Aufgefangen werden, wenn das Leben zerbricht
„Etwas endet. Und wenn eine Tür zu geht, geht eine neue auf. Das Problem ist nur, ich kann etwas Gutes oder etwas Schlechtes daraus lernen,“ erklärt Sozialpädagoge und Familientherapeut Christian Zech. Er hat vor eineinhalb Jahren in Ingolstadt die Selbsthilfegruppe „Männer in Trennung“ ins Leben gerufen, die durch ihn professionell betreut wird. Der Anstoß dazu kam von der Leiterin der Ingolstädter Gleichstellungsstelle, Anja Assenbaum, die gerade bei Hilfsangeboten für Männer ein Defizit sieht.
Wer kommt in die Gruppe? Männer, denen es nach einer Trennung oder auch in einem Trennungsprozess einfach schlecht geht. Sie haben das Gefühl, dass das Leben gerade zerbricht und nicht selten stellten sich laut Christian Zech die Männer die Frage des Warum. Zusammen mit der Partnerin habe man sich ein Leben aufgebaut, die Kinder groß gezogen, ein Haus gebaut und nun soll alles vorbei sein? Vor allem Männer über 50 würden mit dieser Problematik konfrontiert. Und natürlich spielen auch die Kinder eine wichtige Rolle: „Und hier trifft‘s meistens die falschen,“ erklärt Zech. Gerade die Väter, die sich intensiv um die Kinder gekümmert haben, hätten es im Jugendamt oder vor Gericht schwer. Hier herrsche scheinbar immer noch das Grunddenken vor, dass das Kind zur Mutter gehöre. Trauer, Verzweiflung, Wut – die Gefühle, die eine Trennung verursacht, sind vielfältig. „Es tut gerade in Trennungssituationen gut, zu erfahren, dass es auch anderen mal richtig beschissen ging und auch bei anderen regelmäßig ab 3 Uhr nicht mehr an Schlaf zu denken war,“ so der Therapeut. Und die Erkenntnis, dass das irgendwann wieder vorbei ist, sei für die Männer in der Gruppe ein großer Gewinn.
„Wichtig ist mir, dass man schon mal über eine einzelne Ex-Partnerin schimpfen darf,“ meint Christian Zech. Wenn aber über Partnerinnen generell geschimpft wird, dann grätscht er dazwischen: „Ein Sinn der Gruppe ist es, die Männer aufzufangen und etwas Positives daraus zu lernen, damit sie das nicht wiederholen müssen oder sogar Hass auf Frauen entwickeln. Wenn ich das Gefühl habe, meine Frau ist daran Schuld, dass mein Haus weg ist, dass ich meine Kinder nicht mehr sehe oder sie hat mich betrogen, dann kann ohne therapeutische Begleitung ein genereller Hass entstehen, denn die Gefühle müssen irgendwo hin.“ Ja, in der Gruppe können die Gefühle raus – aber irgendwann macht es Sinn, zu ergründen, was wirklich schief lief. Nach etwa einem Jahr gelingt es in der Regel, auf den Trennungsprozess zurück zu blicken und auch die eigene Beteiligung oder eben Nicht-Beteiligung zu analysieren.
Bei etwa einem Drittel der Männer stellt Christian Zech fest, dass sie Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt wurden: „Ein Mann wurde regelmäßig eine halbe Stunde lang zusammen geschrien und das in Anwesenheit seiner erwachsenen Kinder.“ Betroffene und Hilfesysteme denken erst einmal nicht daran, dass auch Männer Opfer sein können, so Zech. Bei Gewalt gegen Frauen gäbe es klare Definitionen von partnerschaftlicher Gewalt – da gilt die gleiche Definition – es ist nur nicht bewusst: „Männer checken das lange Zeit erstmal nicht,“ so Zech. Und zuzugeben, dass es einem nicht gut geht – das fällt der Mehrheit der Männer schwer. Gerade in höheren Altersklassen würde nach Erfahrung von Christian Zech immer noch das Bild vom „Macher“, der alles schafft, vorherrschen. Ein Scheitern, indem man zum Beispiel die eigene Frau nicht halten konnte, passe da nicht ins Bild. Und vom Umfeld würden die Männer größtenteils auch kein Verständnis erwarten: „Die Männer sind eher überrascht, wenn der Arbeitskollege sagt: ‚Du, kenn ich. Brauch ma nicht reden. Mach einfach mal langsam.‘“ Aber es gäbe auch diejenigen, die auf völliges Unverständnis stoßen. Und so fänden vor allem diejenigen in die Selbsthilfegruppe, die es bereits geschafft haben, eine erste Hemmschwelle zu überwinden und merken, so geht’s nicht weiter.
In der Gruppe geht es darum, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. „Ich biete keine Rechtsberatung“, betont der Gruppenleiter. Vier, fünf Mitglieder bilden den „harten Kern“, aus dem laut Christian Zech auch immer wieder positive Rückmeldungen kommen, wie gut der Austausch tut. Und sie freuen sich schon darauf, sich wieder „analog“ und am besten am Lagerfeuer zu treffen. Wann das möglich ist, liegt – nicht überraschend – an den aktuellen Corona-Regelungen. „Die Gruppe ist offen für Männer in jeder Trennungssituation, auch, wenn sie um ihre Beziehung kämpfen oder sie selbst beendet haben,“ erklärt der Familientherapeut.
Informationen zur Gruppe „Männer in Trennung“ finden Sie online unter www.rundummensch.de.
Unterstützer sind ebenfalls herzlich willkommen, denn die Finanzierung des Projekts wird in Kürze auslaufen.