Uns stinkt´s: Reaktionen aus der Politik
Seit Jahrzehnten leiden Zehntausende Bürger im Umfeld der TAL und der GUNVOR Raffinerie unter dem Geruch der Emissionen. Seit Herbst 2019 hat diese Belästigung in den Ingolstädter Stadtteilen Oberhaunstadt, Etting, Nordost, Nordwest und Mitte sowie dem Markt Kösching und der Gemeinde Lenting eine neue Dimension erreicht. Wie aus der Geruchsmelder-Statistik aktiver Betroffener hervorgeht, stinkt es seit November 2019 zeitweise mehrmals in der Woche. Der beißende Ölgestank macht es immer wieder unmöglich, Fenster zu öffnen oder etwa mit Kindern ins Freie zu gehen. „So schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagten langjährige Anwohner beim Treffen des Aktionsbündnisses am vergangenen Montag. „Es ist, als lebe man in einem Ölfass.“ Beeinträchtigt von den Geruchsbelästigungen sind insgesamt mehr als 70.000 Bürger. Viele von ihnen haben sich mehrfach beschwert, bei den Betreibern der Industrieanlagen, bei der Stadt, bei einzelnen Politikern. Bisher ohne nachhaltigen Erfolg.
Im vergangenen Jahr wurde auch auf Druck des Aktionsbündnisses „Uns stinkt`s!“ eine dreimonatige Messung des bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) durchgeführt. Festgestellt wurde dabei, dass zumindest in diesem Zeitraum keine Grenzwerte überschritten wurden. Ob nun TAL oder GUNVOR für den Gestank verantwortlich ist und warum die Geruchsbelästigungen seit Herbst derart eklatant zugenommen haben, ist jedoch weiterhin unklar.
Wir vom Aktionsbündnis „Uns stinkt`s!“ haben uns vor zwei Jahren gegründet und es uns zur Aufgabe gemacht, für eine bessere Luft in unserer Stadt zu kämpfen. „Wir setzen uns für Gespräche mit allen Beteiligten ein und dringen darauf, eine gemeinsame Lösung zu finden, um die Geruchsbelästigungen endlich zu beenden“, sagt Joachim Siebler (Grüne) vom Aktionsbündnis. „Bisher haben wir oft einen Verschiebebahnhof erlebt, auf dem einer dem anderen die Verantwortung zuweist. Das ist nicht im Sinne und zum Wohl der Bürger.“
Am kommenden Montag (9. März 2020) treffen sich Mitglieder des Aktionsbündnisses mit Vertretern von TAL und GUNVOR, um die starken Geruchsbelästigungen der vergangenen Wochen zu diskutieren und um in Erfahrung zu bringen, welche weiteren Abhilfemaßnahmen zur Geruchseindämmung möglich und geplant sind.
Das Aktionsbündnis hat die seit Wochen regelmäßig wiederkehrenden und quälenden Geruchsbelästigungen sowie die Kommunalwahlen zum Anlass genommen, um die Politiker aller Fraktionen zu befragen, was sie nach der Wahl unternehmen werden, um die Luftqualität in Ingolstadt zu verbessern. Es ist bezeichnend, dass die Luftreinhaltung in den Wahlprogrammen der Parteien keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Politiker aller Parteien müssen sich deshalb die Frage gefallen lassen, warum sie einen Missstand, von dem geschätzt mehr als 70.000 Bürger betroffen sind, weitestgehend ignorieren.
Folgende Antworten der Politiker haben uns erreicht. Wir können an dieser Stelle nur auszugsweise zitieren. Die Zitate sind zur Veröffentlichung freigegeben.
Christian Scharpf (SPD), OB-Kandidat Ingolstadt: „Wir brauchen einen von der Stadt einberufenen runden Tisch mit den in Frage kommenden Verursachern, wie etwa Fa. Gunvor und der TAL und den Vertretern des Aktionsbündnisses. (…) Entscheidend ist, dass nicht bloß eine Messung im Frühsommer gemacht wird, sondern mehrere Messungen zu unterschiedlichen Jahreszeiten erfolgen, vor allem im Herbst und Winter, wo die Wetterlagen die Geruchsbelästigungen begünstigen. Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger mit der Sache alleine gelassen werden, sondern hier muss die Stadt verstärkt tätig werden mit einer systematischen Erhebung der Emissionsdaten inkl. Ermittlung von Geruchsschwellen, damit wir valide Daten erhalten und vor allem die Zeiten erfassen, wo der Gestank tatsächlich auftritt. (…) Darüber hinaus müssen Vorkehrungen zur künftigen Überwachung der Luftreinhaltung getroffen werden, etwa durch ausreichend Messstationen.“
Petra Kleine (Grüne), Fraktionsvorsitzende und OB-Kandidatin Ingolstadt: „Die massiven Geruchsbelastungen der vergangenen Wochen zeigen auch, dass wir noch weit von einer zufriedenstellenden Lösung entfernt sind. Die Stadt muss hier deutlich als Anwalt und Interessensvertreter der Bürger auftreten und mit den verantwortlichen Unternehmen in Verhandlungen treten. Die Stadtverwaltung müsste mehr tun, um systematische Messungen und Datenerhebungen durchführen zu lassen und dann technische Maßnahmen zur Geruchseindämmung offensiv verhandeln. (…) Wir brauchen eine Stadtvertretung, die auf Augenhöhe mit den verantwortlichen Unternehmen in Verhandlungen tritt mit dem Ziel, durch die richtigen technischen Maßnahmen den Gestank zu beenden. Es ist vollkommen unzeitgemäß, dieses Problem nicht aktiv einzudämmen.“
Hans Stachel (FW), OB-Kandidat Ingolstadt: „Ich unterstütze Ihr Anliegen und kann zumindest zeitweise Ihre Belästigung teilen – je nachdem wie der Wind steht. Meine Firma in der Frühlingsstraße ist auch manchmal im Geruchshorizont – und wenn ich zu Kunden nach Unterhaunstadt fahre, nehme ich die Geruchsbelästigung auch immer wieder wahr. (…) Ein erster Schritt wäre aus meiner Sicht ein Zusammentreffen der Betroffen, der Fachstellen und der vermutlichen Verursacher. Hierbei ist eine Aussprache und eine Besprechung der Vorgehensweise möglich und erforderlich.“
Franz Hofmeier, (ÖDP), Vorsitzender Kreisverband Ingolstadt: „Wir stehen voll und ganz hinter den Anliegen und Forderungen von „Uns stinkt’s“ und wollen ebenfalls erreichen, dass diese nun über Jahrzehnte gehende Phase mit immer wiederkehrenden Geruchsbelästigungen endlich zu einer dauerhaft zufriedenstellenden Lösung gebracht werden kann.“
Christian Lange, (BGI), Fraktionsvorsitzender Ingolstadt: „Leider ist es aus meiner Sicht eine der permanent wiederholten Augenwischereien in dieser Stadt, dass wir uns angeblich um die Luftreinhaltung keine Gedanken machen müssen.“ (…) Es geht jetzt darum, wie wir Wege finden, diese Geruchsbelästigungen zukünftig zu verhindern. Dafür sind Gespräche mit betroffenen Bürgern, den Experten zur Ermittlung der Emissionen und auch den Vertretern der Raffinerie notwendig. Gemeinsam sollten wir dann Maßnahmen und Wege definieren, wie wir dieses Problem mittelfristig beseitigen können. Für mich ist selbstverständlich, dass dazu Druck seitens der Stadt ausgeübt werden muss.“
Gerd Werding (UDI), Fraktionsvorsitzender Ingolstadt: „In der ,Autostadt‘ Ingolstadt erfährt man beim Thema Luftreinhaltung sofort Widerstand oder auch nur sehr geringes Interesse von allen etablierten Parteien und sowohl bei der Stadtspitze als auch einem Großteil des Stadtrats reicht die Stimmungslage von aktivem Widerstand gegen eine ernsthafte Beschäftigung mit dieser Thematik. (…) Die europäische Umweltagentur hat vor wenigen Monaten in einem aktuellen Report die Luftverschmutzung als die größte Umweltgefahr für die menschliche Gesundheit bezeichnet. (…) Die UDI hat in der Vergangenheit mehrere Anträge zur Luftverschmutzungsproblematik gestellt und wird sich auch weiterhin mit der Problematik befassen.“
Andrea Ernhofer (SPD), Erste Bürgermeisterin Markt Kösching, Kandidatin für das Bürgermeisteramt im Markt Kösching: „Selbstverständlich nehme ich das Thema Luftreinhaltung ernst. Meines Erachtens nach wäre es daher wichtig, gemeinsam mit allen Beteiligten das Gespräch zu suchen. So könnten Ihre offenen Fragen bezüglich der Messungen, der Messergebnisse, der künftigen Vorgehensweise etc. direkt geklärt werden. Auch über technische Vorrichtungen zur Emissionsvermeidung und eventuelle Vorhaben könnte dann diskutiert werden.“
Ludwig Schmidt (CSU), Ortsvorsitzender Kösching-Kasing-Bettbrunn, Kandidat für das Bürgermeisteramt im Markt Kösching: „Luftreinhaltung ist für uns ein selbstverständliches Thema, so dass dies in unserem Wahlprogramm nicht explizit zum Ausdruck kommt. (…) Meine Familie und ich wohnen zirka einen Kilometer von TAL/GUNVOR entfernt, wir bekommen die schlechte Luft vielleicht vier bis fünf Mal im Jahr zu spüren. Ich muss aber sagen, dass wir diesen Wohnort vor 30 Jahren ausgewählt haben, im Wissen, dass sich diese Anlage in unserer Nähe befindet. Ich pflichte Ihnen bei, dass ein reger Austausch mit Mitbürgern wichtig ist, und dass sie mit dieser Problematik nicht alleine gelassen werden und die verantwortlichen Stellen sich darum kümmern müssen. Ein Wegschauen oder Übergehen ist nicht zielführend. Selbstverständlich müssen die Geruchsbelästigungen auf ein möglichst niedriges Maß reduziert werden, die Richtlinien zur Luftreinhaltung sind einzuhalten. Wir werden darauf drängen, dass hierbei geeignete Prüfstellen geschaffen werden, die auch außerperiodisch in Zeiten messen, wenn es wirklich stinkt.“
Manfred Lindner (GRÜNE), Ortssprecher in Kösching, Kadidat für den Gemeinderat in Kösching: „Die Geruchsbelästigungen haben sich in den letzten Wochen wieder verstärkt bemerkbar gemacht! Sie überschreiten seit Jahrzehnten ein erträgliches Ausmaß. (…) In unserem Wahlprogramm für Kösching fordern wir eine Verbesserung der Lebensqualität für die Köschinger Bürger. Dazu gehören saubere Luft, weniger Lärm, Verkehrsberuhigung usw.“
Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel sich nach Informationen aus dem Büro von Bürgermeister Wittmann mit der Gruppe in Verbindung setzen.
Über das Aktionsbündnis „Uns stinkt’s!“: Das Aktionsbündnis hat sich vor zwei Jahren gegründet. Mit mittlerweile knapp 70 aktiven Geruchsmeldern (Einwohnern der betroffenen Stadtteile und Gemeinden) dokumentieren wir Tag, Dauer und Intensität der Geruchsbelästigungen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse treten wir mit Behörden und Unternehmen in Kontakt, mit dem Ziel die Luftqualität in Ingolstadt zu verbessern. Zudem stehen wir in regem Austausch mit Mitbürgern, die sich mit ihren Befürchtungen von den Verantwortlichen und der Verwaltung allein gelassen fühlen. Unsere Forderungen sind unter anderem:
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Schluss mit dem Gestank und diesen Emissionen.
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Überprüfung der Sicherheits- und Luftreinhaltemaßnahmen bei TAL und GUNVOR in Bezug auf die besonderen Gegebenheiten in Ingolstadt (Wohngebietsnähe, Donautal, Wetterlage).
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Technische Aufrüstung bei TAL und GUNVOR, um Geruchsbelästigungen zu verringern.
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Permanente Überwachung der Luft durch unabhängige Messstationen.
Foto: Joachim Siebler