Gewalt gegen Polizeibeamte deutlich gestiegen
Die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte (GewaPol) im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord nahm im vergangenen Jahr erneut zu und setzt mit insgesamt 837 gemeldeten Fällen einen neuen Höchststand in der Jahresstatistik seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2010. Das teilt das Polizeipräsidium Oberbayerb Nord mit. Weiter heißt es: Die Häufigkeitszahl (Straftaten je 100.000 Einwohner) beträgt 53 GewaPol-Delikte und stellt zumindest im direkten Vergleich mit den anderen Bayerischen Polizeipräsidien den niedrigsten Wert dar.
Bereits im Vorjahr 2019 war beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord ein deutlicher Anstieg der Gewalt gegen Polizeibeamte zu verzeichnen. Im Jahr 2020 stieg die Anzahl erneut um 15,1 Prozent bzw. 110 Fälle auf 837 an. Dabei wurden erstmals über 2.000 Beamtinnen und Beamte (+13,8 %, 251 mehr als im Vorjahr) in Ausübung ihres Dienstes im strafrechtlichen Sinne geschädigt. Auch die Zahl der dadurch verletzten Beamtinnen und Beamten stieg dadurch an.
Als herausragenden Fall beklagt das Polizeipräsidium Oberbayern Nord dabei ein Delikt des versuchten Totschlags zum Nachteil zweier Polizeibeamtinnen. Ein Motorradfahrer sollte nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss und anschließender Unfallflucht in seiner Wohnung vorläufig festgenommen werden. Dabei riss er die beiden Beamtinnen unvermittelt mit sich die Treppe des Mehrfamilienhauses herunter.
Glücklicherweise wurde in keinem der genannten Fälle eine Beamtin oder ein Beamter schwer verletzt. Die Zahl der leicht verletzten Beamtinnen und Beamte nahm jedoch um 35 auf 333 im Vergleich zum Vorjahr zu (+11,7 %). Leicht gesunken sind hingegen die Fälle des tätlichen Angriffs und der einfachen Körperverletzung auf insgesamt 290 (-6 Fälle / -2,0 %); wobei die Fälle der gefährlichen Körperverletzung um 17 Fälle auf insgesamt 40 stieg (+73,9 %). Weiter stiegen die Widerstandsdelikte gegen Vollstreckungsbeamte ohne Körperverletzung leicht an um 4 Fälle auf insgesamt 152. Auffällig ist, dass über ein Drittel aller registrierten GewaPol-Straftaten Beleidigungen ausmachen. Damit geht auch der stärkste Anstieg um 71 Straftaten (+29 %) auf 313 einher.
Mit Blick auf die Folgen der genannten Straftaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte waren 24 Angehörige der Dienststellen des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord nach GewaPol-Delikten im Jahr 2020 vorübergehend dienstunfähig, drei Beamt*innen mehr als im Vorjahr. Die Zahl der damit verbundenen Dienstausfalltage ging jedoch im Vergleich zu 2019 erheblich zurück (2019: 379 Tage / 2020: 100 Tage). Daraus lässt sich positiv ableiten, dass zumindest die Schwere der körperlichen Aggressionshandlungen gegen die polizeilichen Einsatzkräfte beim PP Oberbayern Nord nachgelassen hat.
Zuletzt fällt der Blick auf die Verteilung der Straftaten auf die verschiedenen Tatörtlichkeiten. GewaPol-Delikte im Umfeld von Veranstaltungen, aber auch in und um Gaststätten, Sportstätten und im öffentlichen Personennahverkehr sind zurückgegangen. An den übrigen Örtlichkeiten, insbesondere in Polizeidienststellen, in Wohnungen und auch auf Straßen, Wegen und Plätzen, nahmen entsprechende Taten jedoch deutlich zu.
Bild: Polizeipräsidium Oberbayern Nord
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 648 Tatverdächtige ermittelt. 83,7 Prozent davon waren männlich. Dabei standen fast zwei Drittel aller Tatverdächtigen (62,7 %) bei ihrer Tatausübung unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Gegen Jugendliche und Heranwachsende wurde seltener ermittelt als noch im Jahr 2019. Häufiger gemeldet wurden erwachsene Tatverdächtige (+7,9 %).
Fokus auf die Stadt Ingolstadt:
Einen regionalen Deliktsschwerpunkt bilden weiterhin die Großstädte und damit Ingolstadt für den Norden Oberbayerns. Betrachtet man hier die Häufigkeitszahl, also die Anzahl der Delikte bezogen auf 100.000 Einwohner, zeigt sich eine erneut gestiegene und weit über dem Durchschnitt liegende Deliktsbelastung. Mit einem Anstieg um 24,6 Prozent (von 126 auf 157 Fälle) gegenüber dem Vorjahr, ereignete sich fast jedes fünfte Delikt im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in der Stadt Ingolstadt.
Im Gegensatz zu dem präsidialinternen Trend nahmen jedoch in Ingolstadt die bloßen Widerstandsdelikte (ohne Tätlichkeiten) besonders stark zu, um 76 Prozent (2019: 21 Fälle, 2020: 37 Fälle). Beleidigung gingen hingegen leicht zurück (2019: 41, 2020: 39). Die Häufigkeitszahl in Ingolstadt ist um 22 Punkte auf 114 Taten je 100 000 Einwohner gestiegen. Damit liegt Ingolstadt auf dem dritten Platz der bayerischen Großstädte.
In Ingolstadt fällt im Besonderen auf, dass sich die GewaPol-Delikte innerhalb der beiden Polizeidienststellen (Polizeiinspektion Esplanade sowie Verkehrspolizeiinspektion Gutenbergstraße) als Tatörtlichkeit von insgesamt 14 auf 43 Fälle fast verdreifachten.
Fazit des Polizeipräsidenten:
Polizeipräsident Günther Gietl betrachtet die weiterhin zunehmende Gewaltbereitschaft gegen die Einsatzkräfte mit großer Sorge. „Erneut ist der höchste Stand entsprechender Straftaten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2010 erreicht worden, was ich persönlich für meine Kolleginnen und Kollegen sehr bedaure“, so Gietl. Der Polizeipräsident sieht es positiv, dass in 183 der 837 präsidiumsweiten Straftaten die polizeiliche neu eingeführte Bodycam zum Einsatz kommen konnte (diese wird 2020 erstmalig von der Statistik erfasst). Im Hinblick auf die besorgniserregend weiter angestiegene Zahl der Gesamtstraftaten GewaPol setzt Günther Gietl auf einen verstärkten Einsatz der auffälligen gelben Bodycam an der Uniform seiner Beamtinnen und Beamten. „Ich sehe in diesem deutlich erkennbaren Einsatzmittel neben der Möglichkeit der bildgestützten Beweissicherung am Einsatzort vor allem die präventive und deeskalierende Wirkung auf Aggressoren im Vordergrund. Sie kann meines Erachtens deutlich dazu beitragen, gedachte Straftaten gegen Polizeibeamt*innen im Ansatz zu beenden“, resümiert der Polizeipräsident.