OB Scharpf: Gegenseitige populistische Angriffe herunterfahren
Oberbürgermeister Christian Scharpf hat sich mit einem persönlichen Schreiben zum Thema Haushaltskonsolidierung an die Stadträte und Stadträtinnen gewandt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat,
nachdem der Pulverdampf im Nachgang zur letzten Sitzung des Konsolidierungsrates verflogen ist, möchte ich gerne auf diesem Wege ein paar kritische Anmerkungen zur Debatte um die Haushaltskonsolidierung machen.
Ingolstadt hat ja in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit Haushaltskonsolidierungen gesammelt. Im Jahr 2004 sprach der Donaukurier (30.07.2004) von einem „Kraftakt des Stadtrats ohne Beispiel“. Dabei hatte das Sparpaket damals gerade einmal einen Umfang von sechs Millionen Euro, wovon über fünf Millionen auf Steuererhöhungen, Gebührenerhöhungen und Grundstücksverkäufe entfielen. Soweit zur aktuellen Kritik der Protagonisten von damals, die Grundsteuer maßvoll anzuheben und eine Zweitwohnungssteuer einzuführen.
Von diesen sechs Millionen waren nicht einmal eine Million Euro „echte“ Einsparungen, die man mühsam – größtenteils mit Kleinstbeträgen – zusammen gekratzt hatte, zum Beispiel 10.400 Euro durch die Absenkung eines Fördersatzes im Sportbereich, 1.000 Euro für die Absenkung einer Dotierung für Diplompreise, 7.900 Euro für die Einstellung einer Zuwendung an das Difu und so fort.
Soweit zum aktuellen Vorwurf, das Rathaus „verliere sich im Klein-Klein“.
Bei den Steuererhöhungen wurde damals nicht gekleckert, sondern geklotzt. OB Dr. Alfred Lehmann und Finanzbürgermeister Albert Wittmann hatten dem Stadtrat eine Erhöhung der Hundesteuer und eine satte Erhöhung der Grundsteuer vorgeschlagen, bei der Grundsteuer B sogar eine Erhöhung des Hebesatzes von 100 (!) Punkten von 350 auf 450. Das war der CSU aber noch zu wenig: Sie beantragte in einem Änderungsantrag eine weitergehende Erhöhung auf 460 Punkte, die dann ausweislich des Sitzungsprotokolls auch so beschlossen worden ist. Im Übrigen u.a. mit der Stimme der Vertreterin der FDP und gegen die Stimmen der SPD. Ironie der Geschichte: Im Jahr 2010 hat die SPD eine Steuersenkung bei der Grundsteuer B beantragt, die von der damaligen Stadtratsmehrheit in der Sitzung am 02.12.2010 wiederum abgelehnt worden ist.
Gerade diejenigen, die die letzte Konsolidierung mit weit über 80% aus Steuer- und Einnahmeerhöhungen bestritten haben, sind heute am lautesten dagegen, was ich durchaus bemerkenswert finde.
Im Übrigen: Von den acht bayerischen Großstädten liegt Ingolstadt bei der Grundsteuer B auf Platz sechs und weist mittlerweile einen vergleichsweise niedrigen Steuersatz auf, denn seit 17 Jahren hat es keine Erhöhungen mehr gegeben. Selbst bei einer Erhöhung von 460 auf 500 Punkten würden wir lediglich auf Platz fünf vorrücken. Das Finanzreferat wird im nächsten Konsolidierungsrat eine detaillierte Darstellung liefern, die die möglichen Auswirkungen auf die Miethöhen in verschiedenen Wohnsegmenten aufzeigt. Sie bewegen sich bei einer durchschnittlichen Wohnung im einstelligen Eurobereich.
„Sparen heißt Verzichten“ ist eine oft bemühte Weisheit in der aktuellen Debatte. Es passt dann allerdings nicht zusammen, wenn diejenigen, die Verzicht fordern, gleichzeitig Anträge stellen, die auf weitere Ausgabensteigerungen ausgerichtet sind, und selber keinen einzigen Einsparungsvorschlag unterbreiten.
Wir haben im Moment aufgrund der eingebrochenen Steuereinnahmen vor allem ein Einnahmenproblem. Wir haben nur bedingt ein Ausgabenproblem, denn unsere Stadt wird weiter wachsen, und die Investitionen, vor allem im Schul- und Bildungsbereich, müssen weitergehen. Auch wenn sich gerade im Bereich der Gewerbesteuer die Situation über kurz oder lang wieder deutlich verbessern wird, werden wir für Investitionen mit Sicherheit nicht um eine Verschuldung herumkommen. Beim Straßenbau können wir manches strecken oder vielleicht das eine oder andere streichen; das schauen wir uns in der nächsten Sitzung näher an. Bei den freiwilligen Leistungen im weiteren Sinn werden sich allerdings immer Differenzen ergeben, denn was für eine Partei auch in Zeiten eines angespannten Haushalts politisch unbedingt sinnvoll erscheint, hält eine andere Partei für einsparenswert – und umgekehrt.
Beim Personal in der Stadtverwaltung hatten wir im letzten Jahr an vielen Stellen Nachholbedarf. Ich meine, dass wir dieses Jahr nur die wirklich notwendigen Stellenmehrungen beschließen sollten. Von den dieses Jahr knapp 100 angemeldeten neuen Stellen hat das Referat I bereits 50% gestrichen. Wie in der Informationsveranstaltung am Mittwoch hoffentlich deutlich geworden ist, sind von den 68 vom Personalreferenten zugestandenen Stellen nur 50 echte neue Stellen, denn 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen teilweise bereits seit vielen Jahren auf ihren Stellen, ohne dass diese im Stellenplan hinterlegt sind.
Bis 2025 fallen 41 KW-Stellen konsequent weg. Was angegangen werden muss ist das Projekt Aufgabenkritik und Prozessoptimierung in der Stadtverwaltung. Nach einigen Monaten der Vakanz ist nunmehr die Leitung der Organisationsentwicklung endlich wieder besetzt, so dass wir im Herbst damit starten können.
Ich bin in der jetzigen Situation für einen finanzpolitischen Dreiklang:
1. Ausgaben fest im Blick behalten und wo immer möglich reduzieren
2. Einnahmen verbessern durch eine maßvolle Anpassung der Steuern und Gebühren
3. Weiter in die Zukunft investieren unter Inkaufnahme einer vorübergehenden Verschuldung.
Ich appelliere an Sie und Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Weg in dieser wirtschaftlich nicht leichten Situation mitzutragen. Auch wenn einige Parteien anderer Auffassung sind, dürfte es für die Sache hilfreich sein, die gegenseitigen populistischen Angriffe herunterzufahren. Und abschließend möchte ich nicht versäumen, den ehemaligen Finanzbürgermeister zu zitieren: „Es steht jeder Fraktion frei, Einsparungsvorschläge vorzulegen.“ (FPA vom 15.07.2004).
Mit besten Grüßen
Christian Scharpf