Ingolstädter Stadtrat machts möglich
Seit August 2025 erlaubt das neue Bayerische Ladenschlussgesetz, das Kommunen und Einzelhändler an bis zu acht Werktagen im Jahr bis 24 Uhr öffnen dürfen.
Was als „Flexibilität für Verbraucher“ verkauft wird, bedeutet für die Beschäftigten im Einzelhandel vor allem eines: lange Nächte, weniger Erholung, mehr Belastung.
Nun hat auch Ingolstadt in der Stadtratssitzung vor der Sommerpause den gesetzlichen Rahmen der Nachtarbeit auf das Maximale ausgeweitet. „Für die Beschäftigten im Einzelhandel bedeutet jede verlängerte Öffnung: mehr Überstunden, geringere Planbarkeit des Familienlebens und die schlechte Taktung des öffentlichen Personennahverkehrs in den Nachtstunden gerade vor Feiertagen, bedeuten für die Frauen massiv steigende Gefahren auf dem Heimweg in der Kälte und Glätte des Winterwetters“, so Arina Wolf, zuständige Gewerkschaftssekretärin für die Handelsbranche in Ingolstadt und Region. „Uns haben Beschäftigte berichtet, wie sie nachts, zum Beispiel bei langen Nächten in Ingolstädter Village, kilometerweit um 23 Uhr laufen müssen, um den letzten Bus zu erwischen im nächsten Nachbarsdorf. Nachdem sie 8 Stunden lang auf den Beinen freundlich und umsatzstark die Kunden bedient haben“.
Die Beschäftigten sind aufgebracht, denn der Stadtrat ermöglicht den Unternehmen bis 24 Uhr ihre Läden an 8 ausgewählten Nächten aufzumachen. Ganz besonders schäbig sind die beschlossenen Nächte in der Adventszeit.
Zwei lange Nächte bis 24 Uhr nacheinander vor dem ersten Advent und am 23. Dezember ebenfalls und das fest bis 2029. Quasi mit dem Glühweinrausch vom Weihnachtsmarkt schnell noch ein paar Socken kaufen. Als Gegenbeispiel hat sich der
Nürnberger Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung gegen die Ausbeutung in der Adventszeit positioniert und somit ein klares Zeichen für ihre Beschäftigten im Handel gesetzt.
„Bitter das Verhalten der Ingolstädter Stadträte, nicht mal die Weihnachtsruhe wird ermöglicht. Die Frauen müssen im Laden am 23. Dezember bis 24 Uhr stehen und kommen dann nicht mehr nach Hause mit dem ÖPNV, weil die Taktung nicht passt.
Und das jährlich bis 2029. Dabei wird sichtbar wie unsichtbar die Care Arbeit der Frauen gerade in der Weihnachtszeit für den Stadtrat ist. Als ob am Morgen des 24.12 – wenn frau nicht arbeiten muss – im Haus nichts anfällt. Mann muss nur hin- sehen“, so Arina Wolf
Auch andere lange Nächte sind besonders ohne Rücksicht auf die Frauen im Handel beschlossen worden. Lange Nacht vor dem ersten Mai, Lange Nacht vor und nach Christi Himmelfahrt und genauso zu Pfingsten.
Rückfragen bei den Inhabergeführten Läden in der Innenstadt ergeben ein anderes Bild. Kein Mittelständler kann sich erlauben ihre Frauen bis in die Nacht im Laden zu verpflichten, denn nicht nur ist es ganz besonders familienfeindlich nachts am Heilig- abend nach Hause zu kommen, sondern diese wertvolle Kraft fehlt dann am nächsten Tag im Geschäft, nicht nur in der umsatzstarken Zeit zu Weinachten. „Nur die Konzerne können sich erlauben die Frauen so auszubeuten, da sie ein Profi in dem Hire and Fire sind, wenn die Beschäftigten nicht funktionieren. Wir fragen uns welche Interessen da der Stadtrat bedient hat“ berichtet Arina Wolf.
„Wir sind froh, dass wir die Möglichkeit haben am kommenden Donnerstag bei der Veranstaltung der Partei die LINKE eingeladen zu sein, um den Stadträten und Bürgern aus unserer Sicht zu berichten, welche Auswirkung dieser Beschluss auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen hat“ so die Vorsitzende ver.di Handel in Ingolstadt und Region, Claudia Lechner. „Und gleichzeitig sind wir entsetzt wie wenig Wertschätzung und Respekt der weiblichen Arbeitskraft im Handel der Ingolstädter Stadträte entgegenbringen.“
Dabei sind die Folgen später Arbeitszeiten wissenschaftlich eindeutig:
Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen, dass lange und späte Arbeitszeiten mit höheren Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen, Burnout und einer insgesamt reduzierten Lebensqualität verbunden sind. Wer regelmäßig abends und nachts arbeitet, schläft kürzer, lebt unregelmäßiger, isst schlechter und erlebt häufiger Stress. Auch das Familienleben leidet – gemeinsame Zeit entfällt, soziale Kontakte brechen weg.
Gesellschaftliche Schäden, keine wirtschaftlichen Gewinne
Die Arbeitgeberverbände behaupten, längere Öffnungszeiten würden den Umsatz steigern. Doch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen das Gegenteil: Längere Öffnungszeiten führen nicht zu höherem Gesamtumsatz, sondern nur zu einer Verlagerung des Konsums und zu verschärftem Konkurrenzdruck.
Schon heute arbeitet mehr als ein Viertel der Beschäftigten regelmäßig abends oder nachts. Das sind Millionen Menschen, deren Gesundheit und Familienleben darunter leiden.
ver.di sagt: Hände weg von der Nachtruhe unserer Beschäftigten!
Nachtöffnungen sind keine Modernisierung – sie sind ein Rückschritt. Beschäftigte brauchen verlässliche Arbeitszeiten, geregelte Erholung und sichere Feierabende – keine Mitternachtsschichten, nur damit ein paar Städte mit nächtlichem Einkaufs-Spektakel glänzen können.
Darum fordert ver.di:
• Rücknahme der Möglichkeit von Ladenöffnungen bis 24 Uhr
• Schutz der gesetzlichen Ladenschlusszeiten als Ruhezeiten für alle
• Gesundheitsschutz statt Verdrängungswettbewerb
Pressemitteilung/ver.di Ingolstadt
