Dramatische Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Ingolstadt
Frauen verdienen im deutschlandweiten Durchschnitt 19 Prozent weniger als Männer. Aber in Ingolstadt ist diese Lohnlücke – genannt Gender Pay Gap – weitaus dramatischer: Da liegt der Unterschied bei fast 40 Prozent! Tendenz steigend. Mit dem Equal Pay Day wird der Tag errechnet, ab dem auch Frauen voll verdienen, während Männer bereits ab 1. Januar das volle Einkommen beziehen. Dieses Jahr findet dieser Equal Pay Day am 10.März statt. Immerhin weine Woche früher als noch 2020. Aber: „Wenn es nur einen Ingolstädter Equal Pay Day gäbe, dann würde der um den 23. Mai stattfinden,“ erklärt Anja Assenbaum (Gleichstellungsstelle der Stadt Ingolstadt). Die Jobs in Führungspositionen in Ingolstadt – sie liegen in männlich dominierten Branchen und Unternehmen wie Audi, Media Saturn oder auch der Bundeswehr.
Von der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 und den regelmäßigen Anpassungen seitdem profitieren vor allem Frauen im gering bezahlten Dienstleistungssektor. Am 6. Juli 2017 wurde das Entgelttransparenzgesetzes einführt. Das Gesetz verbietet bei gleicher und gleichwertiger Arbeit ausdrücklich die unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung auf Grund des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen. Dies stellt eine Ergänzung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar. Allerdings besteht kein Verbandsklagerecht, wodurch Frauen sich oftmals scheuen ihr Recht auf gleiche Bezahlung auch einzuklagen. Zudem gilt das Gesetz nur für Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern.
Seit 2019 zudem das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit im Gesetz verankert wurde, sank das Risiko, dass Frauen nach Ende einer Familienphase nicht mehr ihre Stunden erhöhen können und in einer Teilzeit- oder Minijobfalle festhängen. Aktuell arbeiten immer noch 47 Prozent der Frauen in Teilzeitstellen und drei von vier Minijobs werden von Frauen ausgeübt. Dies führt nicht nur zu einem geringeren Einkommen, sondern auch zu weniger Rente im Alter. Veränderungen im Elternzeitgesetz, Einführung von ElterngeldPlus, Partnerschaftsboni und das Pflegezeitgesetz führten zur Entlastung von Frauen im Bereich der Care-Zeiten und auch zu höheren Verdiensten bei Frauen und besseren Chancen zur Weiterentwicklung im Unternehmen trotz familienbedingten Unterbrechungen der Erwerbsbiographien.
Aktuell verbringen Männer meistens nur die zwei gesetzlich geforderten Partnermonate in Elternzeit und auch Pflegezeiten in der häuslichen Pflege werden immer noch zu über siebzig Prozent von Frauen absolviert. Auch wenn Erziehungszeiten und auch Pflegezeiten mittlerweile auf die gesetzliche Rente angerechnet werden können, entsteht nach wie vor einen Rentenlücke – der sog. Gender Pension Gap – von aktuell 46 Prozent.
Weitere Veränderungen notwendig
Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf freut sich, dass die Bemühungen der letzten Jahre Früchte tragen. Dennoch sieht auch er weiteren Handlungsbedarf. Es gibt nach wie vor einiges zu tun: Die Erhöhung von Gehältern im sozialen Bereich, die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine gleichmäßigere Verteilung von Elternzeit bzw. generell der unbezahlten Care-Arbeit.
Dabei geht es nicht darum, dass alle Frauen in technischen Berufen Vollzeit arbeiten und Führungspositionen übernehmen sollen, sondern dass Männer und Frauen gemeinsam Lösungen finden müssen, die für beide Partner eine finanzielle Unabhängigkeit sowohl während des Erwerbslebens als auch im Rentenalter im Blick hat und jeder mit seinem Wunsch nach Familie und/oder Karriere Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Lebensziele findet und diese Entscheidungen nicht durch das Gehalt der schlechter verdienenden Frau bestimmt werden.
Neben der Politik und den Unternehmen kann jeder einzelne aktiv und „Gamechanger“ werden – wie von der Initiative der Business an Professional Women (BPW) Germany e. V. gefordert, und sich für mehr Lohngerechtigkeit und die gleiche Bezahlung von gleicher und gleichwertiger Arbeit einsetzen.
Die Gleichstellungsbeauftragte Anja Assenbaum wünscht sich hierzu selbstbewusste Frauen und Männer, die sich genauso um die Betreuung der Kinder kümmern wie um ihre Erwerbstätigkeit, die das Erwirtschaften eines Familieneinkommens genauso wie das Erledigen der unbezahlten Hausarbeit und Erziehungsarbeit als gemeinschaftliche Aufgabe sehen, in der sich alle Beteiligten mit ihren Bedürfnissen wiederfinden. Ein tradiertes Bild, in der der Mann der Frau im Haushalt hilft und die Frau ein bisschen zum Haushaltseinkommen dazu verdient muss der Vergangenheit angehören.
Die Tarifpartner sind bei der Verhandlung von Tariflöhnen aufgefordert eine Angleichung von Löhnen im sozialen und technischen Bereich anzustreben. Die Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung zum Comparable Worth Index aus dem Jahr 2016 leistet hier einen wichtigen Beitrag. Neben Unternehmen, die selbstverpflichtend geschlechtsunabhängig die gleichen Löhne für die gleiche Arbeit bezahlen, müssen Frauen jedoch auch selbstbewusst die entsprechenden Gehälter verhandeln. Sie weist aber auch darauf hin, dass Frauen selbst aktiv werden sollten: „Wir müssen aber auch an Frauen appellieren, für eigene finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen.“
Wenn Arbeitgeber Frauen für die gleiche Arbeit immer genauso zu bezahlen wie einen Mann, würden allein sechs Prozent Lohnlücke geschlossen werden können.
Welche Auswirkungen die Corona-Pandamie auf den Gender Pay Gap hat, ist aktuell noch nicht absehbar. Mit Kurzarbeitergeld und erleichtertem Zugang zu Leistungen der Grundsicherung wurde von Anfang an versucht massiven Einkommenseinbrüchen entgegenzuwirken. Lassen wir uns überraschen, wann im nächsten Jahr der Equal Pay Day sein wird und zeigen wir trotz aller aktuellen Einschränkungen am 10. März „Flagge“ mit roten Taschen oder in diesem Jahr coronakonform auch mit einer roten Maske.