Extrem große Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Ingolstadt
Trotz vieler Anstrengungen hinsichtlich Gleichstellung liegt die aktuell ermittelte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland nach wie vor bei 19 Prozent. Damit ist sie zwar gegenüber den Vorjahren leicht gesunken, dennoch aber deutlich höher als im EU-Durchschnitt.
Vergleicht man Männer und Frauen mit gleichen Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsverläufen in unserer Region, zeigt sich laut dem Statistischen Bundesamt für Ingolstadt eine besonders große Lohnlücke – Gender Pay Gap genannt – von 36 Prozent. Dieser Wert bedeutet: In Ingolstadt hat eine Frau jeden Monat etwa 2.000 Euro brutto weniger auf dem Lohnkonto als ein Mann.
Für den Gender Pay Gap werden die Durchschnittsverdienste aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erfasst. Damit fließen auch strukturelle Nachteile ein, wie zum Beispiel schlechtere Zugangschancen zu unterschiedlichen Berufen und Karrierestufen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass 71 Prozent des Verdienstunterschiedes strukturbedingt, d.h. unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass Frauen in schlechter bezahlten Berufen arbeiten und seltener Führungspositionen erreichen.
Aus diesem Grund hat sich vor gut einem Jahr eine Initiative mit Barbara Deimel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Ira Schmalbrock, Leiterin Pro Beschäftigung e.V., Maike Weiland, Leiterin Wirtschaftsförderung Ingolstadt, Prof. Dr. Katherine Roegner, Technische Hochschule Ingolstadt, und Astrid von Perponcher vom Unternehmerinnenforum gebildet. Die engagierten Frauen haben sich ein Motto und ein Ziel gesetzt: Money, Money, Money – Frauen verdienen mehr! Mit Informationen und Veranstaltungen wollen sie nicht nur die Defizite aufzeigen, sondern auch zur Entwicklung von Strategien für mehr Lohngerechtigkeit anregen.
Aufgrund der Corona-Pandemie konnten leider alle für 2020 geplanten Veranstaltungen nicht durchgeführt werden. Sobald wieder Veranstaltungen möglich sind, wollen die Frauen ihre Aktionen nachholen.
„Frauen haben immer schon gearbeitet. Allerdings ist ihre Arbeit nicht immer in der Gesellschaft als Arbeit anerkannt und oft auch nicht bezahlt. Die unbezahlte Arbeit der Frauen hindert sie häufig daran einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Nach siebzig Jahren Grundgesetz mit einer verankerten Gleichberechtigung wollen wir der Entgeltdiskriminierung entgegenwirken“, so Barbara Deimel, die als Gleichstellungsbeauftragte hierin eine Kernaufgabe sieht.
Um die Lohnlücke zu verkleinern, wird beispielsweise versucht mehr junge Frauen für Naturwissenschaften zu begeistern. Sie sollen bestärkt werden, sich nicht von Rollenklischees in ihrer Berufswahl beeinflussen zu lassen.
Katherine Roegner, Frauenbeauftragte und Professorin für Mathematik, schwärmt wie gut sich junge Frauen im Studium zeigen und wünscht sich viel mehr Frauenpower in der Technik: „Die Technik von morgen braucht Frauen und Frauen können Technik von morgen gestalten!“
Der Zeitpunkt für die Initiative ist gut gewählt, findet Ira Schmalbrock, Leiterin von Pro Beschäftigung e.V.: „Denn in Zeiten des digitalen Wandels boomen nicht nur neue Technologien. Auch klassisch weibliche Kompetenzen wie Kreativität und Empathie werden an Bedeutung gewinnen. Hier eröffnen sich ganz neue Berufsfelder und Verdienstmöglichkeiten für Frauen.“
„Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht alle Gestalterinnen und Vorreiterinnen, die unsere Region digitaler und besser machen, zu unterstützen“, so Maike Weiland, Leiterin der Wirtschaftsförderung Ingolstadt. Die Initiative soll das Potenzial der Frauen am Standort gezielt entfalten.
Als Gleichstellungsbeauftragte fordert Barbara Deimel auch einen Wertewandel seitens der Politik und der Gesellschaft, bei dem die sogenannte Care-Arbeit, also Sorgearbeit, gerechter verteilt wird. Denn die Sorgearbeit, so Deimel, sei elementar existenziell für unsere Gesellschaft, wie sich auch in der Pandemie gezeigt habe. Sie sollte zukünftig gerechter zwischen Frauen und Männern geschultert werden.
Hintergrundinformation:
Die Zahlen und Daten der regionalen Lohnunterschiede werden vom Statistischen Bundesamt und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, ermittelt. Dabei betrachtet das Institut den sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap, der das Entgelt der männlichen und weiblichen Beschäftigten in allgemeiner Form miteinander vergleicht. Die Zahlen hierfür wiederum werden vom Statistischen Bundesamt ermittelt. Als wesentlicher Faktor für die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten scheint sich die regionale Wirtschaftsstruktur zu erweisen, so die Erläuterungen des Instituts. Vor allem in Regionen mit spezialisierter Struktur, die stark von der Kraftfahrzeugbranche und von Großbetrieben geprägt ist, zeichnet sich durch den hohen Beschäftigungsanteil der Männer dort, der Verdienstunterschied besonders hoch ab. Dies trifft in besonderem Maß deshalb auch Ingolstadt.
Foto: Archivbild Stadt Ingolstadt / Rössle