Ismene, die Schwester von Ein Monolog von Lot Vekemans
„Ich wollte einfach nur glücklich sein“ erklärt Ismene, die seit Tausenden von Jahren vergessen im Schattenreich auf Erlösung wartet. Sie ist die jüngere Schwester der sagenhaften Antigone, die heldenhaft gegen die Tyrannei ihres Onkels Kreon aufbegehrt und trotz Todesdrohung versucht ihren Bruder Polyneikes zu beerdigen – und diesen Versuch auch mit dem Leben bezahlt.
„Ich war die einzige Normale in einer gestörten Umgebung“ schildert Ismene ihre Familie: Der Vater Ödipus, der gleichzeitig ihr Bruder war, stach sich die Augen aus und verendete elendig auf der Flucht. Ihre Mutter Iokaste erhängte sich. Ihre Zwillingsbrüder Eteokles und Polyneikes töteten sich gegenseitig im Kampf um die Macht in Theben. Ismene steht all den Dramen und Tragödien ihrer Familie verständnislos und ein wenig unkritisch gegenüber. Sie fügt sich in ihr Schicksal und arrangiert sich sogar so weit, dass sie ihren despotischen Onkel, der für die Auslöschung ihrer Familie ursächlich ist, sogar pflegt, als er pflegebedürftig wurde. Denn sie möchte einfach nur glücklich sein. Allerdings ist sie davon überzeugt, dass wer ein glücklicher Gewinner oder ein unglücklicher Verlierer wird, liegt nicht in der Macht des einzelnen. Darüber entscheiden einzig die Würfeln der Götter und sie hatte eben nicht das Glück, ein Kind der Götter zu sein. Für sie hat sich niemand aus der Familie entschieden. Sie erlebt sich nicht nur als fremdbestimmt, sondern sie zweifelt an ihrem Selbstwert, hat sie doch nichts Großes geleistet und stand bereits als Kind immer im Schatten ihrer großen Schwester, deren Namen sie nie mehr erwähnt. Nun befindet sie sich seit Tausenden von Jahren einsam im Schattenreich, begleitet lediglich vom Gebell der Hunde und belästigt von Fliegen, versucht sie ihre Identität zu finden und den Zuhörer*innen zu erklären. Mehr als das wartet sie aber darauf, dass sie endlich jemand aus dieser Zwischenwelt holt, damit sie wieder mit ihrer Familie vereint wird.
Der Monolog lebt ausschließlich von der kraftvollen Präsenz der Protagonistin Sabine Lorenz. Absolut nichts auf der Bühne lenkt von ihr ab. Sie schafft es beeindruckend die Menschen einzig mit ihrer Stimme und Mimik eine Stunde lang zu fesseln und Empathie für Ismene zu wecken.
Bildinformationen
- Theatertage: Lydia Halbhuber-Gassner