Ein „Hotspot“ der Musik
Als die Musik ein Aushängeschild für die Landesuniversität in Ingolstadt war…
Theologie? Auf jeden Fall. Und Juristerei. Dazu noch Medizin. Und die Astronomen nicht zu vergessen. Wenn von der ersten bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt, die 1472 gegründet wurde, die Rede ist, dann stehen vor allem berühmte Theologen wie Petrus Canisius, Mathematiker wie Philipp Apian oder Physiker Christoph Scheiner im Mittelpunkt. Aber Musiker? Dabei war die Universität in Ingolstadt vor allem in der Renaissance ein echter „Hotspot“ der Musik, wie Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Iris Winkler betont.
Ein großer Förderer der Kunst, leidenschaftlicher Sammler und – heute würde man sagen – ein Musikfan war Herzog Albecht V. von Bayern. Er hatte an der Universität in Ingolstadt studiert und in München den musikalischen Superstar seiner Zeit, den Sänger und Komponisten Orlando di Lasso als Leiter der Hofkapelle engagiert. Dessen Werke wiederum wurden in Ingolstadt regelmäßig aufgeführt. „Moderne, zeitgenössische Musik ist von den jungen Herzögen gefördert worden,“ erklärt Prof. Dr. Iris Winkler, die die Geschichte von Universität und Stadt Ingolstadt aus „musikalischer Sicht“ erforscht, „Man war dabei viel experimentierfreudiger als heute. Es wurden zu Beispiel unzählige Instrumente benutzt.“ Das 16. Jahrhundert darf als die Blütezeit des Zusammenspiels zwischen Wissenschaft und (Musik)Kunst bezeichnet werden. „Ingolstadt war ein zentraler Ort für die Musik. Sie war fester Bestandteil der Universität, Aushängeschild und Botschafter.“
1580 schaffte man Chorbücher mit Werken von Orlando di Lasso für das herzögliche Georgianum an, von denen einige derzeit in der Sonderausstellung „Georgianum – ein Ingolstädter Bauwerk im Strom der Zeit“ im Ingolstädter Stadtmuseum zu sehen sind. Und dass damals wie heute nicht jeder Sänger, der die Werke eines großen Komponisten aufführen durfte (oder musste) mit den Noten glücklich war, zeigt eine Randnotiz, die auf einem der historischen Blätter erhalten ist. Ob es sich um eine Zierde der Musik handle, wurde vom Verfasser (auf lateinisch) bezweifelt.
Geistliche Werke erklangen seinerzeit im Ingolstädter Liebfrauenmünster, wo mit Raumklang und Akustik experimentiert wurde. Der Ingolstädter Organist und Komponist Leonard Waldeisen (gest. 1546) zählte dort zu den herausragenden musikalischen Persönlichkeiten. Aber Ingolstadt brachte noch weitere große Musiker und Komponisten hervor, etwa Gregor Aichinger. Er studierte ab 1578 in Ingolstadt, wobei er zuvor wohl als Sängerknabe ein Schüler Orlando di Lassos in München war. Durch seine Bekanntschaft mit dem ebenfalls in Ingolstadt studierenden Jakob Fugger, der ihn später zu seinem Hauskomponisten und Leiter seiner Kammermusik machte, kam er nach Italien, wurde einer der ersten Schüler des Komponisten Giovanni Gabrieli in Venedig und brachte so den italienischen Musikstil wieder zurück über die Alpen. Und auch der Komponist, Kapellmeister, Chorleiter, Organist, Musikpädagoge und Sänger Michael Tonsor (geb. um 1540/1546 in Ingolstadt, gest. um 1605/1607 ebenda) war Schüler Orlando di Lassos. Heute sind diese Namen nurmehr den Experten bekannt. Aber vielleicht lässt sich mit der Sanierung des Georgianums in Ingolstadt ja auch dessen Musikgeschichte wieder beleben.
Die Sonderausstellung „Georgianum – ein Ingolstädter Bauwerk im Strom der Zeit“ im Ingolstädter Stadtmuseum ist noch bis 10, März zu sehen. Mehr: www.ingolstadt.de/stadtmuseum
Fotos: Stadt Ingolstadt / Roessle