Privileg oder Diskriminierung? Eine Impf-Umfrage
Nicht nur in der Politik wird das Thema „Impfvorteile“ heiß diskutiert. Die Diskussion hat nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche er- fasst. Wir haben Meinungen dazu aus eben diesen unterschiedlichen Bereichen eingeholt und gefragt: Was halten Sie davon, bestimmte Bereiche des Lebens (z.B. Gastronomie, Veranstaltungen, Kultureinrichtungen, medizinische Einrichtungen, Sportstätten, Messen, Nahverkehr) ausschließlich für Menschen, die gegen Covid-19 geimpft sind, zugänglich zu machen?
Eine einseitige Privilegierung von Geimpften erachte ich m or al i sch und auch rechtlich für unangemessen. Hier würde ein Keil in unsere Gesellschaft getrieben, der nicht nur in Bezug auf Corona langfristige, negative Folgen bringen würde. Die Solidarität in der Gesellschaft würde mit einer solchen Regelung empfind- lich beeinträchtigt. Nicht jeder Nicht-Geimpfte ist für sich schon Corona-positiv und eine Gefahr für andere. Hier würde eine Diskriminierung erfolgen, die unverantwortlich ist. Ich werde mich zu dem mir zustehenden Termin sofort impfen lassen, um mich und auch andere zu schützen. Im Übrigen halte ich alle staatlichen Regelungen zur Eindämmung der Pandemie ein. Eine Maske zu tragen ist für mich keine Einschränkung meiner grundgesetzlichen Rechte, sondern gibt mir vielmehr die Möglichkeit, diese Rechte auch nahezu uneingeschränkt auszuüben.
Hans-Jürgen Binner, Geschäftsstellenleiter der INVG
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Nach meiner Meinung, sollten wir unsere Gäste jetzt nicht schon wieder verunsichern. Wir sollten nach Möglichkeit alle Impfwilligen durch impfen, dazu werden sicher die nächsten paar Monate vergehen. Vor dem nächsten Winter wird die Aufklärung und die Impfbereitschaft auch weiter sein. Sollte der Virus bis zum Ende des Sommers immer noch nicht bekämpft sein, kann ich mir gut vorstellen das für Veranstaltungen/Großveranstaltungen in der Gastronomie, Kultur, Sport, Messen und Urlaubsreisen ein Impfpass gezeigt werden muss. Ich glaube nicht, dass wir noch einmal so einen Winter haben wollen, und uns den auch leisten können.
Harald Mödl, Wirt Biergarten Schutterhof
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Ich kann es kaum erwarten, unseren Mitgliedern so bald wie möglich wieder unser Personaltraining zur Verfügung zu stellen.
Jedoch bin ich der Meinung, dass dies nicht zu jedem Preis erfolgen darf. Einen „Impfzwang durch die Hintertür“ halte ich für keine gute Idee. Wir leben in einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte haben. Menschen, die aus eigenen Erfahrungen, aufgrund von Berichten von Bekannten oder irgendwelchen Ängsten vor einer Impfung zurückschrecken, sollten deshalb nicht anders behandelt werden.
Iris Porstendörfer, Inhaberin der Bodystreet Studios in Ingolstadt
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Die Diskussion um eine eventuelle Impflicht ist wichtig, wir halten sie aber für verfrüht in unserem Arbeitsbereich. Die Durchimpfung wird sich höchstwahrscheinlich noch hinziehen und ehe nicht alle Impfwilligen geimpft sind, verbietet sich eine Trennung in Geimpfte und Ungeimpfte. Man muss auch andere Möglichkeiten prüfen, z.B. Schnelltests – die würden den Besuchern ein gewisses Sicherheitsgefühl geben. Auch andere Veranstaltungslocations überlegen über machbare Strategien – die Branche hält hier zusammen. Man tauscht sich aus.
Durch die Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Pandemie sind Vorhersagen oder gar Festlegungen zur Zeit nicht möglich. Die Ungewissheit bleibt – wir hoffen trotzdem weiter.
David Krebs, eventhalle am Westpark
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Darf der Nicht-Geimpfte benachteiligt werden? Impfpflicht durch die Hintertüre? Ob eine gesetzlich angeordnete Pflicht, geimpft zu werden vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, ist nicht sicher. Zu groß ist der Eingriff in Art. 2 I GG in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Anders sieht es aus bei der Zugangserlaubnis etwa zu öffentlichen Veranstaltungen, Einrichtungen oder auch nur der Gastronomie. Gesetze, die das regeln, werden an Art. 3 GG zu messen sein, ob hier das Grundrecht der Gleichbehandlung verletzt ist. Eine Ungleichbehandlung braucht wesentlich weniger Begründung, als ein körperlicher Eingriff. Beispiel: Menschen ohne Führerschein dürfen nicht Auto fahren. Diese Ungleichbehandlung ist durch einen überwiegenden Grund gerechtfertigt, nämlich der Sicherheit im Straßenverkehr. Ähnlich ist es mit der Masernimpfung seit März 2020. Ohne Masernimpfung kein KiTaPlatz. Ungleichbehandlung mit ausreichendem Grund. Mein Vorschlag wäre es, nachdem jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen, eine Zugangsbeschränkung für Ungeimpfte ins Hygienekonzept der jeweiligen Veranstaltung optional einzufügen. Heißt: Der Wirt, der in sein Hygienekonzept aufnimmt, dass nur Geimpfte Zugang zum Lokal haben, muss weniger Auflagen, was Abstand und Dokumentation etc. anbelangt, erfüllen, als derjenige, der sein Lokal für Geimpfte und Ungeimpfte öffnet. Oder aber: Der Konzertveranstalter trifft die Entscheidung, ob 5.000 Menschen mit Impfung oder 1.000 Menchen, die ungeimpft sind, ins Stadion lässt. So kann der Unternehmer selbst entscheiden, wie er sein Hygienekonzept entwickelt und auf welche Zielgruppe er sich fokussiert. Das wäre eine faktische Benachteiligung ungeimpfter Menschen, die ich für verfassungsgemäß – und richtig – halte.
Sebastian Knott, Rechtsanwalt
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Dem Vorschlag, den Zugang zu bestimmten Bereichen ausschließlich für geimpfte Personen zuzulassen, kann ich nicht zustimmen. Dies würde indirekt eine Impfpflicht bedeuten, da damit explizit Menschen ohne Impfung vom kulturellen und sozialen Leben ausgeschlossen werden. Darüber hinaus würde dies auch die Solidarität innerhalb der Gesellschaft aufs Spiel setzen. Eine derartige Regelung darf nicht dazu führen, dass Menschen die bereits eine Impfung erhalten haben, früher wieder “ins normale Leben” zurückkehren können.
Bislang hat die gesamte Gesellschaft – unabhängig von z.B. Alter oder Beruf – alle Einschränkungen und Maßnahmen gemeinsam getragen und durchgestanden. Wenn nun die Personen, die bereits geimpft sind, deutlich früher wieder ein “normaleres Leben” führen dürfen als alle anderen, ist dies im Gegensatz zu bisher, kein solidarisches Vorgehen. Damit würde ein Teil der Gesellschaft deutlich früher ohne Einschränkungen einen Zugang zu Angeboten erhalten, der für andere nicht möglich ist. Das würde zu einer massiven Spaltung in der Gesellschaft führen. Ich halte diesen Weg deshalb nicht für gerechtfertigt und für sehr problematisch.
Tobias Klein, Geschäftsführer Gemeinnützige Ingolstädter Veranstaltungs GmbH
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