selbst. Wir haben jetzt als großes Thema das Thema Kammerspiele gehabt. Da hatten wir jetzt einfach gefühlt die Rolle „Allein gegen alle“ – das sehe ich jetzt nicht als persönliches Problem, sondern es ist ein Thema, bei dem die Meinungen um Lichtjahre auseinander gehen. So lange die Worte jetzt nicht schwieriger oder belastender werden, wie jetzt in dem Fall, kann ich damit umgehen und alle anderen können das auch. Stadtrat hat viel mit Theater zu tun. Wir spielen Rollen. Da sind die Fraktionsvorsitzenden, die Bürgermeister, die Ausschusssprecher – die haben die Rolle eine Meinung, im besten Falle die eigene, zu transportieren. Aber deshalb sehe ich im anderen keinen Gegner. Man muss sich ja auch erst kennen lernen, wie der andere mit Belastungssituationen umgeht. Da lernt jeder dazu. Und ich glaube schon, dass jetzt langsam die Zeit los geht, wo jeder sein Revier absteckt. Momentan sind wir alle noch auf Schmusekurs unterwegs.
Das heißt aber auch nicht, dass die Freien Wähler jetzt immer in der Rolle des Krawallsuchenden sind…
Nein. Da bin ich der Letzte. Entweder es gibt ein Thema, das eine Diskussion um unterschiedliche Positionen hergibt, oder es ist Ruhe. Und wenn es was anzusprechen gibt, dann deutlich und nicht um den Brei herumreden. Ich kenne die Rolle natürlich auch aus der anderen Sicht. Klar fühlt es sich jetzt anders an.
Lassen Sie uns noch kurz über die Innenstadt – Stichwort Kaufhof – reden. Wie stehen die Freien Wähler dazu?
Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass sich die Stadt engagiert. Wir hätten uns vorstellen können, dass die Stadt über die IFG aktiv wird und das Gebäude inklusive C&A-Gebäude mit entwickelt. Auch wenn es plötzlich einen neuen Eigentümer gibt heißt es nicht, dass ein Engagement unmöglich ist. Unsere Intention ist es, dass die Stadt an einem Nutzungskonzept arbeiten muss, das jenseits von einem reinen Kaufhaus sein wird. Generell sind Innenstädte im Umbruch. Das wird dadurch deutlich, dass vieles, das bisher funktioniert hat eben nicht mehr funktioniert. Der wirkliche Wandel ist eine Mischung kann aus wohnen, Markthalle, Kaufhaus mit Büroeinheiten oder auch eine Mischung mit Kultur sein. Vieles ist möglich. Aber so wie es war wird es nicht mehr werden. Man muss die Chance nutzen neue Wege zu gehen.
Vielen Dank für das Gespräch.