Lindau – Überlingen – Ingolstadt: ein Gartenschau-Vergleich
IN-direkt besuchte die beiden Gartenschauen am Bodensee in Lindau und Überlingen und versucht den Vergleich mit der Gartenschau in Ingolstadt
Lindau, „Gartenstrand und neue Welt“: Nun ist die Fahrt zum Bodensee mitten durchs Allgäu von vielen interessanten Eindrücken geprägt, aber wer es auf der A96 bis zur Abfahrt Weißensberg geschafft hat, dem erschließt sich mit Bodensee und der dahinterliegenden Bergkette beinahe eine neue Welt. Die Anfahrt nach Lindau selbst ist dann schon wieder etwas weniger angenehm, da viele Parkplätze und auch der Shuttleservice doch einigen Zeitaufwand bedeuten.
War das Grün in Lindau früher gleichzusetzen mit einer „Kurortmäßigen“ Gestaltung, so begrüßt die Stadt bei der Anfahrt zum Gartenschaugelände nun mit etlichen Blühstreifen an etlichen Fahrbahnrändern ganz zeitgemäß.
Den Auftakt im Gelände bilden die abwechslungsreichen Ausstellungsbeiträge, locker verteilt auf einem ehemaligen Parkplatz, der später als grüne Wiese und Freiraum den Uferbereich aufwerten wird. Sehr gelungen auch die Neugestaltung des Ufers wo Ufermauern abgebrochen und nun großzügige Treppenstufen zum Verweilen am See einladen.
Die weiteren Details erklärt uns Gartenschau Geschäftsführer Meinrad Gfall
IN-direkt: Herr Gfall können Sie uns die Unterschiede der beiden Gartenschauen am Bodensee erklären?
Meinrad Gfall: Lindau hat eine sogenannte kleine Gartenschau und Überlingen die baden-württembergische Landesgartenschau. Allein das sind schon große Unterschiede hinsichtlich Umfang und Budget. Bezogen auf die Seezugänge hat Überlingen einen Sand- bzw. Kiesstrand, was der dortigen Lage durchaus angemessen ist. Lindau musste am Ostufer des Sees auf die natürlichen Gegebenheiten, insbesondere den starken Wellenschlag mit Uferstufen reagieren, um einen Zugang zum See zu ermöglichen. Für mich ist Überlingen somit die erste Gartenschau am See, Lindau dagegen die erste Schau im See.
Platz auf der Insel ist ja nun nicht gerade üppig vorhanden?
Meinrad Gfall: In wirklich harten Kämpfen mit der Deutschen Bahn haben wir versucht so viel wie möglich an Flächen auf der Insel zu bekommen, die unserem Konzept dienlich waren um Qualität in die Stadt zu bringen. Das ist uns in unserem kleinen Maßstab wohl auch gelungen!
Jetzt ist Lindau zusammen mit der Insel Mainau am Bodensee schon seit vielen Jahren als Blumenstadt bekannt. Wie kann sich Lindau Im Rahmen der Gartenschau weiterentwickeln und was sind die Schwerpunkte?
Meinrad Gfall: Wir haben uns vor allem für neue Nutzergruppen geöffnet, für Kinder, Jugendliche und auch junge Familien. Auf der Gartenschau geht es in weiten Teilen auch um städtebauliche Themen und um Stadtentwicklung. Hier wird ein neues Stadtquartier entwickelt und es war das erste Mal in meinem Berufsleben, dass vor dem Hochbau eine Parkanlage entstehen konnte.
Außerdem wurde der alte Baumbestand neu inszeniert und ergänzt. Einige Bereiche werden in ganz anderen grünen Dimensionen neu erlebt.
Die Geländegröße beträgt rund 5 Hektar, wobei es nicht unbedingt auf die schiere Größe ankommt denn in Lindau spielt sich das ganze Leben am Ufer selbst ab und da ist einfach nur eine gewisse Breite vonnöten. Ein Park mit 300 Meter Tiefe wäre hier völlig verkehrt.
Auch in Ingolstadt wird nach der Gartenschau ein großes Wohnquartier im Osten des Geländes entstehen, wie stellt sich die Situation in Lindau dar?
Meinrad Gfall: Mittelfristig ist hier ein neues Wohnquartier mit 900 Wohneinheiten vorgesehen.
Welche Konsequenzen zieht dieses Wohnkonzept nach sich? Gibt es zusätzliche Infrastruktur für die jungen Familien?
Meinrad Gfall: Genau das ist das Thema, um Lindau auch für junge Familien wieder lebenswert zu machen, dass die Schule bleibt und der Markt sich rechnet. Durch Zweitwohnungen und Tagestourismus bestand lange die Gefahr, dass Lindau sich nicht weiterentwickeln kann.
Welche zusätzlichen Maßnahmen sind für den Gartenschaubesucher noch von großem Interesse?
Meinrad Gfall: Von Bedeutung ist das v.a. das Gesamtkonzept, eine Kette von kleinen Parks, ein frei zugänglicher Ring aus Inselgärten.
Und was mir ganz ganz wichtig ist: Dass das, was wir auf der Insel geschafft haben, nun auch im Stadtteil Reutin am nördlichen Seeufer weitergeführt wird. Auch dort gibt es viele Bahnflächen die jetzt frei sind mit direkter Anbindung ans Ufer. Das ist der Vorwurf den ich mir selbst als langjähriger Gartenamtsleiter machen muss, dass ich über Jahre viel zu brav war und dieses Potential vernachlässigt habe.
Gibt es mittlerweile Resonanz aus der Lindauer Bevölkerung über die langfristige Perspektive der neuen Parkanlagen?
Meinrad Gfall: Bisher konnte ich Gartenschauen nur als Tagestourist erleben, stelle aber mittlerweile fest, dass die Lindauer mit über 7000 Dauerkarten und 25.000 Einwohnern diese neue Parkqualität durchaus zu schätzen wissen.
Wichtig ist es auch, die Geschichte der Gartenschau in Lindau zu kennen: Bereits 2000 gab es eine erste Bewerbung. Auch eine Bewerbung für eine internationale Gartenschau am Bodensee 2017 war im Gespräch, die aber aufgrund der Komplexität wohl etliche Beteiligte überfordert hat.
Bereits 2013 hatten wir uns für diese kleine Gartenschau beworben. zwischenzeitlich gab es bei der Realisierung dann natürlich und fast schon erwartungsgemäß einige Klippen, da wir so manchem Lindauer seine Parkplätze weggenommen haben.
Leider sind uns auch die Baukosten ziemlich davongelaufen. Nicht weil wir schlecht geplant hätten, sondern weil nur sehr wenige Firmen Interesse hatten und diese dann zum Teil exorbitante Preise aufgerufen haben. Zum Teil mussten dann Ausschreibungen aufgehoben und neu bearbeitet werden, wir waren immer ein Jahr zu spät dran. Und auch die Baukosten der Inselhalle und vieler weiterer Bauvorhaben sind extrem gestiegen. Hier muss ich unserem Ex OB und dem Kämmerer im Nachhinein noch einen großen Dank aussprechen, die immer das Grün auf Augenhöhe mit den Hochbaumaßnahmen gesehen haben.
Ein Tipp für unsere Besucher aus Ingolstadt, wie komme ich am besten zur Gartenschau?
Meinrad Gfall: Von Ingolstadt am besten mit dem Zug, von überall anders mit dem Schiff zur Gartenschau im Hafen.
Reicht denn ein Tag aus, um Lindau mit seiner Gartenschau zu erkunden?
Meinrad Gfall: Nie! Wir haben den Lindenhofpark, den alten Eschauer Friedhof, den Feuerberg und einen Naturbeobachtungssteg in Reutin und auch Scheidegg mit den Wasserfällen und Schluchten.
Gibt es für den Gartenschau-Geschäftsführer einen Lieblingsplatz?
Meinrad Gfall: Die alten Schanzen, dort komme ich wirklich zur Ruhe! Das sind grandiose Punkte mit einer Weitsicht über den See!
Ganz anders stellt sich die Gartenschau in Überlingen unter dem Motto „Erfrischend – Grenzenlos – Gartenreich“ dar.
Nur gut eine Stunde weiter westlich von Lindau, ebenfalls am Nordufer des Bodensees gelegen werden hier kreative Ausstellungsbereiche zu den Themen „Haus“, „Garten“ und „Stadtgestaltung“ im See dargestellt und beleuchtet. Und wer sich noch auf einen Rundweg in die Stadt aufmacht, der wird überrascht sein von der Vielfalt der Stadtgestalt, den historischen Wallanlagen und auch der geologischen Situation der Gesamtstadt, eingebettet in mehrere Schluchten des Molasse Gürtels am Nordufer. Perfekt wurden in das Gartenschaukonzept auch die verschiedenen Gärten und die alten Parks in den gut markierten Rundweg aufgenommen. (Keine Angst, es gibt genügend Rast- und Verpflegungsmöglichkeiten!). Und auch ökologisch wertvolle Bereiche („Uhu is watching you“) sind attraktiv integriert.
2010 bekam Überlingen den Zuschlag für die Gartenschau, 2012 wurde der zugrundeliegende Wettbewerb durchgeführt und seit 2016 wird an der Gartenschau gearbeitet.
IN-direkt hatte die Gelegenheit mit der Geschäftsführerin sowie der Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit über Vorbereitungen, Schwerpunkte und die besten Ausstellungsbeiträge der Gartenschau zu sprechen.
IN–direkt: Frau Pintscher, wie stark hat Corona die Gartenschau noch im Griff?
Petra Pintscher (Presse- Und Öffentlichkeitsarbeit / Marketing): Aktuell gibt es keinerlei Besuchereinschränkungen, nur die allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln sind einzuhalten Am Anfang waren die Überlinger einfach nur glücklich auf die Gartenschau zu dürfen und auf vielen neu installierten Sitzgelegenheiten und inmitten eines fantastischen Frühjahrsflors auf den See mit seinem tollen Panorama blicken zu können.
Mittlerweile zieht auch der Reisebus-Verkehr wieder sehr stark an und wir hoffen auf viele Tagestouristen. Da sind wir auch sehr zuversichtlich, unsere ursprüngliche Prognose von 680.000 Besuchern nur auf knapp 630.000 reduzieren zu müssen.
Was gewinnt nun Überlingen direkt als Stadt und im Hinblick auf die Naherholungsqualitäten des Ufers?
Edith Heppeler (Geschäftsführerin): Ursprünglich waren im Westbereich ein alter Campingplatz sowie ein alter Baumarkt. Eine Zufahrtsstraße und eine 4 Meter hohe Mauer luden Gäste nicht gerade nach Überlingen ein Auch die heimische Hotellerie hatte den Bereich schon als Spekulationsobjekt Ins Visier genommen. Mit dem Planungsbüro relais Landschaftsarchitekten aus Berlin wurde hier ein fantastischer neuer Park und Uferabschnitt für Überlingen entwickelt.
Durch natürliche Materialien wie Wasserbausteine und Weidenstecklinge konnten wir hier ein wirklich grünes Ufer entwickeln. Gerade im Frühjahr konnte man dies mit der Blüte des Bodensee-Vergissmeinnicht erleben, einer sehr selten vorkommenden Art, die einen richtig tollen Blütenteppich entwickelt hatte. Ein riesiger Kinderspielplatz sowie eine mittlerweile fest etablierte gastronomische Einheit runden unser Konzept ab.
Petra Pintscher: Die Leute schließen ihre Gartenschau und ihren künftigen Park jetzt schon in ihr Herz, auch wenn es zwischenzeitlich Probleme wegen der Fällung mehrerer alter Platanen im neuen Zugangsbereich zum Park gegeben hatte. Aber selbst die größten Gegner sind mittlerweile vom Gesamtkonzept überzeugt.
Bei uns überwiegen natürlich die Tagestouristen deutlich. Einzugsbereiche sind der Schwarzwald, Stuttgart aber auch viele aus Oberschwaben. Und trotzdem haben wir über 17.000 Dauerkarten bei einer Einwohnerzahl von 23.000 verkauft. (Ingolstadt liegt aktuell bei 13.000 verkauften Dauerkarten, Anm. d. Red.).
IN-direkt: Was sollte der auswärtige Besucher sich unbedingt ansehen?
Petra Pintscher: Unbedingt die schwimmenden Gärten, ein extrem ambitioniertes Projekt im Bodensee mit wechselnden Wasserständen und teilweise starken Winden.
Geholfen hat uns bei der Vorbereitung auch ein Freundeskreis mit über 200 Mitgliedern, die viel Geld gesammelt haben für eine Workout-Station und eine Kinderseilbahn. Wir haben auch über 600 ehrenamtliche Helfer, die uns in vielen Bereichen unterstützen und so auch das bürgerschaftliche Engagement für den neuen Park leben.
Überlingen hat mit dieser Gartenschau total gewonnen! Allein in der Innenstadt wurden 2 bisher unzugängliche Gartenteile dem Publikum nun geöffnet. Auch der Landungshafen und viele Teile der Innenstadt wurden neu geordnet und gestaltet.
Ingolstadt: Die Lage im Nordwesten der Stadt ist den Ingolstädtern gut bekannt und wer schon das ein oder andere Mal auf der Gartenschau war, kann sicher bestätigen, dass auch der künftige Park langfristig ein Gewinn für die Stadt sein wird. Auch die temporären Ausstellungsbeiträge bieten manche Überraschungen und das Konzept überzeugt insgesamt durch Augenmaß, Großzügigkeit und Vielfalt.
Die Herausforderungen 1992 für die damaligen Planer, aus einem heruntergekommenen Areal den heutigen Klenzepark zu entwickeln waren ganz andere und eventuell sogar ein bisschen leichter als für die heutigen Planer der Landesgartenschau, die einen Park sozusagen aus dem Nichts erschaffen mussten.
Fazit 1: Alleine die Seekulisse ist in Lindau wie auch in Überlingen ein Pfund, mit dem die beiden Gartenschauen wuchern können und zu Recht viele Ausstellungsbereiche in unmittelbarer Ufernähe zeigen. Wie auch Ingolstadt bekommen die beiden Städte durch die neuen Anlagen einen richtigen Schub für Ihre Freiräume, von dem sie noch in Jahrzehnten profitieren werden.
Fazit 2: Keine Gartenschau ohne Wasser! In Zeiten des Klimawandels und angesichts der vielen Attraktivitäten, die eine Gartenschau ja zeigen muss sind großzügige Wasserspielplätze, Bereiche zum Abkühlen und im Idealfall zum Schwimmen als Ergänzung und zur Erfrischung ein Muss!
Fazit 3: Auch wenn in Ingolstadt der Bodensee weit weg ist und das Alpenpanorama nur bei Föhn erahnt werden kann, mit einem klugen Ausstellungskonzept und einer attraktiven Parkanlage als Dauerkonzept lassen sich mindestens genauso viele Pluspunkte sammeln wie bei den Ausstellungen in Lindau und Überlingen.
Fotos: Uli Linder