Ein Überfallantrag, überholte Grabenkämpfe und ein Wadlbeißer
Die Haushaltsdebatte im Ingolstädter Stadtrat wurde natürlich auch vom Thema Corona bestimmt. Aber im Mittelpunkt stand der Haushalt 2021 und wie so oft wurde die Gelegenheit genutzt, Grundsätzliches los zu werden. Das alles mit reichlich Abstand und zwischenzeitlichem Luftaustausch im Festsaal des Stadttheater.
Der CSU Fraktionsvorsitzende Alfred Grob kritisierte den Haushalt 2021 als einen „Haushalt der Unvernunft, einen Haushalt der Spendierhose“. Mit einer Steigerung der Personalkosten von 142 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 169 Millionen Euro 2021 werde ein vollkommen falsches Signal gesetzt. „Wir brauchen nicht erst im nächsten Jahr eine Konsolidierung, sondern jetzt!“ Es wäre ein leichtes, den Haushalt abzulehnen. Aber man wolle ein Zeichen für ein konstruktives Vorgehen setzen. Grob bat darum, den Konsensvorschlag von CSU, FDP und JU zur Einsparung von 12,5 Millionen Euro im Verwaltungshaushalt anzunehmen und die Kreditaufnahme der Stadt bis 2024 unter der 100-Millionen-Euro Schwelle zu halten. Dieser Antrag sollte später noch für Diskussionsstoff sorgen…
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian De Lapuente erklärte mit Blick auf den Stellenplan, es sei richtig und wichtig, ihn zu beschließen. Es sei aber auch klar, dass man in Zukunft jede Investition genauer prüfen müsse. Und er betonte, dass man zum Beispiel im Oktober die Möglichkeit gehabt hätte, eine Zweitwohnungssteuer als zusätzliche Einnahmequelle zu prüfen. Deutliche Kritik äußerte er an der „Oppositionsrolle“ der CSU: „Die CSU ist in der Stadtspitze vertreten, die Wähler wollen einen Stadtrat, der zusammen arbeitet!“ Den Haushalt abzulehnen, sei ein verheerendes Signal für die Wirtschaft. „Ich appelliere an Ihre Vernunft, dem Haushalt zuzustimmen!“ Der Haushalt in schwieriger Zeit sei grundsolide aufgestellt, so De Lapuente. „Er ist bestens geeignet, um uns durch ein schwieriges Jahr zu bringen!“ Er bedeute keine Abkehr vom dem Grundsatz, das Geld der Bürger sparsam und zielsicher einzusetzen.
Für die Grünen sprachen die beiden Fraktionsvorsitzenden Barbara Leininger und Christian Höbusch. Leininger erläuterte die Ideen der Grünen für eine klimafeste Stadt („Das alte Leitbild der Autostadt hat sich überlebt“), eine sogenannte „Schwammstadt“, ihr Bild von einer interkulturellen und vielfältigen Stadt, in der Bildung und Soziales besser vernetzt sind. In Richtung Freie Wähler schickte sie die Bemerkung: „Das letzte, was ein Stadtbaum braucht, ist ein alberner Strickanzug.“ Die Grünen würden die neue Stadtregierung nicht als Zweckbündnis verstehen. Endlich könne man in einem offenen und wertschätzenden Klima diskutieren: „Die alten Grabenkämpfe interessieren keinen mehr.“
Ihr Parteikollege Christian Höbusch betonte, dass man dem Haushalt in der vorgelegten Form zustimme. „Wir stehen zu unserer Verantwortung.“ Man müsse jetzt beginnen, die großen Linien der Klimakrise auch in den Haushalt zu schreiben, die große Herausforderung der Zukunft sei der Klimakollaps. Am Ende seiner Rede rief er die Stadträte zu einer Schweigeminute für die Toten der Pandemie und die Opfer von Klimawandel und Naturkatastrophen auf.
Mit einem „Wadlbeißer“ trat Hans Stachel (FW) ans Rednerpult, nachdem ihn ein Kollege jüngst in der Sitzung einen solchen genannt hatte. Und er machte die ablehnende Haltung der Freien Wähler deutlich, was den Haushalt 2021 betrifft: „Weiter so geht nicht!“ Er erwarte vom OB klare Sparvorstellungen, Orientierung und eine klare Führung. Wer mehr ausgebe, als er einnimmt und die glücklicherweise vorhandenen hohen Rücklagen in rasantem Tempo verbrauche, der mache einen Fehler. Symbolisch dafür, dass der Spargedanke noch nicht angekommen sei, seien die Kammerspiele am vorgeschlagenen Standort. Die FW lehne den Haushalt ab. Und mit Blick auf die UWG meinte Stachel, sie sei eine Fake UW in Ingolstadt als Namenstrittbrettfahrer.
Für die AfD erklärte Lukas Rehm, es werde bei dieser Haushaltsplanung „mit den Steuergeldern der Ingolstädter Bevölkerung umgegangen, als gäbe es kein Morgen.“ Als Negativbeispiel nannte er den Bau der Kammerspiele, der von der AfD abgelehnt werde. Außerdem würde seine Fraktion die über Gebühr neu geschaffenen Stellen im Stellenplan 2021 und die damit verbundenen zusätzlichen Personalkosten ablehnen. Man vermisse beim OB ein Engagement für die Wirtschaft, stattdessen würde über zusätzliche Belastungen diskutiert („Steuererhöhungen sind Diebstahl am Bürger“). Weil die Verpflichtung zum sparsamen Haushalten verletzt werde, lehne die AfD den Haushalt ab.
Christian Lange, Fraktionsvorsitzender der UWG, betonte: „Die letzten sieben Monate haben gezeigt: Kommunalpolitik in Ingolstadt muss nicht aus permanenten Streitereien auf der persönlichen Ebene bestehen.“ Er kritisierte den kurzfristig eingereichten Einsparvorschlag der CSU, die den Eindruck erwecke, sie wolle der Stadtspitze die Kompetenz absprechen, mit der schwierigen Situation umgehen zu können. Mehr Mut (z.B. den Betreibern des Kongresszentrums gegenüber) und mehr Zuversicht wünschte Lange sich für die Ingolstädter Kommunalpolitik. Und man solle aufhören, die Finanzkompetenz als Alleinstellungsmerkmal bestimmter Parteien anzusehen. Zustimmung gab es von der UWG zum Haushalt: „Der uns vorgelegte Haushalt ist mutig und schafft Zuversicht.“
„Ich möchte Lust machen auf die anbrechenden 20er Jahre in Ingolstadt,“ erklärte Christian Pauling (Die Linke). Er drückte in der aktuellen Corona-Sitaution seinen Respekt für besonders belastete Berufsgruppen wie Kassierer, Polizisten und Pfleger aus. Der Haushalt nun sei keine Belastung, sondern eine logische Schlussfolgerun aus dem, was dieses Jahr passiert ist. „Ein starker Staat ist unerlässlich,“ meinte Pauling, „Wir brauchen auch die Politik, um zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu vermitteln.“ Die Linke stimme dem Konsolidierungsantrag der SPD zum Haushalt zu: „Wir müssen alte Stellen nicht sofort nachbesetzen, aber nur, weil zusätzliche stellen dazu kamen. Einen Abbau sozialer Infrastruktur wird es aber mit uns nicht geben.“ Pauling blicke positiv in die 20er Jahre und es freue ihn, dass es in wichtigen Themen einen Konsens über die Parteien hinweg gäbe. Man müsse sich jetzt noch ein wenig zusammenreißen, um dann im nächsten Jahr stark und kräftig aus der Krise zu kommen: „Wir werden Corona und die anderen Herausforderungen meistern.“
„Wir werden das Jahr 2020 nicht feiern! Selbst wenn man den Politikwechsel als Erfolg sieht – Corona hat das Jahr komplett versaut!“ Das erklärte Raimund Köstler, ÖDP. „Die mit dem Politikwechsel erhoffte ökologische Politik hat noch nicht den Stellenwert erreicht, den sie aus unserer Sicht haben muss. Was nutzen alle Bekenntnisse zu einer ökologischen Politik, wenn bei der wichtigsten Abstimmung des Jahres die geballte Faust in der Tasche bleibt. Von was ich spreche ist klar: die Mittelschule Nord-Ost im 2. Grünring, womit dem Ausverkauf des 2. Grünrings Tür und Tor geöffnet werden.“ Weiterhin kritisch beobachtet werde von der ÖDP der 5G-Ausbau. Mehr Nachhaltigkeit bei den Investitionen wünschte sich Köstler, dabei könne bei den Investitionen z.B. auf den Asbau der Ostumfahrung Etting verzichtet werden.
Jakob Schäuble (FDP) kritisierte an der Haushaltsvorlage den großen Personalaufwuchs in der Verwaltung und die ungebremste Umsetzung teurer Wahlversprechen. Daher könne die Ausschussgemeinschaft FDP/JU dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Aber man habe zusammen mit der CSU einen Änderungsvorschlag eingebracht. Dieser Kompromiss zum Wohle der Stadt sei die beste Lösung „insbesondere, da durch den vor der Türe stehenden Lockdown eine haushaltslose Zeit kein Zustand ist, den wir in Zeiten eines Corona Notstandes anstreben sollten.“
Markus Meyer (JU) erklärte, ein ernsthafter Sparwille sei beim Oberbürgermeister nicht erkennbar und bescheinigte ihm eine kompromisslose Gangart zum Beispiel bei der Einrichtung von Stabsstellen. Aber man würde sich freuen, dass der OB lieber spät als nie über den Sparvorschlag von CSU/JU/FDP nachgedacht habe. Sparen heiße verzichten: „Wir haben die Hand gereicht und konstruktive Zusammenarbeit angeboten,“ so Meyer: „Wir wollen jetzt runter mit den Verwaltungsausgaben. Das ist unser Angebot.“ Und eine Antwort auf Christian Lange konnte er sich nicht verkneifen: „Wir freuen uns, dass sie Ihr Lebenselixier aus CSU Bashing ziehen.“
Parteiübergreifend würde übrigens der Verwaltung für die Arbeit gedankt und man wünschte sich ein frohes Fest. Dann gings in die Aussprachen.
„Sie kriegen von mir klare Führung und klare Ansagen, dem Vorschlag müssen sie nur folgen,“ meinte OB Christian Scharpf als Antwort auf Hans Stachel. Er versprach, dass Stadtspitze und Verwaltung konkrete Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung erarbeiten werden. „Die spannende Frage wird sein: wo sparen wir ein? Auf die Diskussionen freue ich mich, weil man dann Farbe bekennen muss.“ Die Lage werde schlechter geredet, als sie tatsächlich ist. „Und wir schieben auch einen ganz schönen Sanierungsstau vor uns her, zum Beispiel bei den Bezirkssportanlagen.“
Ulrich Bannert (AfD) bat die Verwaltung, sich ernsthaft in Sachen Stelleneinsparung Gedanken zu machen, bekannte sich zu einem gewissen „grünen Draht“ und befürwortete den Bau von Schulen in Holzbauweise, den Linke und ÖDP fordern. Zur Bemerkung von Barbara Leininger, die angesichts von Corona und Klimakrise auch ein Umdenken bei des Essgewohnheiten einforderte, meinte er: „Ich bleibe bei meinen Essensgewohnheiten in Bayern.“
Eva Bulling-Schröter (Linke) betonte, dass ihre Partei natürlich einen Personalabbau ablehne. Der OB antwortete, dass ein Personalabbau gar kein Thema sei, sondern der künftige Aufwuchs.
Patricia Klein (CSU) betonte, dass es den Christsozialen in erster Linie um die hohe Belastung des Verwaltungshaushalts gehe: „Kritisch wird es, wenn Ersparnisse durch laufende Ausgaben aufgefressen werden. Es reicht nicht, erst 2021 anfangen zu überlegen.“ Bei Investitionen gäbe es dagegen keine Diskussion: „Das muss gemacht werden.“ Die Gewerbesteuer der letzten Jahre sei sehr hoch gewesen: „Aber daraus wurden auch die hohen Rücklagen aufgebaut, von denen wir jetzt profitieren.“Achim Werner (SPD) meinte, man könne jetzt Solidarität einfordern. 2015/16 hätte die SPD trotz großer Bedenken dem Haushalt angesichts wegbrechender Steuereinnahmen wegen des Diesel Skandals zugestimmt. Das Ziel nun sei, in vier Jahren gar keine Neuverschuldung vornehmen zu müssen, dazu biete dieser Haushalt die Chance. „Die hohe Investitionsquote beschert uns eine positive wirtschaftliche Entwicklung.“ Er begrüßte die Idee, einen Konsolidierungsrat einzuberufen, hoffe aber, dass dann dort nicht wieder so wenige Vorschläge von Seiten der CSU kommen.
OB Scharpf wiederholte: „An den Vorschlägen wird es nicht scheitern, aber es geht darum Farbe zu bekennen.“
Kritik am Freitags-Überfall-Antrag, aber dennoch breite Zustimmung
Der Verdoppelung der Vereinspauschale als Corona Hilfe (Antrag JU/FDP) für das kommende Jahr (Kosten 78 000 Euro) wurde zugestimmt. Danach verlagerte sich die Diskussion in Richtung CSU/FDP/JU Gemeinschaftsantrag. Darin werden Einsparungen von 12,5 Millionen Euro im aktuellen Verwaltungshaushalt und eine „Kreditaufnahme-Obergrenze“ von höchstes 100 Millionen bis 2024 beantragt.
„Wir haben die Rahmenbedingungen gesetzt, festzulegen, was wo gestrichen wird, das ist Aufgabe des Finanzreferenten,“ meinte Alfred Grob: „Wir beteiligen uns gerne an einem Konsolidierungsrat.“
Christian Lange warf ein, dass in dem CSU Vorschlag eine Einsparung von 12,5 Millionen Euro gefordert werde, die Verwaltung in dem neuen Haushaltsentwurf aber bereits 12,44 Millionen Euro an Einsparungen vorsehe: „Ich verstehe das nicht.“
Da musste Alfred Grob zugeben, dass die 12,5 Millionen dankenswerterweise von der Verwaltung bereits eingebaut worden sind.
Finanzreferent Franz Fleckinger betonte, dass alle Investitionen auf den Prüfstand gestellt würden und man auch strukturelle Anpassungen durchführe: „Es wird erheblicher Anstrengungen bedürfen, um das Ziel zu erreichen!“ Höchstens 100 Millionen Euro an Krediten aufzunehmen werde eine Herausforderung: „135 Millionen sind schon extrem auf Kante genäht. Die 100 Millionen des Antrags zu erreichen, das wird höchstwahrscheinlich unrealistisch sein.“
Barbara Leiniger ergänzte dazu: „Wenn wir das beschließen, schränken wir uns total ein. Auf keinen Fall Zustimmung!“ Christian Höbusch sprach von einem rein politischen Manöver, am Freitag einen solchen Antrag einzureichen: „Es wird uns der Boden unter den Füßen weg gezogen. Ich bitte sowas in Zukunft zu unterlassen und gemeinsam arbeiten.“
Hans Achhammer verstand die Diskussion nicht: „Die 12,5 Millionen sind doch schon im Haushalt eingepreist, die 100 Millionen sind keine Konstante.“ Während für OB Scharpf die 100-Millionen-Grenze einfach eine Zahl ins Blaue darstellte. Christian De Lapunte meinte, man könne bei den 12,5 Millionen mitgehen, aber nicht bei dem Punkt zur Kreditaufnahme. Schließlich ging es noch weiter um Haushaltsschätzungen vergangener Jahre und schwierige Prognosen, bis Jörg Schlagbauer (SPD) nach vier Stunden Sitzungsdauer ans Durchlüften erinnerte und der Verwaltung für das durchgearbeitete Wochenende dankte.
Nach der Pause wurde abgestimmt (OB: „Ich kann bei der allgemeinen Zielsetzung mitgehen.“)
Der Gemeinschaftsantrag von CSU/FDP/JU wurde mit 37 Stimmen (Leininger: „Wir wollen nicht an der Ziffer gemessen werden“) angenommen, dagegen stimmten Linke, UWG und ÖDP.
Der SPD Antrag zur Haushaltskonsolidierung wurde einstimmig angenommen.
Und schließlich wurden auch dem Haushalt gegen sieben Stimmen (FW und AfD) zugestimmt.