Linke: Stadtratssitzungen bis auf weiteres virtuell durchführen
In einem Dringlichkeitsantrag, der am Dienstag, 19.1. in der Stadtratssitzung behandelt wird (Beginn 10 Uhr) fordert die Stadtratsgruppe der Linken eine virtuelle Durchführung der Stadtratssitzungen in Ingolstadt bis der 7-Tage Inzidenz-Wert unter 50 gesunken ist.
Antrag:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
DIE LINKE Stadtrats-Gruppe bittet den Stadtrat die Verwaltung mit folgenden Punkten zu beauftragen, um die Kontakte bei der kommunalpolitischen Arbeit Pandemie bedingt zu reduzieren:
Begründung:
Städtevergleich: Viele Städte in Deutschland setzen bereits seit letztem Jahr auf digitale Sitzungen zur Durchführung der kommunalen Gremien. Die SPD-geführte Stadt Leipzig beispielsweise praktiziert dies bereits seit Februar letzten Jahres und blickt auf einen reibungslosen Sitzungsverlauf zurück.
1. Experimentierklausel: Die Stadtspitze wird beauftragt auf Grundlage der bayerischen Experimentierklausel eine Ausnahmeregelung bzgl. Online-Treffen für kommunalpolitische Gremien beim Staatsministerium des Inneren einzuholen.
2. Online Debatten: Die Debatten der Aufsichtsrats-, Ausschuss- und Stadtratssitzungen werden, wo satzungsgemäß möglich, ab einem 7-Tage Inzidenz-Wert über 50 ausschließlich digital abgehalten.
3. Satzungsanpassungen: Die Verwaltung prüft die Satzungen aller kommunalen Gliederungen auf die Möglichkeit von Online Sitzungen und Briefwahl / Umlaufbeschluss und legt dem Stadtrat eine Vorlage vor, um unvollständige Satzungen hierum zu ergänzen.
4. Abstimmungen: Werden digital vorgeprüft und per Briefwahl o. Präsenztermin bestätigt.
5. Schulungen: Zur störungsfreien Durchführungen der Sitzungen werden von der Verwaltung Schulungen für Stadtratsmitglieder angeboten.
6. Internetanbindung: Das Datenvolumen der Stadtrats-Ipads wird auf 15 GB/ Monat erhöht.
7. IT-Team: Aus dem Stellenpool wird ein IT-Mitarbeiter eingestellt, der ausschließlich für die störungsfreie Durchführung von Online Sitzungen verantwortlich ist.
Änderungsbereitschaft und Vorbildcharakter: Jeder ist in der Pandemie dazu aufgerufen nicht notwendige Kontakte zu begrenzen. Die Politik ruft Firmen und deren Mitarbeiter_innen dazu auf, überall wo möglich auf Homeoffice zu setzen. Der Bewegungsradius von Privatpersonen wird empfindlich eingeschränkt. Wie können wir von Seiten der Politik derartig hohe Änderungsbereitschaft von unseren Mitbürger_innen einfordern und uns selbst auf einer Ausnahmeklausel ausruhen?
Uns stehen die technischen Möglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung ohne bedeutenden Mehraufwand allein bis Ende März mehr als 14.205 Kontakte zu vermeiden. Aber nicht nur Corona, auch der Klimawandel wird uns perspektivisch ein hohes Maß an Verhaltensänderung abverlangen. Nur so werden sich Corona und Klimawandel bezwingen lassen.
Wir sollten als kommunale Entscheidungsträger_innen in diesem Kontext mit gutem Beispiel vorangehen, um den Bürger_innen so zu signalisieren, dass Wandel möglich ist. Man muss Innovation nicht nur einfordern, sondern selbst vorleben, auch um die für unsere Region wirtschaftlich entscheidenden Innovationskultur zu stärken.
Innovation und Identität: Der Slogan “Vorsprung durch Technik” ist für unsere Region identitätsstiftend. Leider ist dieser Anspruch im letzten Jahrzehnt an manchen Stellen an der Realität gescheitert. Mit Initiativen wie den ersten digitalen Stadtratssitzungen in Bayern können wir diesen Anspruch neu aufleben lassen und auch über die Stadtgrenzen hinweg unterstreichen.
Risikominimierung: Beim aktuellen Inzidenz-Wert von 195 (Stand 14.01.2021) beträgt das Risiko eines Covid Kontakts bei Stadtratssitzungen mit 70 Anwesenden 63,35%, bei Ausschusssitzungen mit 30 Anwesenden Personen 34,96% (Quelle: covid-o-mat.de). Insgesamt verhindert eine Digitalisierung der Sitzungs-Durchführung mehr als 14.205 Kontakte bis Ende März. Es ist den Mitbürger_innen nicht zu vermitteln, warum wir dieses Potential nicht heben, während wir zugleich von Ihnen weitreichende Einschnitte ins eigene Leben fordern. Sich auf technische Schwierigkeiten bei der Durchführung von Online-Veranstaltungen zu berufen, kommt einer digitalen Bankrotterklärung gleich und ist verantwortungslos gegenüber all jenen, die an vorderster Front gegen dieses Virus kämpfen.
Demokratische Beteiligung: Eine irgendwie geartete personelle Reduzierung kommunaler Gremien lehnen wir entschieden ab. Die bayerische Kommunalwahl ist durch das Wahlverfahren in Bayern eine Personenwahl. Jeder Kommunalpolitiker_in repräsentiert dadurch mehr als irgendwo anders spezielle Interessen, Perspektiven und Meinungen. Diese Pluralität gilt es gerade in einer derartigen Krise aufrechtzuerhalten, um die größtmögliche politische Innovation und breiten gesellschaftlichen Konsens sicherzustellen. Diese sind unabdingbare Bestandteile, um die Akzeptanz innerhalb der Bürgerschaft in Hinsicht auf die schweren gesellschaftlichen Einschnitte zu erhalten und zu stärken.
Technische & rechtliche Hindernisse: Jede Neuerung beinhaltet anfängliche Umsetzungsschwierigkeiten, neue Herangehensweisen und Abläufe. Dennoch sollte die Durchführung einer Online-Veranstaltung für einen derartigen Verwaltungsapparat wie Ingolstadt ihn aufweist, nicht zu viel verlangt sein. Bezüglich rechtlichen Neulands ermöglicht uns die bayerische Emerimentierklausel Rechtssicherheit bei Reformen zur “Verbesserung kommunalpolitischer Prozesse”. Diese Grundlage sehen wir in der aktuellen Situation mehr als gegeben.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Eva Bulling-Schröter
gez. Christian-Linus Pauling