Grüne Erfolgsaussichten einer wissenschaftsbasierten Partei
Den Januar hatte sie schon mal abgehakt. Stadträtin und Sprecherin des Grünen Kreisverbands Ingolstadt Steffi Kürten begrüßte die Zuschauer zur digitalen Neujahrsmatinee der Ingolstädter Grünen und blickte dabei zielstrebig in Richtung September. Das Direktmandat des Wahlkreises 216 geht an die Grünen – so lautete ihre „Prognose“ für das Jahr 2021. Ja, es ist schon wieder Wahljahr. Und so bewegten sich die Redner der Matinee zwischen dem Rückblick auf ein erfolgreiches grünes Jahr in Ingolstadt und dem „Einschwören“ auf die Bundestagswahl. Rund 60 Zuschauer verfolgten die Übertragung per YouTube (beim nächsten Mal mit Gebärdendolmetscherin, versprach Steffi Kürten, nachdem man das bei den Kollegen von der SPD gesehen hatte).
Das erste Grußwort kam von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer. Die Psychologin sprach die nervlichen Belastungen durch die Corona-Krise an: „Viele Grenzen sind erreicht,“ meinte sie: „Die Impfungen erscheinen jetzt als Lichtstreif am Horizont.“ Im Jahr der Bundestagswahl, im Jahr des Impfens, Aufrappelns und der Veränderung wollten die Grünen mit viel Rückenwind starten: „Wir wollen regieren, entscheiden und verändern.“ Sie ist davon überzeugt, dass die Grünen an die Spitze einer neuen Regierung gewählt werden. Den Klimaschutz („Damit wir retten, was zu retten ist“) und den Kampf gegen die wachsende soziale Ungerechtigkeit nannte sie als die wichtigsten Themen und freute sich auf „einen knallgrünen Wahlkampf mit großartigem grünen Ergebnis.“
„Ich bin froh, dass 2020 vorbei ist,“ meinte die Fraktionsvorsitzende der bayerischen Landtagsgrünen, Katharina Schulze in ihrer Video-Grußbotschaft und warf einen Blick auf 2021: Endlich gäbe es einen Corona-Impfstoff: „Wie großartig ist Wissenschaft und globale Kooperation.“
Auch sie sing auf die Wahlkampfthemen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit ein und betonte, wie wichtig es sei, die Demokratie zu stärken. Es ginge nicht nur darum, Angriffe von rechts oder durch den internationalen Terrorismus abzuwehren: „Ich sehe eine große Gefahr in den Menschen, die ständig von einer Corona-Diktatur schwadronieren.“ Die Parlamente tagen, die Justiz kontrolliert, die Demokratie lebt, meinte Schulze. „Ich bin froh, dass wir als wissenschaftsbasierte Partei die Erkenntnisse der Wissenschaft ernst nehmen.“ Es stehe nun viel auf dem Spiel und es sei an der Zeit, diese großen Herausforderungen anzunehmen.
Die Landtagsabgeordnete Sanne Kurz sprach anschließend vor allem über die aktuellen Corona bedingten Probleme im Bildungsbereich. Sie kritisierte die Konzepte des bayerischen Bildungsministers Michael Piazolo, weil es z.B. keinen Plan für Übetritte und Abitur gäbe. Die Grünen setzen sich dafür ein, die Faschingsferien zu verschieben, um eine dringend nötige Pause zu ermöglichen und das Schuljahr 2020/21 als Kurzschuljahr anzuerkennen: „Die Bevölkerung ist beim Thema schulen sehr aufgewühlt.“ Den Grünen sei der Infektionsschutz sehr wichtig. Aber nicht Hotels oder Skilifte stehen für die Partei im Mittelpunkt, sondern Kinder und Jugendliche. Auch sie blickt voller Zuversicht auf die Bundestagswahl: „Ingolstadt go!“ meinte sie zum Schluss.
Mit Bezirksrat Joachim Siebler kam schließlich ein „Eigengewächs“ (O-Ton Kürten) zu Wort, das sich auch um die Bundestagskandidatur bewirbt. Siebler hielt keine Ansprache und keine Wahlkampfrede, sondern erläuterte in einem Kurzvortrag die Auswirkungen von Entscheidungen auf der Bundesebene auf die Bezirksebene – und damit auch auf den Bürger z.B. in Ingolstadt. Als Beispiel dienst ihm die sogenannten PPP Richtlinie, als die Richtlinie zur Personalausstattung von Psychiatrie und Psychosomatik – ein Thema, das im Bundestag „verursacht“ wurde und dessen Auswirkungen letztendlich in die Schließung der Entwöhnungseinrichtung im Anna Ponschab Hauses mündeten. Zuletzt verwies Siebler auf aktuelle, vielversprechende Umfragen zur Bundestagswahl und appellierte an die Zuschauer, diese Prognose ins Ziel zu bringen. um dann entsprechend wirken zu können.
Historisch wurde es nun mit der Ansprache von Petra Kleine. Ingolstadts erste grüne Bürgermeisterin – noch dazu hauptamtlich – meldete sich zu Wort und gab zu, dass für sie der Wahlkampf noch bis in den September angedauert habe (z.B. wegen der Diskussionen um das Umweltreferat). Sie freue sich nun, dass ab Februar Isfried Fischer (Mitglied der Grünen ) das Sozialreferat übernehme: „Die Zusammenarbeit mit mit dem Sozialreferat war immer gut, wir konnten zum Beispiel neue Plätze für das Frauenhaus einrichten.“ Auch ein „humanitäres Flüchtlingsmanagement“ in Ingolstadt sei dieser Zusammenarbeit geschuldet. Petra Kleine zählte die Erfolge der noch jungen Legislaturperiode auf wie die Erweiterung der Gesundheitsregion, die baldige Einrichtung des Jugendparlaments, die Aufbauarbeit im Bereich Ökologie oder die Schaffung neuer Stellen im Sozialbereich: „Es geht um Gerechtigkeit,“ meinte Petra Kleine. Eine gesunde Umwelt und Erlebnismöglichkeiten müssten in allen Stadtteilen zugänglich sein und man müsse auch auf k0ommunaler Ebene für Corona-Gerechtigkeit gerade bei Kindern und Jugendlichen sorgen. Daher würden an den Schulen und in den Stadtteilen mehr Schulsozialarbeiter und Jugendarbeiter gebracht.
„Es gibt keine festen Mehrheiten, wir müssen bei jedem Thema Mehrheiten schaffen,“ erklärte die Bürgermeisterin mit Blick auf den Stadtrat. Umso wichtiger sei Transparanz, um beim Bürger auch Akzeptanz z.B. für eine Kreditaufnahme zu erreichen. „Dabei dürfen wir konsolidieren nicht mit Streichen von Leistungen übersetzen.“ Gerade die freiwilligen Leistungen seien der Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Diese zu streichen würde heißen, einen Teil der eigenen Gestaltungskraft aufzugeben. Stattdessen solle in die Stärke der Stadt investiert werden – dazu zählen auch ökologische Herausforderungen im Alltag: „Wir wollen Optimismus, wir wollen die Menschen motivieren!“
Kleine zählte die bevorstehenden Projekte und Planungen auf, darunter die Treibhausbilanz, die im Frühjahr erstmals für Ingolstadt veröffentlicht wird, eine E-Mobilitätsstrategie und ein kommunales CO2 Kompensierungsprogramm für Unternehmen. Das Thema Ernährung bleibe auf der Agenda („Da brauchen wir die Netzwerke!“) und am 18. September solle wieder ein Bio regional Tag in Ingolstadt stattfinden. Ein weiteres zentrales Projekt ist der Schutz des zweiten Grünrings und hier bittet die Bürgermeisterin um Geduld: „Das schafft man nicht mit einem Antrag. Es ist ein komplexes,kompaktes Werk. Ich spüre die Ungeduld aus Umwelt- und Naturschutz seit August, es gibt Erwartungen und Enttäuschungen.“ Aber man habe viel vor, um z.B. Landschaftsschutzgebiete innerhalb der Grünringe auszuweisen. Sie zählte die unterschiedlichen, dazu nötigen Projekte auf, wie die Erweiterung der Kartierung, die Ausweisung von Ausgleichsflächen, die Belebung des Lohenprogramms und die Aufwertung des Max Emanuel Parks.
Mit einem Augenzwinkern verwies sie auch auf die Idee, einen Taubenschlag im Rathaus anzusiedeln: „Das hat zu Entsetzen und Erheiterung geführt,“ meinte Petra Kleine. Aber man müsse sich auch der Stadttauben aktiv annehmen. Zum Abschluss sprach sie das Thema Landschaftspflegeverband („damit investieren wir städtisches Geld in den Naturschutz“) und die Unterstützung der Freiwilligenarbeit („wir müssen in Naturschutz und ehrenamtliche Arbeit investieren“) an und verabschiedete sich mit einem Wunsch: „Lasst uns gut zusammen arbeiten, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind!“
Mit Barbara Leiniger blickte die weibliche Hälfte der Grünen-Fraktionsspitze auf ein „sehr erfolgreiches Jahr für die Grünen“ zurück. Man habe endlich die Bürgermeisterei gestürmt,
die neue Sitzverteilung habe in Ingolstadt Stadtgeschichte geschrieben und die politische Kultur habe sich gewandelt: „Grüne Sadträte müssen nicht mehr lästg fallen. Wir haben frustrierende Erfahrungen gemacht, aber jetzt sind wir in die Prozesse eingebunden und müssen nicht um Aufmerksamkeit bei der Stadtspitze ringen.“ Die Wahl sei historisch gewesen und die fünf neuen Kollegen und Kolleginnen hätten sich im Stadtrat mit vollem Elan ins Arbeiten gestürzt. Derzeit würden aber wegen Corona die Defizite in der Kommunikation immer spürbarer. Man brauche den Input der Leute. „Wir werden auch dafür gewählt, Entscheidungen zu treffen. Die Wähler verflogen das intensiv,“ so Leiniger. Das sei anstrengend, aber ein Gewinn. Nun gehe es um nichts weniger als eine bessere Welt und darum, die Menschen am Tranformationsprozess zu beteiligen. Sie zählte die Projekte auf, deren Realisierung in den nächsten Jahren sie für sehr wichtig hät, dazu zählen die Kammerspiele, das MKKD, das GKO und kleinere Kulturformate. Man sei aktiv an der Innenstadtentwicklung beteiligt, setze sich für erschwingliches Wohnen ein, wolle mehr Bürger aufs Rad bringen, den Grünring sichern, die Bürgerbeteiligung ausbauen und das Ehrenamt stärken.
Die Entwicklung Ingolstadts zur Gesundheitsregion, Ideen für mehr Bildungsgerechtigkeit und die Digitalisierung von Schulen seien weitere wichtige Themen. Und natürlich werde die Grünenfraktion die notwendige Konsolidierung der städtiscen Fnanzen mit tragen. „Es wird nicht leicht ein, Freiräume für die Gestaltung der Stadt zu erhalten,“ so Leininger. Aber nun geht es darum, einen nachhaltgen Umbau zu forcieren.
Den Abschluss der Redner machte der designierte Sozialreferent Isfried Fischer. Er stellte sich und seine Pläne vor für eine sozial gerechtere Stadt vor und ging auch auf das neues Zentrum für Freiwilligenmanagement ein, das im Bürgerhaus realisiert werden soll. Natürlich stehe Corona im Mittelpunkt in den nächsten Monaten. Und Fischer, der seit 2005 Geschäftsführer des Jobcenters Ingolstadt ist, betonte, dass kein Friseur und kein Künstler seine Miete wegen Corona aus eigenen Ersparnissen bestreiten müsse: „Dafür sorgt das Jobcenter.“ Und mit Blick auf die Stadt meinte er: „Einen Kahlschlag bei freiwilligen Leistungen darf es nicht geben.“
Ganz schön viel Input! Es schloss sich eine virtuelle Vernissage und ein Interview mit dem Künstler Mwafad Maklad an, denn Kunst ist bei einer Grünen Matinee nicht weg zu denken. Und natürlich wurde auch musiziert: der Ingolstädter Jazzförderpreisträger Malik Diao und Josef Heinl sorgten für das Klangerlebnis zur Neujahrsveranstaltung.