Von Wadlbeißern, Scheinheiligen und partieller Amnesie
Das Wichtigste gleich zu Beginn: entschieden wurde zum Tagesordungspunkt 5 im Finanz- und Personalausschuss nichts, denn das Thema „Kürzung des Bürgerhaushalts“ wurde mit knapper Mehrheit zurück in die Fraktionen verwiesen. Und das nach einer Diskussion, die sich nicht immer an der Sache orientierte. Worum gings? In der Stadtratssitzung vom 24.10.2019 wurden für den Bürgerhaushalt 2021 Finanzmittel in Höhe von 1 000.000 Euro pauschaliert genehmigt. Diese sollten nun auf 515.000 Euro gekürzt werden. „Das Thema der Absenkung des Bürgerhaushaltsbudgets wurde im Strategiegespräch am 01. Juli 2020 zum Nachtragshaushalt 2020 entsprechend besprochen“ hieß es in der Sitzungsvorlage. Daran erinnerte denn auch Christian Höbusch (Grüne), der im Lauf der Diskussion mutmaßte, dass einige Mitglieder des Finanzausschusses wohl nun dank der frischen Luft im Sitzungsaal eine „partielle Amnesie“ erfasst habe.
Was sich ereignet hat…
Zunächst brachte Steffi Kürten (Grüne) einen Änderungsantrag ins Spiel, die Kürzung weniger extrem ausfallen zu lassen und nur 25 Prozent weniger Budget zur Verfügung zu stellen anstatt um 50 Prozent zu kürzen. „Die BZAs sollen einerseits gestärkt werden, aber gleichzeitig nimmt man ihnen zu viel Budget weg,“ erklärte Kürten. „Wir haben mit unseren BZAlern gesprochen und da ist viel Unverständnis, dass so viel gestrichen wird.“
Alfred Grob (CSU) hielt die Kürzung des Bürgerhaushalts ebenfalls für ein falsches Signal, denn diese würden die Unmittelbarkeit der Kommunalpolitik leisten: „Die Stadt hat keinen Nachteil, denn das Geld fließt wieder zurück. Ich würde politisch nicht an dieser Stellschraube drehen.“
Hans Stachel (FW): „Man sollte den Bürgerhaushalt nicht in dieser Massivität beschneiden, denn das Sparpotential ist nicht wirklich groß und wir würden den BZAs den Wind aus den Segeln nehmen, um für große Projekte anzusparen.“
Christian De Lapuente (SPD) sah daraufhin CSU und FW in einer neuen „Oppositionsrolle“ und warf ihnen Doppelmoral vor: „2016 hatten CSU und FW den Bürgerhaushalt um 60 Prozent gekürzt und da war die Haushaltslage deutlich besser.“ Die aktuelle Kürzung betrage nur 50 Prozent. „Ihr versucht eine Kampagne zu fahren!“
Jakob Schäuble (FDP) hätte sich gewünscht, dass die BZA-Vorsitzenden mit einbezogen werden, um Konzepte zu erarbeiten. Er bat darum, dieses Jahr keine Kürzung vorzunehmen, aber in Zukunft eine Runde einzuberufen, um mit den Bezirksausschussvorsitzenden darüber zu reden.
Alfred Grob (CSU) wunderte wiederum die „Scheinheiligkeit“ von Christian De Lapuente: „Wir wurden vor der Kürzung damals beteiligt,“ erklärte der CSU-Politiker, der zur besagten Zeit selbst Bezirksausschussvorsitzender war. Und Hans Süßbauer (CSU) ergänzte dazu: „Wir haben damals einen Konsolidierungsrat einberufen, es ist schon erstaunlich, dass man die BZA Vorsitzenden nicht mit einbezieht.“
Nun war erneut Steffi Kürten (Grüne) an der Reihe: „BZAs sind eine Riesenchance für den Stadtrat. Ich fände es interessant, grundsätzlich die Budgets zu überdenken. Wir brauchen funktionierende BZAs. Es wäre ein besseres Zeichen nur um 25 % zu kürzen und hier nicht mit Schlamm zu schmeißen.“
Hans Stachel (FW) meinte an Christian De Lapuente gerichtet: „Weder Sie noch ich müssen Dinge vertreten, die vor Jahren beschlossen wurden. Wir haben heute über die Bedürfnisse der BZAs zu entscheiden.“
Nun schaltete sich Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle ein, um sachliche Informationen beizusteuern: „Mein Referat setzt viel mit den BZAs um. Es ist noch kein Projekt an den Kosten gescheitert.“ Aber man müsse auch die Vielzahl der Anträge, die jahrelangen Planungen und den Rückstau, der dadurch entstanden ist, berücksichtigen: „Ich bin dafür, gemeinsam mit den BZAs zu sprechen und vielleicht zu erreichen, dass zum Beispiel auch der Unterhalt von Projekten aus dem Bürgerhaushalt bestritten wird.“
Hier pflichtete ihr Sozialreferent Wolfgang Scheuer bei: Auch der Unterhalt und die Pflege von Projekten und Bauten müsse aus den Budgets der BZAs bestritten werden.
Christian Höbusch (Grüne) erinnerte schließlich an das Stretegiegespräch von Anfang Juli: „Wir müssen uns alle an die Nase fassen, wir haben uns darüber unterhalten.“ Irgendwie scheint das Gremium durch die frische Luft eine partielle Amnesie erfasst zu haben. Mit Blick auf Hans Stachel, den er außerhalb der Politik schätze, erinnerte er an den Umgang der Freien Wähler mit Petra Kleine und erklärte, dass seit der Baum-Strickaktion die Freien Wähler für ihn nur noch die freien Wadlbeißer seien.
Nun schaltete sich Sitzungsleiterin und 2. Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll ein: „Es gleitet etwas ab.“
Finanzreferent Franz Fleckinger erläuterte dem Ausschuss schließlich die Berechnungsgrundlagen für die Verwaltungsvorlage, die ja eine Kürzung des Budgets für den Bürgerhaushalt vorsieht. Man habe die Zahlen so angepasst, dass sie der tatsächlichen Ausgabenentwicklung entsprächen: „Wir waren am 1. Juli in einer Strategiesitzung und waren der Meinung, ein deutliches Signal zu setzen, dass nicht mehr alles umsetzbar ist.“ Die Richtlinien müssten dringend überarbeitet werden – darin stimme er mit den Ausschussmitgliedern überein: „Lassen Sie uns das Thema gemeinsam angehen,“ so Fleckinger. „Ich würde Sie bitten, die Verwaltung mit zu stützen.“ Er betonte außerdem, die Verwaltung nutze seit Jahren alle Möglichkeiten, um den BZAs unter die Arme zu greifen und deren Projekte umzusetzen.
Von Hans Stachel (FW) kam der Vorschlag, das Thema zurück in die Fraktionen zu verweisen, damit diese dann mit den BZAs Rücksprache halten könnten. Und den Wadlbeißer verstehe er als Kompliment. Alfred Grob (CSU) warf noch den Vorschlag in die Runde, ein weiteres Jahr mit dem alten Budget zu planen und in Ruhe über ein neues Konzept nachzudenken und Franz Fleckinger hatte noch einen Kompromiss (Budget 700 000 Euro) angeregt – letztendlich aber wurde darüber abgestimmt, ob das Thema Bürgerhaushalt zurück in die Fraktionen wandert. Und das tat es dann auch. Es wird am 11. November auf der Tagesordnung des Stadtrats stehen.