Dringlichkeitsantrag der Grünen: Kultur-Rettungsprogramm für Ingolstadt
Die Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN beantragt für die Sitzung des Stadtrates am 7. Mai die Auflage eines städtischen Soforthilfeprogramms für Kunst und Kultur, um den von der Corona-Krise besonders betroffenen Kulturschaffenden zu helfen.
ANTRAG
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sie haben in Ihrer Antrittsrede auf der konstituierenden Sitzung des Ingolstädter Stadtrates anschaulich dargestellt, dass unsere Kulturszene entscheidend zur Stadtidentität beiträgt.
Kultur ist für unser Gemeinwohl und für unsere Demokratie lebensnotwendig und somit systemrelevant. Künstlerinnen und Künstler sind dramatisch von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Bundes- und Staatsregierung haben entsprechende Instrumente zur Bewältigung der Corona-Folgen ausgearbeitet, die jedoch viele Betroffene nicht erreichen.
Auch die Kommunen sind gefordert, Lösungen für den Kulturbereich zu erarbeiten und Hilfen bereit zu stellen. Mittel für notwenige Hilfsmaßnahmen müssen jetzt in die Hand genommen werden, damit während der Corona-Krise die kulturelle Vielfalt und Infrastruktur nicht verloren gehen. Dass Ingolstadt mehr kann als Automobilindustrie, soll nach der Corona-Krise erst recht sichtbar werden. Was viele Menschen momentan vermissen, sind gemeinschaftliche Kulturerlebnisse.
Die Stadtratsfraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN fordert daher, ein Soforthilfeprogramm für Kunst und Kultur aufzulegen mit folgenden Maßnahmen:
- Einrichtung eines Spendenkontos „Kulturrettungsfonds“ als Soforthilfemaßnahme für Ingolstädter Künstler*innen, die ihre künstlerische Tätigkeit selbständig, hauptberuflich und erwerbsmäßig ausüben.
- Einführung der Aktion „Solo at Home“ auf den „digitalen Bühnen“ Ingolstädter Kulturinstitutionen als Unterstützungsmaßnahme für regionale Künstler*innen während der Corona-Krise.
- Einrichtung eines „Notfallfonds zur Struktursicherung von freien Kulturinstitutionen bei Corona-bedingten Krisensituationen“.
- Prüfung der Übernahme von Ausfallhonoraren für selbstständige Künstler*innen, die für Veranstaltungen an städtischen Bühnen ab Mai 2020 engagiert wurden und deren Auftritte wegen der Corona-Krise nicht stattfinden können.
- Einen Fahrplan für Kultureinrichtungen und Großveranstaltungen zu erarbeiten und vorzulegen, um annähernd Planungssicherheit für die Spielstätten herzustellen.
Begründung
Zu 1. Weil Grundsicherung in der Regel nicht die Einkommensausfälle selbstständiger und hauptberuflich tätiger Künstler*innen ausgleicht, kann die Stadt flankierende Maßnahmen ergreifen, um die regionalen Künstler*innen während der Corona-Krise zu unterstützen. Viele Ingolstädter Bürger*innen, regionale Wirtschaftsunternehmen und Banken identifizieren sich mit der regionalen Kulturszene. Die Stadt sollte über eine Online-Plattform zu Spenden aufrufen und somit Geld für Künstler und Kultureinrichtungen sammeln, damit diese die Durststrecke überwinden oder zumindest besser bewältigen können. Antragsberechtigt wären hauptberuflich und selbstständige Künstler*innen bzw. Lehrkräfte im künstlerischen Bereich, deren Umsatz der letzten 4 Wochen vor Antragsstellung maximal 50 % des durchschnittlichen Umsatzes der letzten 6 Monate (September 2019 bis Februar 2020) beträgt und die belegen können, dass ihre Umsatzeinbußen ausschließlich durch die Corona-Pandemie verursacht wurden. Ausgezahlt werden sollten nach möglichst unbürokratischem Antragsverfahren monatlich 1000,- EUR als (zusätzliche) Deckung des Lebensunterhaltes.
Zu 2. Künstler*innen, die ihren Hauptwohnsitz in Ingolstadt haben, sollen die Möglichkeit erhalten, pro Person einmalig ein fünfminütiges Video „aus dem künstlerischen Home-Office“ im Kulturamt einzureichen. Diese Videos werden dann täglich zur selben Uhrzeit auf unterschiedlichen „Bühnen“ – der jeweiligen Homepage Ingolstädter Kulturinstitutionen – präsentiert. An der Aktion teilnehmen können Künstler*innen, die selbstständig und hauptberuflich künstlerisch tätig sind oder als Lehrkräfte im künstlerischen Bereich selbstständig und hauptberuflich tätig sind. Alle künstlerischen Sparten und Genres sollten vertreten sein. Als Honorar dafür gibt es pauschal 500 Euro pro Beitrag. Die Aktion „Solo at Home“ soll (zunächst) auf 60 Tage begrenzt sein, als Kooperationspartner für das Kulturamt bieten sich an: das Stadttheater Ingolstadt, das Georgische Kammerorchester und das Kulturzentrum Neun.
Zu 3. Die Stadt Ingolstadt stellt im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Mittel frei zur Unterstützung für vom Kulturamt (vor der Corona-Krise) geförderte freie Kulturbetriebe und Vereine, deren Fortbestand ohne Hilfen nicht gewährleistet werden kann. Voraussetzung für Überbrückungshilfen ist ein Einnahmeausfall von bis zu 75 % im Vergleichszeitraum zu 2019. Grundvoraussetzung ist außerdem, dass bei diesen Häusern, Institutionen, Initiativen und Vereinen aufgrund der Corona-Pandemie Veranstaltungen (Betrachtungszeitraum März bis August 2020) abgesagt und gegebenenfalls verschoben werden müssen/mussten und der Fortbestand ohne Hilfe gefährdet ist.
Zu 4. Flankierend zu 3. ist zu prüfen, ob die Stadt ab sofort auf Antrag städtischer Kulturinstitutionen Ausfallhonorare von bis zu 60 % der vereinbarten Gage für selbstständige ausführende Künstler*innen übernehmen kann, deren Auftritte vertraglich an diesen städtischen Kulturinstitutionen bereits vereinbart wurden und die nicht verschoben werden können. Diese durch Corona bedingten Ausfallhonorare sollten nicht aus dem Budget der städtischen Kultureinrichtungen finanziert werden müssen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat diese Regelung aktuell für vom Bund geförderte Kultureinrichtungen und Projekte eingeführt und dafür plädiert, dass Länder und Kommunen diesem Beispiel folgen.
Zu 5. Das Kulturamt sollte ein Konzept für Kultureinrichtungen und Großveranstaltungen erarbeiten, unter welchen Bedingungen (Abstandsregelungen, Hygienevorschriften, begrenzte Publikumszahl etc.) der Spielbetrieb zu welchem Zeitpunkt wieder aufgenommen werden kann. Grundlage für derartige Überlegungen sind selbstverständlich die Einschätzungen der Expert*innen und die Vorgaben der Staatsregierung.
Die Dringlichkeit des Antrags erschließt sich durch die Ausnahmesituation der weltweiten Pandemie durch das neuartige Corona-Virus: Künstler*innen sind verzweifelt, weil trotz Ankündigung durch Ministerpräsident Söder am 20. April 2020 immer noch keine Antragsformulare für die versprochenen Soforthilfen existieren. Ingolstädter Künstler*innen und Kulturinstitutionen benötigen dringend Unterstützung und ein Signal aus dem Stadtrat, dass wir uns ihrer prekären Situation bewusst sind und sie nicht im Regen stehen lassen!
Mit freundlichen Grüßen
Agnes Krumwiede, Barbara Leininger, Christian Höbusch