FU Frühstücksdialog: Eine Meinung haben und sie auch vertreten
Eine „hybride Premiere“ war dieser 13. Frühstückdialog der Ingolstädter Frauen Union. Auf das (beliebte und äußerst schmackhafte) Frühstück musste aus bekannten Gründen verzichtet werden und so verfolgten die Gäste von ihren Heim-Computern die Veranstaltung. Gerne auch mal wie Alfred Grob mit Kaffeetasse.
Tanja Stumpf, Kreisvorsitzende der Frauen Union Ingolstadt, begrüßte die die Zuschauer und kritisierte das übertriebene, aktuell diskutierte „Gendern“ als ein Verbiegen den Sprache. „Wenn ich jetzt als Elter bezeichnet werde, fühle ich mich als Frau diskriminiert,“ meinte sie. Der Internationale Frauentag sein ein Anlass, um für neuen Schub auf der Reise zur Gleichberechtigung zu sorgen. Und da seien die Frauen selbst gefragt: „Wir dürfen nicht darauf warten, wach geküsst zu werden.“
„Ihr habt drei Ermutiger eingeladen,“ erklärte der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl mit Blick auf die Diskussionsteilnehmerinnen und Alfred Grob, Landtagsabgeordneter und Ingolstädter CSU Kreisvorsitzender, zollte den Frauen Respekt für die Arbeit in der Politik, in Gesellschaft und Familie. Frauen hätten zudem die Mehrfachbelastungen in der Pandemie gemeistert. Sorge bereite ihm der niedrige Frauenanteil in Führungspositionen, auch im Staat. Und der langjährige Leiter der Ingolstädter Kripo erinnerte an die Zulassung von Frauen zum Polizeidienst vor 30 Jahren. Seine Frau sei damals eine der ersten Polizistinnen gewesen: „Viele Männer waren kritisch.“ Aber Frauen seien eine Bereicherung für die Polizei: “Sie stehen ihren Mann Tag für Tag, haben das Niveau nach oben gehoben und sind kooperativer und situativer im Führungsstil.“ In der Politik müsste Frauen weiter gefördert werden. Als Beispiel politisches Engagement nannte Grob Centa Sauermann, der er vor Kurzem zum 100. Geburtstag gratulieren durfte und die das letzte noch lebende Gründungsmitglied der CSU Ingolstadt ist.
An die Grußworte schloss sich die Diskussion an – moderiert von Stadträtin Patricia Klein. Sie stellte die Teilnehmerinnen vor.
Maria Weber ist seit Mai 2020 Bürgermeisterin von Stammham. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, hat sie sich u.a. an der Gründung des JU Ortsverbands beteiligt und die Lehrerin wurde mit 60 % der Stimmen zu Stammhams erster weiblicher Rathauschefin gewählt. Ihr sei das gesellschaftliche Engagement in die Wiege gelegt worden, erklärte Maria Weber. Ihre Mutter war die erste weibliche Gemeinderätin im Ort und immer ein Vorbild, wie sie als Mutter von drei Kindern die Milchwirtschaft betrieben hat und politisch aktiv war. „Sie hat das als Bereicherung gesehen, nicht als Belastung.“ Und so sei sie immer politisch interessiert gewesen, meinte Maria Weber. Aber als sie in der 13. Klasse nach Passau zum politischen Aschermittwoch gefahren ist, hätte das beinahe ein Ende ihrer politischen Ambitionen bedeutet: „Es standen gefühlt tausend alte Männer mit jeweils drei Maß Bier vor der Halle. Das war schlimm! Zuhause hab ich gesagt: zur CSU geh ich mal nicht!“ Es kam trotzdem anders: „Ich bereue es nicht, zur CSU gegangen zu sein,“ erklärt sie heute.
Kathrin Alte ist seit der Kommunalwahl Bürgermeisterin von Anzing. Aufgewachsen in Oberfranken wurde sie Kreisrätin in Kronach, mit Mitte 20 wurde die Politik für die Journalistin zum Hauptberuf. Sie arbeitete u.a. als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Inspiriert wird und wurde die zweifache Mutter von Ilse Aigner, Christa Stewens und ihrer Oma. Letztere habe sie mit ihrer Lebensgeschichte als zweifache Kriegswitwe, die ihre Kinder alleine groß zog, beeindruckt. „Sie hat nie auf staatliche Unterstützung zurück gegriffen und uns immer mitgegeben: Verlasst euch nicht auf andere.“ Christa Stewens habe sie mit ihrer freundlichen, aber resoluten Art beeindruckt – gerade beim „Afräumen“ in der Fraktion nach der Verwandtenaffäre. Und über Ilse Aigner sagte Alte, dass kaum jemand mit so viel Herz Politik mache und das Arbeitstier Aigner für alle ein Vorbild sei.
Zu Ingolstadt allerdings hat Kathrin Alte eine „zwiespältige“ Beziehung. Als sie 2008 für den Landtag kandidierte ist sie in der Nacht oft auf der A9 bei Ingolstadt geblitzt worden. Sagenhafte 17 Punkte standen zum Schluss zu Buche. „Mich reißt es jedes mal, wenn ich an diesem Schild vorbei fahre,“ schmunzelte sie. Aber sie habe durch verschiedene Wahlkämpfen auch viele tolle Erinnerungen an Ingolstadt.
Dr. Dorothea Deneke-Stoll ist zweite Bürgermeisterin der Stadt Ingolstadt. Die gebürtige Wiesbadenerin ist in Nürnberg aufgewachsen und seit 1988 Ingolstädterin. Die fünffache Mutter, studierte Juristin und Richterin war Präsidentin der evangelischen Landessynode, Direktorin am Amtsgericht, musste eine Krebserkrankung und den frühen Tod eines Sohnes verkraften. Sie ist Trägerin des Bayerischen Verdienstordens für Verdienste um die evangelische Landessynode. „Das macht einen wahnsinnig stolz,“ meinte sie, „Ich habe aber auch verstanden, dass ich stellvertretend für die Ehrenamtlichen in der Kirche ausgezeichnet wurde.“ Als sie sich nach der Erziehungszeit Anfang der 1990er Jahre eine Stelle mit einer Kollegin in der Strafabteilung am Amtsgericht Ingolstadt teilte, seien die männlichen Kollegen erst mal skeptisch gewesen. „Aber wir haben das gut gemeistert. Und jetzt ist es in der Justiz so, dass es mehr Richterinnen als Richter gibt, bei den Direktorinnen und Präsidentinnen ist noch Nachholbedarf.“
Patricia Klein stellte nun die Fragen in die Runde, etwa ob die Bürgermeisterinnen selbst erfahren hätten, als Frauen anders behandelt worden zu sein.
Dorothea Deneke-Stoll berichtete davon, dass z.B. bei einer Landessynode schon mal die Frage gestellt wurde: was machst du während dieser zeit mit deinen Kindern? „Ein Mann wäre das nie gefragt worden,“ meinte sie. Maria Weber erzählte, dass sie bei der CSU keine Nachteile erfahren und immer viel Glück gehabt habe. Aber die Männer würden nach wie vor wenn Frauen in Sitzungen zu reden beginnen, die Augen verdrehen. Und vor Kurzem ist ihr bei einem Termin mit ausschließlich männlichen Bürgermeisterkollegen aufgefallen, dass alle Erklärungen nur an sie gerichtet worden waren – nach dem Motto: „Frau Weber, ich weiß nicht, ob Sie das wissen…“ Das fand sie schäbig.
Kathrin Alte berichtete von einem Erlebnis bei einer Aufsichtsratssitzung, bei der sie einer Frau auf dem Flur begegnet war und die sie fragte: „Sie sind doch die neeue Bürgermeisterin von Anzing – haben Sie kein Businesskostüm im Schrank?!“ Kein Mann würde darauf angesprochen, was er an zieht. „Und gerade auf dem Land laufen wir eben auch mit Gummistiefeln rum,“ so Alte. Frauen würden kritischer gesehen, auch wenn sie älter werden. Eine Kollegin von den Grünen sei sogar von manchen Leuten nicht mehr gewählt worden, weil sie wo wenig lächelt. Das werde man nicht auf die Schnelle ändern können, so Alte. Aber die Hoffnung liegt auf den nachfolgenden Generationen.
Patricia Klein stellte dann die „Gretchenfrage“: Wie steht ihr zur Frauenquote?
Maria Weber meinte, man brauchen keine Frauenquote, weil man damit an dem Selbstverständnis der Frauen nichts ändert. Den Frauen müsste man manchmal selbst ein Duckmäuser Verhalten ankreiden. Das müsse sich ändern.
Kathrin Alte war früher gegen de Quote: „Aber mit Blick auf den letzten Parteitag hilft sie vielleicht.“ Sie sieht die Quote vorübergehende Lösung: „Wir brauchen die Quote befristet als Hilfsmittel.“ Im Übrigen auch im „Männerverein“ Katholische Kirche.
Dorothena Deneke-Stoll meinte, es gäb Orte, da macht es Sinn, etwa in Aufsichtsräten großer Unternehmen und auch in den Vorständen. „In der Politik bin ich skeptisch, keine möchte eine Quotenfrau sein, aber man muss auch das Signal bekommen, in der Politik gewollt zu sein.“ Sie plädiert für einen sanften Zwang anstelle einer Verordnung: „Es ist schon viel Bewegung rein gekommen, aber nur 13 Frauen im Stadtrat, das ist nicht die Welt, da müssten auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden.“
Alte und Weber stellten anschließend das neuee Projekt Frauen in der Kommunalpolitik der CSU Oberbayern vor. Ausschlaggebend für diese Initiative war das schlechte Ergebnis der Frauen bei Kommunal- und Landtagswahlen. Jetzt sei es wichtig, die Frauen zu vernetzen und Handlungsempfehlungen abzugeben. „Das Image von der CSU stimmt nicht für junge Frauen,“ erklärte Kathrin Alte: „Warum sehen sich viele junge Frauen eher bei den Grünen als bei der CSU? Wie schaffen wir es als Partei für junge Frauen attraktiv zu sein? An der Thematik müssen wir arbeiten.“ Und Deneke-Stoll betonte, wie wichtig Vorbilder seien. Aber man müsse auch das Bewusstsein in der Partei fördern: „Wenn eine junge Frau zur Versammlung geht, muss sie sich ernst genommen fühlen.“
Was würden Sie also Frauen, die in die Politik einstiegen, raten?
„Eine Meinung haben und sie auch vertreten,“ antwortete Kathrin Alte. „Politik ist ein hartes Geschäft. Frauen fällt es manchmal schwerer, das auszuhalten, aber man muss damit umgehen können.“ Es gebe eben nicht nur nette Frühstücksdialoge. Der Schlüssel zum Erfolg laute:“ Bleib Du selbst.“ Dem stimmte auch Maria Weber zu: „Man muss nicht zu allem was sagen, aber man muss sich trauen, den Mund aufzumachen.“ Und Dorothea Deneke-Stoll ergänzte: „Man mss authentisch sein und Durststrecken aushalten.“
In Sachen „Führungsstil im Amt“ berichteten die Drei Bürgermeisterinnen von positiven Erfahrungen mit den Mitarbeitern, auch weil Frauen mehr Rücksicht auf die familiären Belange der Mitarbeiter nähmen. Und: „Am Anfang habe ich von den Mitarbeitern mehr gelernt, als sie von mir,“ erklärte Dorothea Deneke-Stoll.
Patricia Klein sprach ein FU Positionspapier an, in dem es heißt, dass Corona keine Rolle rückwärts in der Gleichberechtigung verursachen dürfe. „Wir wissen noch nicht genau, ob es eine Rolle rückwärts ist,“ so Dorothea Deneke-Stoll. In Sachen Homeoffice könnten sich auch Chancen ergeben. Digitale Sitzungen sieht Maria Weber als Chance und Kathrin Alte meinte, man müsse jetzt auf die Frauen aufpassen, denn gerade sie seien von Arbeitslosigkeit betroffen.
Anschließend stand auch das Thema Nachhaltigkeit mit Blick auf die Landwirtschaft zur Debatte. „Es gibt hier viele Fehlinformationen,“ beklagte Maria Weber. Sie lobte den Einsatz der Landwirte für den Umweltschutz: „Ein Landwirt hat ja nicht das Ziel, den Boden auszubeuten.“ Sie störe es, dass so viele Leute, die den Umweltschutz jetzt entdeckt hätten, etwas anderes leben würden. Und es gäbe weniger Probleme, wenn mehr regional und saisonal eingekauft würde. Ihr liege das Thema am Herzen, so Dorotha Deneke-Stoll: „Man muss auch den eigenen Lebensstil berücksichtigen. Jeder ist gefragt, auch bei der Mobilität. Wir leben in einer Stadt, die durch das Auto geprägt ist, aber müssen andere Mobilitätsformen fördern.“ Kathrin Alte berichtete aus ihrem politischen Alltag. Während die Grünen im Ort eine Petition für mehr Radwege gestartet hätten, ohne Konkretes auszusagen, habe man in der Gemeinde einfach mit dem Bau der Radwege begonnen. Außerdem suche man kontinuierlich lokale Konzepte bei der Energiegewinnung.
Schließlich kam auch das Thema Glaube und insbesondere die Initiative „Maria 2.0“, die in der katholischen Kirche für gleiche Recht für Frauen kämpft, zur Sprache. „Ich kann mich damit identifizieren,“ erklärte Maria Weber. Die Kirche hätte auch keine Personalprobleme, wenn Frauen zu den Ämtern zugelassen würden. Ingolstadts zweite Bürgermeisterin und engagierte Protestantin Dorothea Deneke-Stoll meinte, sie würde es nie wagen, der katholischen Kirche Ratsschläge zu geben. Und wenn doch, dann habe sie diese Botschaft: „Wir haben ja schon lange Pfarrerinnen, das hat sich bewährt.“ Kathrin Alte bedauerte, dass durch den Umgang mit Themen wie Maria 2.0. viel kaputt gemacht würde. Sie sieht einen Bedeutungsverlust für die Kirche: „Ich bin mit meinen 42 Jahren die jüngste im Sonntagsgottesdienst. Wie sieht das in zehn, zwanzig Jahren aus? Frauen tragen diese Kirche. Es macht mich betroffen, wie damit umgegangen wird.“
Zum Schluss gab es von den Damen ein Großes Lob für das Engagement von Reinhard Brandl und eine kleine persönliche Fragerunde führte noch zu einer erfreulichen Erkenntnis: „Kennen Sie einen männlichen Feministen?“ lautete die Frage, die Dorothea Deneke-Stoll zugelost wurde. Ihre Antwort: „Ja, meinen Mann“.