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125 Jahre Schäfflergilde des MTV Ingolstadt

Vom Zunftbrauch zur gelebten Stadtkultur

Aba heid is koid“ – alsbald ertönt der Ohrwurm, den der Königlich-Bayerische Obermusikmeister Wilhelm Siebenkäs komponiert hat, wieder. Sein Name taucht 1885 das erste Mal auf einem Programm in München auf. Inzwischen ist das Lied bayernweit die Erkennungsmelodie der Schäffler, die ab dem 10. Januar 2026 wieder in Ingolstadt und Umgebung zu hören sein wird, wenn die Ingolstädter Schäffler ihre Auftritte haben. 

Das Jahr 2026 ist für sie ein ganz besonderes Jahr: Sie blicken stolz auf ein 125-jähriges Jubiläum zurück. Im Jahr 1901 hatte der Männerturnverein einen Antrag „Genehmigung der Aufführung des Schäfflertanzes auf öffentlichen Straßen und Plätzen“ gestellt. Am 6. Januar 1902 fand der erste dieser Auftritte am Rathausplatz statt – und seitdem alle sieben Jahre. Diese Tradition wurde nur während der beiden Weltkriege unterbrochen. 

Sie werden im Zeitraum zwischen 10. Januar und 14. Februar jeweils samstags und sonntags auftreten. Die meisten Auftritte werden von Firmen und Institutionen gebucht, manchmal auch von Privatpersonen im näheren Umkreis von Ingolstadt, aber auch in der Partnerstadt Carrara sind sie bereits öfter aufgetreten. Einige Besonderheiten gab es im Laufe der Jahre – so hatten sie 1986 einen Auftritt in Stuttgart bei der Liveshow „100 Jahre Automobil“ als Audi-Begleitung. Ein ganz besonderer , unvergesslicher Moment war der Auftritt bei der 49th German-American Steuben Parade über die Fifth Avenue in New York am 16. September 2006. 

Historischer Rückblick

Die Schäffler waren mit der Herstellung von Behältnissen, in denen Zucker, Salz, Öle, Seifen, Farben, Fisch, Wein und Bier aufbewahrt und Butter hergestellt wurde, für den damaligen Alltag von grundlegenden Bedeutung. Auch für den Transport waren die runden Fässer praktisch, denn man konnte sie auch rollen. In Ingolstadt ist die Schäfflergilde eine der ältesten nachweisbaren Zünfte: Im Stadtarchiv ist eine Handwerksordnung aus dem Jahr 1484 überliefert.


Der Ursprung des Tanzes wird auf die Pestzeit zurückgeführt. Aus Angst blieben die Menschen in ihren Häusern. Die Schäffler, die wegen ihrer Tätigkeit außerhalb der Stadtmauern gelebt hatten und von der Pest weitgehend verschont blieben, waren auf Aufträge angewiesen – und so lockten sie mit viel Spektakel, geschmückten Bögen, Tänzen und Späßen die Menschen wieder auf die Straßen. Ursprünglich war es nur unverheirateten Schäfflergesellen mit einwandfreiem Leumund erlaubt mitzutanzen. Inzwischen sind viele von ihnen verheiratete Familienväter. In den meisten Vereinen dürfen Frauen nach wie vor nur als Kasperl – die das Publikum bei Laune halten und anschließend Spenden sammeln – oder in der Organisation mitwirken. Nachwuchsprobleme kennen die Ingolstädter Schäffler nicht: Dafür sorgen die Minischäffler – eine Ingolstädter Besonderheit, die es seit 1935 gibt. 

Eine Gilde und ihre Chronik
Alle historischen Details wurden dem Buch „Die Ingolstädter Schäffler und ihr Tanz“ von Gerd Treffer entnommen. Es zeigt nicht nur die Geschichte der Ingolstädter Gilde, sondern ist auch ein Zeitdokument des Stadtgeschehens und kann ab Januar 2026 im Zuge der Auftritte für 25 Euro erworben werden. Zu Recht ist man stolz darauf, wohl die Einzigen in Bayern zu sein, die eine derart vollständige Dokumentation ihres Wirkens in Wort und Bild besitzen. 

Am Ende eines jeden Auftritts kommt das Zeichen zum Abmarsch:
„Ihr Brüder im Kranz, zu End ist der Tanz, das Glas ist voll, ich leer es auf das Wohl des edlen Spenders – er lebe hoch, hoch, hoch“ – am Faschingsdienstag, den 17. Februar 2026,  zum letzten Mal. Bis es in sieben Jahren wieder durch die Straßen tönt: „Aba heid is koid“. 

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