Einblicke in Geschichte, Religion und Erinnerungskultur – ein besonderer Ort der Stadtgeschichte
Eine Führung über den jüdischen Friedhof am Westfriedhof in Ingolstadt machte heute Geschichte und religiöse Traditionen der jüdischen Bestattungskultur anschaulich.
Der Friedhof wurde 1891 mit der Beerdigung der dreijährigen Elsa Süss-Schülein erstmals genutzt. Bis 1938 fanden hier die Bestattungen der Israelitischen Kultusgemeinde statt; nach 1945 kam es noch zu Beisetzungen jüdischer Displaced Persons, zuletzt 1949. Der Friedhof liegt heute innerhalb des kommunalen Westfriedhofs, ist von einer Mauer umgeben und nicht frei zugänglich; Eigentümer ist der Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern.


Deutlich wurde, was jüdische Friedhöfe grundlegend prägt: Gräber gelten als ewige Ruhestätten. Sie werden nicht eingeebnet oder neu belegt, und auch eine gärtnerische Grabpflege findet nicht statt – aus Respekt vor der Totenruhe, die nicht gestört werden darf. Zulässig sind lediglich Erhaltungsmaßnahmen, um Steine zu sichern und lesbar zu halten. Auffällig ist zudem die Ausrichtung der Grabsteine nach Osten, Richtung Jerusalem.
Ein weiterer Aspekt der Tradition: Männer sind verpflichtet, beim Betreten eine Kopfbedeckung zu tragen – sei es Kippa, Hut oder Mütze – als Zeichen der Achtung.
Besonders eindrucksvoll waren die Inschriften: oben hebräische Texte, meist beginnend mit פ״נ („Hier ruht…“) und endend mit תנצב״ה („Seine/Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens“), darunter Namen, Lebensdaten und oft ein deutscher Spruch. Diese zweisprachigen Zeugnisse verbinden religiöse Tradition mit bürgerlicher Erinnerungskultur.


Die Führung bot viele spannende Einblicke in Geschichte, Symbolik und Besonderheiten des Friedhofs und machte deutlich, wie eng Erinnerung, Religion und Stadtgeschichte hier miteinander verwoben sind.


Fazit:
Viele Ingolstädter kennen den jüdischen Friedhof am Westfriedhof dem Namen nach, haben ihn aber noch nie besucht. Umso lohnender ist eine Führung, die Einblicke in Geschichte, Religion und Erinnerungskultur eröffnet. Bislang fanden solche Führungen nicht regelmäßig statt. Wer Interesse hat, kann sich jedoch direkt beim Stadtmuseum melden und dort einen Termin für eine Führung anfragen – eine empfehlenswerte Gelegenheit, einen besonderen Teil der Ingolstädter Stadtgeschichte kennenzulernen.
Besonderer Dank gilt Herrn Lutz Tietmann vom Stadtmuseum, der die Führung leitete und die historischen Zusammenhänge mit großer Sachkenntnis und anschaulicher Vermittlung nahebrachte.
Weiteres dazu: https://bet-olam-bayern.de/cemetery/57