Millionen verplant und noch nichts gebaut
Zwei Großprojekte, die doch zusammen hängen: Die Generalsanierung des Stadttheaters und der Bau der Ausweichspielstätte (= Kammerspiele) waren Thema in der letzten Sitzung des Stadtrates vor der Sommerpause.
So hatte die SPD in einem Fragenkatalog wissen wollen, wann und warum die Planungen zur Generalsanierung des Stadttheaters abgebrochen wurden. Baureferent Gero Hoffmann, der erst im Februar sein Amt angetreten hatte und die Causa Stadttheater daher nicht „live“ miterlebt hat, erläuterte den Stadträten die „Aktenlage“. So seien die Sanierungsplanungen bis zu einem Teil des Vorentwurfs durchgeführt worden, dazu war eine Bestandsaufnahme gemacht worden und es seien Grundlagen ermittelt worden. „Die Planungen wurden 2015 abgebrochen, weil es nicht sinnvoll war, ohne Ausweichspielstätte weiter zu machen,“ so Hoffmann. Der Bau dieser Ausweichspielstätte, also der Kammerspiele, sollte vor die Sanierung gesetzt werden. Bis dahin sind 3,2 Millionen Euro an Planungskosten gezahlt worden. „Davon kann man nicht sehr viel wieder verwenden,“ so Hoffmann. Das liege zum Teil an neuen technischen Anforderungen und Normen und einer neuen Bauordnung: „Das ist leider der Preis, wenn man einen Planungsprozess länger unterbricht.“ Rund 600 000 Euro könnten noch anrechenbar sein, aber „es sind grob 2,7 Millionen Euro verloren.“
Wie viele Millionen bereits in die bereits erfolgte und dringendst notwendige Sanierung von Brandschutz, Sanitärbereich und Verwaltung geflossen sind, konnte Hoffmann nicht genau beziffern. Kulturreferent Gabriel Engert schätzte den Betrag auf 13 Millionen Euro.
Warum man nicht während des laufenden Theaterbetriebs sanieren kann, erklärte auf Anfrage von Hans Achhammer (CSU) INKoBau-Geschäftsführer Nicolai Fall: „Die wesentlichen Dinge, die saniert werden, sind die technische Gewerke. Das hat größere Eingriffe zur Folge.“ In der Sitzungsvorlage der Verwaltung heißt es dazu: „Aufgrund der Lärmbelastung, der notwendigen Altlastensanierung und der Staubentwicklung können die Mitarbeiter/innen gleichzeitig im Gebäude nicht arbeiten. Proben im musikalischen und schauspielerischen Bereich sind ausgeschlossen. Was abhängig vom finalen Sanierungskonzept untersucht werden kann ist, ob eine frühere Wiederinbetriebnahme eines Teils (z.B. Festsaal) möglich ist. Bisherige Untersuchungen auf Basis der historischen Sanierungsplanung sehen ein solches Szenario aus Kosten-/Nutzensicht kritisch.“ Jetzt sofort los zu legen, sei nicht sinnvoll: „Basis für die Theatersanierung muss eine qualitativ hochwertige und kollisionsfreie Ausführungsplanung für die Gesamtmaßnahme sein. Eine solche Planung braucht entsprechend Zeit, diese sollten wir uns nehmen. Einzelne Maßnahmen vorzuziehen wäre nicht wirtschaftlich.“
2,7 Millionen Euro in die Luft zu schießen, sei ziemlich viel, meinte Quirin Witty (SPD) und sein Parteikollege Christian De Lapuente merkte an: „Seit 20 Jahren ist uns bewusst, dass das Stadttheater eine Sanierung braucht. Jetzt würden wir mit einer Ausweichspielstätte weiter kommen. Also lasst uns die Ausweichspielstätte bauen, damit die Sanierung beginnen kann!“
Von Nebelkerzen und Murmeltieren – die Kammerspiele-Diskussion
Und damit war man dann auch beim Thema Ausweichspielstätte. Hier erinnerte OB Christian Scharpf daran, dass 2017 der Bau der Kammerspiele und der Standort beschlossen worden waren. Der einstimmige Beschluss habe gelautet, im Umfeld des Stadttheaters einen Standort zu suchen, so Scharpf: „Auch damals war der Stadtrat nicht auf den Kopf gefallen und hatte sich das gut überlegt. Dann ist es zu dem unglücklichen Begriff Kammerspiele gekommen.“ Die sogenannten Kammerspiele sind zum einen der Ersatz für das Kleine Haus, das künftig nicht mehr genutzt werden kann, zum anderen sollen sie als Ausweichspielstätte während der Theatersanierung dienen und auch noch die dringend benötigten zusätzlichen Kapazitäten für das Junge Theater bereit stellen. Seit den Beschlüssen seien laut Scharpf rund 3,3 Millionen Euro an Planungskosten angefallen, dazu kommen zusätzlich 600 000 Euro für die Überprüfung des Klenzeparks als Alternativstandort. Die Stadt hat also knapp 4 Millionen Euro ausgegeben, ohne dass auch nur ein Schräubchen bewegt worden ist. „Meine Bitte wäre, dass wir dieses Jahr den Deckel drauf machen!“ appellierte der OB an die Stadträte. Die Vorschläge zu Alternativstandorten nannte er abenteuerlich („Wir verbraten Millionen für verlorene Planungskosten“) und meinte: „Wenn es keine Mehrheit für die Kammerspiele gibt, dann gibt’s halt keine. Dann kostet uns ein Zelt etliche Millionen, für das wir auch keine Zuschüsse bekommen.“ Das Theaterspielen in Ingolstadt für mehrere Jahre komplett einzustellen, sei für ihn keine Option.
Beschlossen wurde in dieser Sitzung des Stadtrats ohnehin weder ein Planungsstopp noch eine Planungsänderung, denn es ist vorgesehen, dass durch die INKoBau u.a. „Ergebnisse eines neu erstellten geotechnisch-hydrogeologischen Gutachtens in die Planungen einfließen. Im Rahmen des Gutachtens werden die Schwerpunktthemen Boden, Grundwasser und Donau-Hochwasser untersucht und thematisiert.“ Im Dezember erst soll dann die endgültige Entscheidung fallen, ob das Projekt Kammerspiele am dafür vorgesehenen Standort weiter verfolgt wird. „Wir müssen uns auf Daten und Fakten verlassen, die uns im Dezember vorgelegt werden. Lassen wir Herrn Fall noch vier Monate Zeit, um die Daten zu liefern,“ meinte dazu Sepp Mißlbeck (UWG). Trotzdem ergab sich eine Grundsatzdiskussion.
Alfred Grob (CSU) erklärte, es gäbe Vorbehalte gegen die Grundierung und Fragen zu geologischem Untergrund und der Statik: „Im November haben wir das noch nicht gewusst. Wir wollen nicht in ein Projekt rein laufen, das unkalkulierbare Risiken aufweist.“ Nicolai Fall habe nun alle Fäden in der Hand.
Raimund Köstler (ÖDP) warf die Frage auf, was man im Dezember mache, wenn das Projekt keine Zustimmung finde: „Wie lange wollen wir warten, um Alternativen ernsthaft in Betracht zu ziehen? Für uns ist es nicht richtig, nur drauf zu hoffen, dass die Zahl im Dezember niedrig ausfällt. Wir würden gerne nebenbei über Alternativen nachdenken.“
Hans Stachel (FW) erklärte ebenfalls, dass man andere Standorte in Erwägung ziehen müsse: „Es kann nicht sein, dass wir wieder bei Null da stehen, wir dürfen nicht alternativlos sein.“ Planungen seien keine verlorenen Kosten: „Wir wollten belastbare Zahlen und haben uns für ausführliche Prüfung des Standorts entschieden.“ Dabei sollte man auch die Stimmung in der Bürgerschaft nicht unbeachtet lassen.
OB Scharpf mahnte an, dass es an geeigneten Grundstücken mangele und es der Stadt am Ende wie bei der Mittelschule im Augraben ergehen könne.
„Erstaunlich, was hier für Nebelkerzen geworfen werden,“ meinte Barbara Leininger (Grüne). Man solle sich wieder darauf besinnen, dass man eine Ersatzspielstätte brauche, die für die Jugend- und Bildungsarbeit notwendig sei.
Manfred Schuhmann (SOD) fand es gar erschütternd, dass es jetzt heißt: „brauchts des überhaupt?“. Es gehe auch um die Werkstätten des Stadttheaters. 2017 habe der Stadtrat die einhellige Meinung vertreten, dass der Bau im Umfeld des Stadttheaters errichtet werden soll. Mit Blick auf die FW erklärte er, es sei „unverfroren von der Stimmung in der Bürgerschaft zu reden. Wer hat die Stimmung erzeugt? Die freien Wähler. Machen sie nicht weiter Stimmung gegen die Kammerspiele!“
Jakob Schäuble (FDP) nannte die Diskussion absurd. Der beschlossene Standort biete aus Sicht der Stadtentwicklung großes Potential: „Wir stärken die Innenstadt, bilden einen Platz, bekommen den dringend nötigen Ersatz für das kleine Haus.“ Für ihn seien die Kammerspiele ein integraler Teil der Bildungslandschaft in Ingolstadt.
Christian Pauling (Linke) gab Alfred Grob, Raimund Köstler und Hans Stachel racht: „Wir brauchen einen Plan B. Ich warne davor, die Kosten runter zu rechnen und dann die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen.“
Christian Höbusch (Grüne) bat schließlich die FW, die Bäume von ihrem „Strickzeug“ zu befreien und bot sich selbst als Helfer an.
Christian Lange (UWG) erklärte, damals den Standort mit beschlossen und verfochten zu haben. Er kritisierte, dass, alle jetzt die bedenken vortragen würden, als Gegner der Kammerspiele dargestellt würden: „Wir sind dagegen, ein unkalkulierbares Risiko einzugehen.“
Matthias Schickel (CSU) kam sich langsam vor wie in einem Kasperltheater oder bei „Täglich grüßt das Murmeltier“. Er war dankbar für das, was Barbara Leiniger gesagt hatte: „Die Ersatzspielstätte ist eine Bildungschance für unsere Kinder und Jugendlichen. Wir sollten endlich aufhören, Schulen, Kindergärten und diese Ersatzspielstätte gegeneinander auszuspielen, das gehört untrennbar zusammen.“
Letztendlich bemerkte Kulturreferent Gabriel Engert, dass es kein Bauvorhaben gab, das so intensiv geprüft wurde wie die Kammerspiele. Nun andere Standorte zu prüfen hieße, oberflächlich zu prüfen und dann fest zustellen, dass es nicht geht oder weitere Millionen für Prüfungen auszugeben. „Es erschließt sich mir nicht, was wir im Klenzepark erneut prüfen sollen“, so Engert.