Mit Awareness-Teams gegen übergriffiges Verhalten bei Veranstaltungen
Nicht jeder Mensch fühlt sich in großen Menschenmengen wohl. Manchmal verhindern negative Erfahrungen, dass man unbeschwert feiern oder sich frei bewegen kann. Solche Gedanken machte man sich auch beim FC Ingolstadt 04. Vor gut zwei Jahren sprach der Geschäftsführer die Fanbeauftragte Franziska Maier genau darauf an und regte an, über Prävention bei diesem Thema nachzudenken: Wie lässt sich gewährleisten, dass Fans vor diskriminierendem oder übergriffigem Verhalten geschützt werden und sich bei einem Fußballspiel jederzeit sicher fühlen können? Zwar gab es bis dahin keinen konkreten Anlass für entsprechende Intervention, aber man legte Wert auf präventives Handeln im Vorfeld. Maier suchte nach Konzepten – im Fußball war diese Art der Prävention zu diesem Zeitpunkt noch kaum etabliert. Schließlich stieß sie auf das Hamburger Veranstaltungsunternehmen FKP Scorpio, einen der größten Tour- und Festivalveranstalter Europas. Zu deren Portfolio gehört nicht nur die Durchführung von Konzerttourneen, sondern auch örtliche Musik- und Showveranstaltungen. Sie hatten 2017 wohl als erster deutscher Veranstalter ein Sicherheitskonzept mit dem Codewort „Wo geht’s nach Panama?“ eingeführt. Damit können Besucherinnen und Besucher in Notsituationen einfach und diskret Hilfe anfordern. Von der Festivalcrew über Barkeeper bis hin zur Polizei – alle kennen das Codewort und wissen, wie das Awareness-Team zu aktivieren ist.
Von Hamburg nach Ingolstadt
Das Konzept überzeugte Maier und Malina Fuchs, die damals als Pädagogische Leitung im Nachwuchsleistungszentrum tätig war und zu Beginn Teil des Teams war. Sie nahmen Kontakt nach Hamburg auf, erhielten von dort jede nötige Unterstützung und der FCI erwarb die Lizenz für „Wo geht’s nach Panama?“. Gemeinsam mit der Sport-Psychologin des Klubs, Franziska Knopp, baute sie ein Awareness-Team beim FCI auf. Heute besteht es aus rund zehn engagierten Personen.

In Ingolstadt ist das Thema Prävention bei Großveranstaltungen noch nicht so verankert, daher wurde das Awareness-Team des FCI angefragt, im Rahmen des letzten Taktraum-Festivals Präsenz zu zeigen. Dies war für das junge Team eine gute Möglichkeit, über den Stadion-Kontext hinaus auf ihr Anliegen in ihrer Heimatstadt aufmerksam zu machen, aber auch, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Es hat dem gesamten Team sehr viel Spaß gemacht, und sie wuchsen ein Stück mehr zusammen. Auch wenn die Situationen sehr unterschiedlich sind, das Anliegen ist immer das gleiche.
Aufgaben und Arbeitsweise
Das Konzept sieht vor, dass das Awareness-Team für die Menschen da ist, die sich unwohl oder bedrängt fühlen. Anders als Sicherheitskräfte stehen sie ausdrücklich auf der Seite der Betroffenen und sind dazu da, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und gegebenenfalls Hilfe anzubieten, indem man ihnen zum Beispiel Begleitung oder Zugang zu einem „Safe Space“ – einem geschützten Raum in sicherer Umgebung – gibt, wo die Betroffenen zur Ruhe kommen oder sich entspannen können – vermittelt. Selbstverständlich bleiben alle Gespräche vertraulich und werden nur mit Zustimmung weitergegeben.
Wichtig ist, dass das Awareness-Team klar erkennbar ist – so tragen die Ingolstädter eine Weste mit deutlicher Bezeichnung. Allein die sichtbare Präsenz wirkt oft schon präventiv. Sie zeigen, dass sie stets ansprechbar sind, und legen auch entsprechende Informationen auf den Toiletten aus. Aber sie sind auch proaktiv während der Veranstaltungen unterwegs, um zu sehen, ob sich irgendwo eine Situation zuspitzt oder es jemandem augenscheinlich nicht gut geht, und um Hilfe anzubieten. Die beiden Franziskas erstellten für ihr Team zur Handlungsbefähigung einen kleinen Leitfaden. Darüber hinaus sind Schulungen nicht nur in Erster Hilfe, sondern auch ein Deeskalationstraining wichtig. Wobei die Kompetenzen klar abgegrenzt sind: Für die medizinische Hilfe ist das Rote Kreuz zuständig, das bei allen Spielen des Fußballvereins präsent ist. Für Eingriffe gegen mögliche Täter sind Polizei oder Ordnungsdienst verantwortlich. Das Awareness-Team konzentriert sich ausschließlich auf die Betroffenen – mit der Frage: „Was brauchst du, damit es dir wieder besser geht?“ Für den Fall, dass jemand sich anonym an das Team richten will, kann man es über eine Mailadresse erreichen, aber ebenso jederzeit telefonisch
Gerne würden die beiden verantwortlichen Frauen ihr Team noch weiter ausbauen. Daher würden sie sich sehr freuen, wenn sie Menschen für diese verantwortungsvolle, aber sehr schöne Aufgabe begeistern könnten, um das engagierte Team künftig zu verstärken.
Fazit:
Ein Awareness-Team ist keine Sicherheits- oder Ordnungsinstanz, sondern eine vertrauliche, unterstützende Anlaufstelle. Es hilft, diskriminierendes oder übergriffiges Verhalten sichtbar zu machen und Betroffene zu stärken – auf Grundlage von klarer Haltung, Schweigepflicht und Sichtbarkeit.
Wichtig ist, darüber zu sprechen. Nur so können Menschen in schwierigen Situationen die Frage stellen, die alles in Gang setzt: „Wo geht’s nach Panama?“
Näheres dazu: https://www.fcingolstadt.de/fan/awarenesskonzept/