Reden, hinhören, nicht wegschauen: Aktionen zum Welttag der Suizidprävention
Am Donnerstag, 10. September, findet der Welttag der Suizidprävention statt. Im Bistum Eichstätt ist die Kirche St. Moritz in Ingolstadt und die umliegenden Straßen in der Fußgängerzone das Zentrum der Veranstaltungen. Passanten können mit Aktiven der Telefonseelsorge Ingolstadt, der Cityseelsorge, dem Krisendienst Psychiatrie und anderen Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Das Motto lautet „Reden, Reden, Reden“, denn Reden könne Suizide verhindern, wie es in der Ankündigung heißt.
Außerdem gibt es einige Kunstaktionen zum Thema. Den ganzen Tag können Gebetsanliegen und Kerzen an den Altar der Moritzkirche gebracht werden. Ab 14 Uhr ist dann stille Anbetung in der Kirche möglich. Um 17.30 Uhr zelebriert Dekanat Bernhard Oswald einen Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention. Von 18.15 Uhr bis 21 Uhr stehen Cityseelsorger „Auf ein gutes Wort“ am Schliffelmarkt zu Gesprächen bereit. Um 18 Uhr beginnt in „Vroni´s Ratschhaus“ (Donaustraße 1) eine Gesprächsrunde mit Entscheidungsträgern und Fachleuten aus Bildung, Wissenschaft, Medien, Religion, Politik und Gesundheitswesen zum Thema „Suizidprävention in der Region“.
Ziel ist es herauszufinden, welche Angebote es bereits gibt und wo Vernetzungen und Verbesserungen nötig sind. Organisatorinnen sind Regine Morich und Nicole Fichtner von „Kulturbeutel“. Sein Kommen hat bereits Dr. Arno Drinkmann zugesagt. Er ist Professor für Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) und Sprecher der Arbeitsgruppe „Alte Menschen“ des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro). Außerdem kommen Vertreter verschiedener psychiatrischer Dienste, des Klinikums, der Telefonseelsorge, der Cityseelsorge und der Medien. Aufgrund der durch die Corona-Pandemie bedingten Auflagen sind zu dieser Podiumsdiskussion nur 80 Gäste zugelassen.
Drinkmann hat sich in mehreren Veröffentlichungen mit dem Thema Suizidalität insbesondere im Alter beschäftigt. Hohes Alter ist demnach ein gravierender Risikofaktor für die Neigung zur Selbsttötung. Mit zunehmendem Alter wächst auch die Wahrscheinlichkeit einer Heimunterbringung. Deshalb hat sich Drinkmann in einer aktuellen Studie mit der Anfälligkeit zum Suizid in Seniorenheimen beschäftigt. Er stellte fest, dass entgegen anderslautender Erwartungen die Suizidrate in Heimen nicht größer ist, als bei der vergleichbaren Bevölkerung außerhalb. Allerdings räumte er auch ein, dass es in den Heimen möglicherweise eine gewisse Dunkelziffer gibt, da nicht jede Selbsttötung als solche erkannt wird. Ein hochriskantes Zeitfenster ist jedoch die Aufnahme ins Heim. Viele Suizide ereignen sich in den ersten sechs Monaten nach Umzug in eine stationäre Einrichtung.
Deshalb nimmt in den Seniorenheimen des Caritasverbandes im Bistum Eichstätt die Suizidprävention einen hohen Stellenwert ein. Hedwig Kenkel ist im Caritasverband zuständig für die Seniorenheime. Sie erläutert, dass die Suizidprävention einen breiten Raum im Eingewöhnungskonzept für neu eingezogene Bewohnerinnen und Bewohner einnimmt. Dazu gehört, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses zunächst versuchen, die individuellen Bedürfnisse der neuen Bewohner kennenzulernen und drauf einzugehen. Ziel ist es, ihnen eine individuelle Lebensweise in der Einrichtung zu ermöglichen. Beispielsweise gibt es Menschen, die gerne jeden Abend ein Glas Wein trinken, oder die morgens gerne länger schlafen möchten. All das versuche man zu ermöglichen. Oft sind das nur Kleinigkeiten, die aber das Leben und das Eingewöhnen in der neuen Umgebung erleichtern und angenehmer gestalten. Vor allem signalisieren sie dem neuen Bewohner: Er oder sie ist willkommen. Für Hedwig Kenkel ist es dabei wichtig, dass dieses Konzept nicht nur „auf dem Papier steht“, sondern immer wieder mit Leben erfüllt wird, deshalb gibt es auch regelmäßig Austauschrunden und Rücksprache mit allen Beteiligten.
Ferner arbeiten die Seniorenheime des Bistums intensiv mit Fachkräften aus dem Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung. Insbesondere wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners verschlechtert und „der Lebensmut nachlässt“, käme, so Kenkel, bei manchen der Wunsch, „niemandem zur Last zu fallen“. Außerdem steige oft die Angst vor unerträglichen Schmerzen und Leid. „Hospizarbeit und Palliativversorgung sind auch Suizidprävention“, so Kenkel.
Bereits im Jahr 2003 hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen mit der „International Association for Suizide Prevention“ (IASP) den 10. September zum Welttag der Suizidprävention ausgerufen, um die Menschen weltweit auf die weitgehend verdrängte Problematik aufmerksam zu machen. Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Das sind mehr Opfer als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen. Weit mehr als 100.000 Menschen erleiden jedes Jahr den Verlust eines nahestehenden Menschen durch Suizid. Der 10. September ist aber auch ein Tag der Trauer und des Gedenkens an die durch Suizid Verstorbenen.
„Schau nicht weg. Hör hin!“ ist der Titel eines Videofilms, den die Stabsstelle Medien und Öffentlichkeitsarbeit des Bistums Eichstätt zum Thema „Suizidprävention“ produziert hat und der zum Welttag der Suizidprävention auf der Internetseite der Diözese gezeigt wird (www.bistum-eichstaett.de). Darin werden häufige Ursachen dafür genannt, dass sich Menschen selbst das Leben nehmen. Im Wesentlichen ist der Trickfilm jedoch ein Appell an alle Menschen, auf Signale zu achten, die auf einen Suizid hindeuten können. Auch werden Anlaufstellen genannt, an die sich jeder wenden kann, ob direkt oder indirekt betroffen: Allen voran die Telefonseelsorge der Katholischen und Evangelischen Kirche unter Tel. (0800) 1110111 und (0800) 1110222 oder das Telefon des Krisendienstes Psychiatrie (0180) 6553000. Nähere Hinweise auch unter www.bistum-eichstaett.de/lebensschutz.
Bild: Professor Dr. Arno Drinkmann. pde-Foto: Johannes Heim