Alles außer alternativlos
Das Unwort nicht nur des Jahres, sondern des Jahrzehnts ist für sie der Bergriff „alternativlos“. Diese Aussicht gäbe es wirklich nur dann, wenn es um Leben und Tod gehe. Deswegen sind für Neu-Stadträtin Angela Mayr (Freie Wähler) auch Projekte, die in Ingolstadt als „alternativlos“ kategorisiert werden, durchaus diskutierbar.
Da wäre beispielsweise das Kongresszentrum, eine „Altlast“, die der neue OB Christian Scharpf („Es wird sich zeigen, ob er weiter punkten kann“) mit übernommen hat: „Was passiert, wenn Audi das auf den Prüfstand stellt. Werden sie wirklich noch das erste Stockwerk übernehmen? Können wir da etwas neu denken, stornieren, verschieben?“ Mutige Entscheidungen seien jetzt gefragt und diesen Mut erwartet Angela Mayr von Stadtspitze und Stadtrat. Man müsse Projekte auf den Prüfstand stellen. Als Vorbild nennt sie Alt-OB Peter Schnell, der kurz bevor die Bagger kamen den innerstädtischen Standort für den Klinikumsneubau in Frage gestellt hatte.
Als „völlig falsch“ bezeichnet Angela Mayr den geplanten Standort für die Mittelschule Nordost, denn u.a. die gefährliche Nähe zum Bahngleis, die Verkehrssituation und die eingeengte Lage („zu klein für eine Dreifachturnhalle“) sprächen dagegen. Außerdem habe man beschlossen, den zweiten Grünring nicht zu bebauen und da sollte auch keine Ausnahme gemacht werden. Die Stadträtin sähe es lieber, wenn man sich Gedanken darüber machen würde, wie man die Bestandsschulen erweitern und zusätzliches Lehrpersonal gewinnen könne.
Und beim Themenkomplex Theatersanierung – Neubau der Kammerspiele wünscht sie sich eine Entkoppelung der beiden Bereiche. Ein Konzept für die Sanierung des Stadttheaters sollte möglichst schnell in Angriff genommen werden, unabhängig von den Kammerspielen: „Irgendwann wird das Stadttheater nicht mehr bespielbar sein!“ Das Theaterrestaurant ist dabei auch so ein diskussionswürdiges Objekt. Vielleicht wäre es sinnvoller, die Räumlichkeiten dem Theater zuzurechnen und z.B. nur eine kleine Bar im Haus zu belassen. Zudem wäre es ihrer Ansicht nach nötig, einen Überblick über alle verfügbaren, städtischen wie privaten Säle, Hallen etc. zu bekommen, um für die Zeit der Schließung planen zu können: „Vielleicht wäre ja das Altstadttheater an einigen Tagen in der Woche zum Beispiel für die Werkstattbühne verfügbar.“ Wovon man sich aber verabschieden sollte, sei der Wirtschaftlichkeitsgedanke. Gerade ehrenamtlich Tätige wie z.B. der Konzertverein würden etwa durch steigende Saalmieten ausgebremst. Ein städtischer Saal, eine städtische Bühne – das zählt für Angela Mayr zur Infrastruktur, die zwar wirtschaftlich geführt werden müsse, aber nicht gewinnorientiert. In diesem Zusammenhang ist für sie die Veranstaltungs GmbH ein zweischneidiges Schwert: „Ich verstehe, warum es sie gibt, wenn es um wirtschaftliche Sicherheit, die Absicherung der Mitarbeiter, Haftungsfragen oder auch Transparenz geht. Aber sie hat auch viele Kinderkrankheiten.“ Auch hier müsse es erlaubt sein, neu zu denken.
Angela Mayr ist bei der Ingolstädter Tafel, der Bürgerhilfe und im Tierschutzverein engagiert, seit 1997 ist sie Mitglied der Freien Wähler, von 2002 bis 2015 war sie Fraktionsgeschäftsführerin. Was nun auf sie als Stadträtin zukomme, war ihr daher immer klar: „Die Arbeit im Stadtrat macht Spaß!“ betont sie. „Es sind fünf Monate vorbei und keiner hat die Partei gewechselt oder eine Gruppierung verlassen,“ fügt sie schmunzelnd hinzu. Noch habe man ja wegen Corona auch nicht die Terminfülle zu bewältigen, die einen Kommunalpolitiker normalerweise ereilt. Schwierig sind für sie als Berufstätige (die ehemalige Anwältin arbeitet als Lehrbeauftragte an der Maria-Ward-Fachakademie für Sozialpädagogik in Eichstätt) allerdings die häufigen Änderungen der Sitzungstermine, seit Mai seien es bereits 14 Verschiebungen gewesen: „Und Stadtratssitzungen an einem Freitag sind für mich eine Katastrophe.“ Dass sie mit 52 Jahren das jüngste Mitglied in ihrer Fraktion ist, hält sie im Übrigen für durchaus bedenklich. „Ich finde es Schade, wenn keine jungen nachkommen,“ meint sie auch mit Blick auf andere Parteien. Schließlich ist nichts alternativlos. Auch kein Stadtratsmitglied.