Die Ruhe nach dem Wahl-PR-Sturm
Ein Kommentar zur Gratulationsflaute nach der Kommunalwahl:
So schnell ist alles anders. Ein Tag, ja ein Abend kann entscheiden. Das gilt vor allem für eine Wahl. Und klar: Jetzt ist Zeit zum Durchatmen.
Wird man vor einer Wahl in der Redaktion mit Pressemitteilungen „zugeballert“, wer sich nun hinter wem formiert, wer was fordert und wer wen für nicht regierungstauglich hält, herrscht nach der Wahl eine be(un)ruhigende Stille. An sich war man in der Redaktion spätestesn am Montag drauf eingestellt, dass es jetzt nach der Stichwahl um den OB-Posten in Ingolstadt nochmal scheppert im Posteingang: Glückwünsche von Parteien, Politikern und Gruppierungen würden wie ein Sturm über uns herein brechen, jeder würde seine Mitarbeit im Stadtrat anbieten und alle würden vermelden, dass sie es eh schon immer gewusst haben. Die Unterlegenen würden trotzdem brav gratulieren und auch ihre Mitarbeit im Stadtrat für das Blühen und Gedeihen der Stadt ankündigen. Aber vermutlich hat Corona den Stecker gezogen.
Eine einzige Pressemitteilung mit einer Gratulation an den neuen Oberbürgermeister Christian Scharpf ist im IN-direkt Pressemitteilungseingang gelandet. Die kam noch am Abend der Wahl von FW-OB-Kandidat Hans Stachel: „Der von ihm angebotenen Zusammenarbeit im kommenden Stadtrat stehen wir offen gegenüber und wir werden unseren Beitrag leisten, um im Stadtratsgremium konstruktives und gedeihliches Zusammenarbeiten zu unterstützen“, heißt es darin.
Was waren das für herrliche Zeiten vor der Wahl. Da wurde ja quasi wegen jedem Bushäuschen, jedem Würstlessen oder jeder Baumpflanzaktion an irgendeiner Straßenecke eine Pressemitteilung raus geschickt. Das war noch was! Man konnte sich nicht retten vor Informationen! Kaum hat einer einen Vorschlag gemacht, kam schon die Reaktion aus einer anderen Ecke. Und jetzt? Diese Ruhe…unheimlich.
Die meisten werden jetzt sagen: Was Sie hier schreiben, stimmt nicht. Natürlich haben wir gratuliert. Stimmt. Das haben wir doch alles über Social Media erledigt! Stimmt auch. „Und nur weil der Stachel keine digitalen Medien nutzt…“ Stopp. O.k. Aber das ist dann eigentlich auch nur ein großes Blubbern in der lokalen politischen Blase. Das mag jetzt verrückt klingen: Es gibt auch noch Menschen außerhalb des eigenen „ich-habe-die-Partei-Brille-auf“ Universums! Es gibt Leute, die nicht den ganzen Tag in sozialen Medien abhängen und die Zeit finden können, jeden einzelnen Post zu lesen, der da so abgeliefert wird. Nicht jeder informiert sich durch Facebook, Instragram oder Twitter. Und wenn, dann ist die eigene Blase ja auch wieder ein abgeschotteter Raum. Kann sein, dass sich mancher ausgeschlossen oder gar nicht angesprochen fühlt, weil er gar nicht angesprochen wird. Die Wahlbeteiligung bei der Wahl am 15. März lag unter 50 Prozent. Das heißt: Mehr als jeder zweite Ingolstädter hat überhaupt niemanden zu seinem „Volksvertreter“ bestimmt. Welches Volk wird denn da eigentlich vertreten? Aber wir schweifen ab.
Liebe PR-Abteilungen: Privatpersonen, die zufälligerweise auch als Journalist arbeiten, auf Instragram oder Facebook mit bunten Bildchen zu versorgen ist zwar nett, aber auch nervig. Eine Pressemitteilung ist das nicht. Sonst könnte man ja auch jedes Katzenfoto, Bild vom Italienurlaub oder jeden Kommentar über die letzte Tatort Folge als offizielle Presseverlautbarung eines Politikers verstehen.
Gut, Sie können auch argumentieren: Wen interessiert schon unser kleines Zeitungsbladdl. Jetzt macht euch nicht wichtig! Das ist Ihr gutes Recht. Sie müssen uns nicht lesen. Sie müssen das hier nicht lesen. Keiner wird glücklicherweise gezwungen, irgendein Medium zu konsumieren und im schlimmsten Fall sogar zu abonnieren.
Wir werden aber unseren Leserinnen und Lesern weiterhin die Pressemitteilungen der Parteien und Gruppen, die im Ingolstädter Stadtrat vertreten sind, auf unserer Webseite www.in-direkt.de zugänglich machen, damit sich der Leser selbst ein Bild der politischen Landschaft machen kann. Und wir sehen dieses Angebot vor allem auch an denjenigen gerichtet, der kein Follower einer bestimmten Partei, Person oder Gruppe ist. Denn nach der Wahl ist vor der Wahl. Es geht darum, bei der nächsten Wahl zum Stadtrat die 50 Prozent Marke zu knacken. Bei der Wahlbeteiligung. Unser E-Mail Postfach für Mitteilungen ist erreichbar unter: presse@in-direkt.de