Die Wut der Funktionäre

Kommentar von Hermann Käbisch

Der neu gewählte Ingolstädter Oberbürgermeister Dr. Michael Kern kommt bei den Bürgern gut an. Er zeigt bei vielen Veranstaltungen Präsenz und versteht es, auf die Menschen zuzugehen und sich mit ihnen auf Augenhöhe zu unterhalten.

Nicht so glücklich sind die Funktionäre der CSU. Die, auch MdB Reinhard Brandl und Ex-CSU-Chef Horst Seehofer, sowie Albert Wittmann und der Kreisvorsitzende Stefan Huber wollten ganz offensichtlich lieber Christian Lösel als OB-Kandidaten haben. Doch dann bestimmten die einfachen CSU-Mitglieder in der Mitgliederversammlung (und nicht die delegierten Funktionäre) Michael Kern als OB-Kandidaten. Und die Ingolstädter Bürger wählten ihn mehrheitlich zum OB.

Seitdem grollen die Funktionäre in der CSU. Im Kreisvorstand fallen nicht nur lobende Worte über den Oberbürgermeister. Man hätte sich doch gewünscht, dass beispielsweise die Stabsstellen im OB-Büro, die Amtsvorgänger Christian Scharpf, geschaffen und besetzt hatte, entweder sofort abgeschafft oder mit CSU-Parteigängern besetzt werden. Doch Oberbürgermeister Kern wartet ab. Er schaut sich die Leistung an und nicht das Parteibuch.

Und auch bei der (Wieder-)Wahl der städtischen Referenten zeigte sich der Oberbürgermeister souverän. Mit aller Gewalt wollte zum Beispiel Albert Wittmann (CSU) verhindern, dass Bernd Kuch wieder als Personalreferent gewählt wird. Er wollte die Wahl verzögern und dem neuen Stadtrat (Wahl im März 2026) überlassen und hoffte, dass es andere Mehrheitsverhältnisse geben würde. Eine von Wittmann besonders geförderte Mitarbeiterin aus seinem früheren Referat sollte Kuch beerben. OB Kern zog die Wahl aber durch und Kuch wurde im Amt bestätigt.

Was uns bevorsteht: Nach der Neuwahl des Stadtrats 2026 werden aus dessen Mitte auch die weiteren Bürgermeister gewählt. Hier scharren einige in der CSU und bei den Freien Wählern schon mit den Hufen. Freie Wähler und CSU arbeiteten von 2014 bis 2020 zusammen. Sie setzten beispielsweise durch, dass nicht der Gewinner des Architektur-Wettbewerbs beim Museum für Konkrete Kunst zum Zuge kam. Vielmehr wollte die CSU-Fraktion, unterstützt von den (teils eher kritischeren) Freien Wählern, dass das Museum unterirdisch (wie nur vom Drittplatzierten vorgesehen) und damit mit viel größerem Risiko gebaut wird. Die ungebremst in die Höhe geschossenen Kosten sind eine Konsequenz dieser Entscheidung. 

Zurück zur Bürgermeisterwahl: Nun werden CSU und Freie Wähler zusammen nicht die Mehrheit haben, um ihre Wunschkandidaten durchzudrücken. Aber: Sollte etwa Petra Kleine gegen einen FW-Kandidaten bei der Wahl des dritten Bürgermeisters antreten, ist zu erwarten, dass die Stimmen von CSU, Freien Wählern und AfD dem FW-ler gehören. Er würde dann voraussichtlich auch gewählt. Nach der Neuwahl des Stadtrats dürfte die AfD über mindestens acht Mandate verfügen (bundesweit liegt die AfD bei über 20 Prozent; das wären 10 Stadtratsmandate), CSU (zur Zeit 13 Sitze und zwei der Jungen Union – Liste) und Freie Wähler (derzeit 4 Sitze) zusammen sicherlich über mehr als 17 Mandate. Das reicht für die Wahl eines von allen drei Gruppierungen unterstützten Kandidaten als Bürgermeister. Der Gewählte wird sagen: „Ich kann doch nichts dafür, wenn mich auch die AfD gewählt hat.“ So sieht die Zukunft in Ingolstadt wohl aus. Einige in der CSU freut das.

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