Grüne: Wirtschaftsförderung 4.0 in Ingolstadt?
„Wirtschaftsförderung 4.0“ – das klingt zunächst etwas sperrig. Zu verstehen ist darunter das Projekt des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, mit dem die Wirtschaftsstruktur in Kommunen gestärkt werden soll durch systematische Förderung der lokalen Wirtschaftsformen und deren Wertschöpfung.
Die Umsetzung der Wirtschaftsförderung 4.0 kommt dabei ganz nicht allein der Wirtschaft zugute. Neben der eigentlichen Förderung des Wirtschaftsstandorts können in dem Projekt auch zu wenig genutzte Potenziale aufgedeckt und weiterentwickelt werden. Klimaschutz und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen sind weitere Kriterien des Projekts. Alles zusammen hat nicht zuletzt große positive Auswirkungen auf die Lebensqualität in einer Kommune.
„Uns ist wichtig, einen 360-Grad-Blick auf die Wirtschaftsförderung in Ingolstadt auf der Basis wissenschaftlicher Konzepte anzuregen“, meint Fraktionsvorsitzender Christian Höbusch, „denn nur unter Einbezug aller „wirtschaftenden“ Akteur*innen hat man einen vollständigen Blick auf unsere Wirtschaftsstruktur.“ Das Wuppertal-Institut hat hier mit der Wirtschaftsförderung 4.0 ein höchst innovatives und interessantes Konzept entwickelt, erprobt, das auch auf Ingolstadt passen kann.
Die Grüne Stadtratsfraktion hat die Prüfung beantragt, ob das Projekt für die zukünftige städtische Wirtschaftsförderung mit positivem Nutzen anwendbar ist.
Antrag Wirtschaftsförderung 4.0
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
von Anfang 2018 bis Ende 2019 wurde das Forschungsprojekt „Wirtschaftsförderung 4.0“ des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie gGmbH in Osnabrück einem Praxistest unterzogen. Ziel des Projekts „Wirtschaftsförderung 4.0“ ist die regionale Wertschöpfung und systematische Förderung kooperativer Wirtschaftsformen. Dies soll die lokale Wirtschaftsstruktur in Kommunen stärken. Flankierende Ziele sind Klimaschutz und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen.
Als weitere Ziele und potenzielle Effekte können in Stichworten genannt werden: Arbeitsplätze sichern und erhalten, wirtschaftliche und soziale Stabilität steigern, Rekrutierungspotenziale ausbauen, ökonomische Subsidiarität vitalisieren, nationalen Abgrenzungspopulismus bekämpfen.
Das Konzept der Wirtschaftsförderung 4.0 betrachtet dabei die gesamte Wirtschaft der Stadt oder Region und geht damit über die reine Unternehmensförderung hinaus. Trägerin und Motor der Strategien ist die kommunale Wirtschaftsförderung, in Ingolstadt also das Referat VIII und die IFG AöR.
Die Formulierung „gesamte Wirtschaft“ zielt darauf ab, dass Ökonomie die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen ist, die „der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse“ dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören Unternehmen, private und öffentliche Haushalte, zu den Handlungen des Wirtschaftens Herstellung, Absatz, Tausch, Konsum, Umlauf, Verteilung und Recycling/Entsorgung von Gütern. Es geht also nicht allein um auf Geld basierten Austausch. Das wird schon dadurch deutlich, dass mehr als die Hälfte aller geleisteten Arbeit nicht bezahlt wird, etwa für Betreuung von Kindern, Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Jugendgruppen. Ohne diese Formen der Wirtschaft könnte auch der erwerbliche Bereich nicht existieren. Angestrebt wird also ein 360-Grad-Blick, den es so in Ingolstadt bisher nur vereinzelt gab (vgl. etwa Studie im Auftrag der Audi AG „Wertschöpfungskompetenz der Region Ingolstadt“ von 2011).
Seit Anfang 2020 läuft nun das Folgeprojekt „Rollout Wirtschaftsförderung 4.0“ in Witten, Witzenhausen, Wuppertal und auch weiterhin in Osnabrück. Diese Städte dienen dabei als Reallabor, um zu testen, ob sich das Konzept erfolgreich übertragen und verwerten lässt. Das Ende ist für 2021 anvisiert.
Im Anschluss an das Folgeprojekt „Rollout Wirtschaftsförderung 4.0“ können Städte mit anderen regionalen und lokalen Besonderheiten das Konzept modellhaft weiter erproben, denn die Wirtschaftsförderung 4.0 zielt darauf ab, „systemkritische“ Wirtschaftssektoren zu stärken und eine Renaissance der Regionen zu bewirken.
Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt dazu folgenden
Antrag:
- Die Stadt Ingolstadt, das Wirtschaftsreferat prüfen, ob Wirtschaftsförderung 4.0 auch in Ingolstadt als (ergänzende) Grundlage der zukünftigen städtischen Wirtschaftsförderung angewandt werden kann, nimmt dazu eine Bewertung des Konzeptes für Ingolstadt vor und stellt diese dem Stadtrat dar.
- Die Stadt Ingolstadt, das Wirtschaftsreferat prüfen, ob sich Ingolstadt nach Abschluss des laufenden Folgeprojektes als weitere Modellregion zur Verfügung stellen kann.
Begründung:
Gegenwärtig plant die IFG AöR (vgl. Vorlage V484/20 vom 09.10.2020, S. 7) eine Wirtschaftsstrukturanalyse des Standortes, welche die Branchenkompetenzen und Alleinstellungsmerkmale der Stadt Ingolstadt bestimmt, sowie deren Schlüsselunternehmen, wissenschaftlicher Einrichtungen, produktspezifischer Kernkompetenzen und Vernetzung untereinander. Hieraus sollen dann Handlungsempfehlungen zu Stärkung und Ausbau des Wirtschaftsstandorts Ingolstadt abgeleitet werden. Aktuell finden gemäß der Vorlage noch Abstimmungsgespräche mit den Landkreisen statt mit dem Ziel, die Betrachtung auf die Region 10 auszuweiten. Die Analyse soll im 4. Quartal 2020 ausgeschrieben und im ersten Halbjahr 2021 durchgeführt werden.
Ersichtlich ist nicht und wurde bei der letzten öffentlichen Verwaltungsratssitzung der IFG am 19.10.2020 auch nicht näher dargelegt, dass dieser Strukturanalyse ein bestimmter methodologischer, konzeptioneller Ansatz zugrunde liegen soll oder wird. Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass sich die Stadt Ingolstadt, das Wirtschaftsreferat, die IFG AöR mit dem 360-Grad-Ansatz der „Wirtschaftsförderung 4.0“ des Wuppertal Instituts auseinandersetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Höbusch (Fraktionsvorsitzender), Barbara Leininger (Fraktionsvorsitzende), Agnes Krumwiede, Stephanie Kürten, Maria Segerer, Jochen Semle, Dr. Christoph Spaeth