Grüne: Gelegenheit, sich für humane Flüchlingspolitik einzusetzen
Zum Antrag der Grünen Fraktion vom 28.01.2020 zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus griechischen Lagern
Zu der mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD und AfD am 29.01.2020 getroffenen Entscheidung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, grundsätzlich keine unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus griechischen Lagern in Deutschland aufzunehmen, erklärt die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen folgendes:
Diese Entscheidung des Innenausschusses mit den Stimmen der großen Koalition und der AfD ist enttäuschend, zumal mittlerweile mehr als 120 Kommunen in Deutschland ihre Bereitschaft erklärt haben, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den griechischen Lagern aufzunehmen.
Angesichts der menschenunwürdigen Zustände in den griechischen Lagern ist dies ein Abgesang auf die Humanität. Zu Recht protestieren beispielsweise die Münchener Sozialverbände, wo eine solche Aufnahme durch den Stadtrat schon beschlossen wurde, gegen diese Entscheidung.
„Es ist ein Armutszeugnis, dass freie Kapazitäten zur Aufnahme einer überschaubaren Anzahl besonders schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher durch diese Entscheidung nicht genutzt werden, aber wir werden die Augen vor dem Elend in den griechischen Lagern an den Rändern Europas nicht verschließen,“ sagt Stadträtin Barbara Leininger.
„Dass hier sogar die SPD, neben CDU, CSU und AfD, diesen inhumanen Beschluss im Bundestag mitträgt“, ergänzt Stadtrat Christian Höbusch, „ist umso schockierender“.
Bei dem Grünen Antrag, der auf der Tagesordnung der Sitzung des Stadtrats am kommenden Donnerstag steht, kann die Stadtratsmehrheit aus CSU und FW sowie auch die SPD zeigen, dass der Beschluss des Innenausschusses nicht in Stein gemeißelt ist und wir in Ingolstadt vorbereitet sind.
Gelegenheit, sich für eine humane Flüchtlingspolitik einzusetzen und sich von der menschenverachtenden Politik der AfD, die die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer als „Fährdienst nach Europa“ bezeichnet, zu distanzieren, gibt es auch bei einem weiteren Antrag der Grünen zur Unterstützung des Seenotrettungsschiffes „Alan Kurdi“ (Antrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17.12.2019, vgl. hierzu Änderungsantrag Stadtrat Bannert, AfD, vom 30.01.2020).
Hier die Anträge im Wortlaut:
Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Situation der geflüchteten Menschen, die den Winter über in den hoffnungslos überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln leben, ist uns allen bekannt. Besonders schlimm ist die Lage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die zum Teil noch im Kindesalter sind und besonders schutzwürdig sind. Wir stellen folgenden
Antrag:
1. Die Stadt Ingolstadt erklärt sich grundsätzlich bereit, unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen und zu betreuen.
2. Das Sozialreferat klärt, wie viele freie Plätze die Stadt in Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung hat. Dabei soll berücksichtigt werden, wie viele der existierenden Plätze für den laufenden Betrieb der Jugendhilfe in Ingolstadt notwendig sind und vorgehalten werden müssen und deshalb nicht mit unbegleiteten Flüchtlingen aus Griechenland besetzt werden können.
3. Ebenfalls soll mit den Trägern der Wohlfahrtsverbände Kontakt aufgenommen werden, um zu klären, wie viele Minderjährige zusätzlich in den Einrichtungen der öffentlichen und privaten Träger aufgenommen werden können.
4. Der Oberbürgermeister wird gebeten, sich gemeinsam mit den örtlichen Bundestags- abgeordneten für eine bundesweite Regelung zur Aufnahme von minderjährigen Geflüchteten in den Kommunen und die Sicherung der Finanzierung durch die zuständigen Kostenträger einzusetzen.
Zahlreiche humane Organisationen fordern die Aufnahme von unbegleiteten geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus Griechenland. Unter anderen hat auch das Landeskomitee der Katholiken in Bayern Bundesinnenminister Seehofer aufgefordert, eine begrenzte Aufnahme vor allem von Kindern zu ermöglichen. Dazu braucht es aber die Aufnahmebereitschaft besonders von größeren Kommunen wie Ingolstadt, die über die entsprechenden Kapazitäten in den Jugendhilfeeinrichtungen verfügen.
Der Bundesinnenminister hat signalisiert, dass er die Aufnahmebereitschaft zahlreicher Kommunen begrüßt.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Leininger, Petra Kleine (Fraktionsvorsitzende), Christian Höbusch, Dr. Christoph Lauer
Unterstützung des bayerischen Seenotrettungsschiffs „Alan Kurdi“
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
der Stadtrat Ingolstadt hat bekanntlich, nachdem unser Antrag „Sicherer Hafen“ keine Mehrheit gefunden hätte, beschlossen, stattdessen „Sichere Hilfen“ vor Ort zu leisten. Dazu wurde eine gesonderte Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hat in ihrer bisher einzigen Sitzung drei Programme ausgewählt, die in der Zielregion Legmoin in Burkina Faso umgesetzt werden sollen.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 hat der Referent für Soziales, Jugend und Sport die Mitglieder der Arbeitsgruppe nun darüber informiert, dass sich die Situation in Burkina Faso und besonders auch in Legmoin derzeit als sehr schwierig darstellt und dass die Beziehungen zur Stadtverwaltung Legmoin sehr viel komplizierter geworden sind. Daher sei eine Abstimmung der Umsetzbarkeit der angedachten Projekte aktuell nicht möglich.
Erst für Januar 2020 ist eine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe geplant. Das Kulturreferat werde ferner in der Kulturausschusssitzung am 5. Februar 2020 über den aktuellen Sachstand in Legmoin berichten.
Hilfe für die Menschen, die an Fluchtursachen ansetzt, ist wichtig. Solange aber die Fluchtursachen nicht wegfallen, werden sich die Menschen weiterhin auf den Weg machen. Es werden weiterhin Menschen den nahezu aussichtslosen und gefährlichen Weg über das Mittelmeer antreten. Bevor wir mit unseren Hilfen etwas bewirken können, die Umsetzung geklärt ist, täglich sich Menschen auf der Flucht auf das Mittelmeer wagen, stellen wir daher folgenden
Antrag:
1. Die Stadt Ingolstadt bekundet ihre Unterstützung und Solidarität mit der zivilen Seenotrettung, den Retter*innen von Sea-Eye und den Geretteten an Bord.
2. Die Stadt Ingolstadt informiert die Ingolstädter Stadtgesellschaft während der kommenden 12 Monate (ab Frühjahr 2020) in regelmäßigen Abständen und in geeigneten Formaten über das Thema zivile Seenotrettung im Allgemeinen und das Schiff „Alan Kurdi“ von Sea-Eye im Besonderen.
Begründung:
Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen ist eine rechtliche und moralische Verpflichtung für alle. Über 2.200 Geflüchtete sind nach UN-Angaben im vergangenen Jahr im Mittelmeer gestorben, jeden Tag sterben durchschnittlich sechs weitere Menschen. Ohne die Arbeit privater Rettungsschiffe wäre die Zahl noch viel höher.
Mit einer 12-monatigen Patenschaft für das Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ von Sea-Eye drückt die Stadt ihre Unterstützung und Solidarität mit der Seenotrettung, den Retter*innen von Sea-Eye und den Geretteten an Bord aus. Der Sea-Eye e.V. ist ein 2015 in Regensburg gegründeter Verein, der die Rettung Flüchtender aus seeuntüchtigen Booten im Mittelmeer zum Zweck hat. Mit dem Schiff „Alan Kurdi“ soll eine Lücke in der Seenotrettung auf dem Mittelmeer gefüllt werden, um möglichst viele Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren.
Sea-Eye hat konkret folgende Aufgaben:
ï‚· Leben retten.
ï‚· Menschenrechtsverletzungen beobachten und dokumentieren.
ï‚· In Seenot geratene Menschen mit Schwimmwesten versorgen und evakuieren.
ï‚· Verletzte an Bord in der Krankenstation behandeln.
ï‚· Gerettete in Sicherheit bringen.
ï‚· Internationale Regeln der Seenotrettung einhalten.
ï‚· Über die Lage im Mittelmeer informieren.
Durch eine Patenschaft setzt Ingolstadt nicht nur ein Zeichen der Solidarisierung mit der zivilen Seenotrettung, sondern auch innerhalb der Stadtgesellschaft erfährt das Thema Seenotrettung mehr Sichtbarkeit. Das Thema bekommt stellvertretend durch die Crew des Schiffes sowie die Geretteten in Ingolstadt ein Gesicht. Und wir können bis zur Wirksamkeit unseren „Sicheren Hilfen“ ganz konkret mithelfen, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Dadurch retten, indem wir über die Arbeit von Sea-Eye informieren, damit Spenden die Durchführung weiterer Missionen, an denen auch regelmäßig Bürger aus Ingolstadt als Crewmitglieder teilnehmen, unterstützen.
Ingolstadt steht mit seiner Patenschaft für die „Alan Kurdi“ an der Seite der katholischen, evangelischen, griechisch-orthodoxen Kirche und muslimischer Gemeinden, deren Vertreter am 3. Adventswochenende mit einem gemeinsamen Gottesdienst im Münchener Dom ein überdeutliches Zeichen der Solidarität mit der privaten Seenotrettung gesetzt habe (https://www.br.de/nachrichten/bayern/die-menschen-die-im-mittelmeer-ertrinken-sind- christus,RkdrLHI).
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Leininger, Petra Kleine (Fraktionsvorsitzende), Christian Höbusch, Dr. Christoph Lauer