„Schwarze Schwäne“ im Altstadtheater
Zwei Schwestern, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten: die ältere ungebunden und unstet, die jüngere verheiratet, zwei Kindern und mit ihrem Leben zufrieden. Als klar wird, dass sich ihre alte Mutter allein nicht mehr versorgen kann, steht für die jüngere Tochter außer Frage, dass ein Heim für sie nicht in Frage kommt und sie die Mutter zu sich nimmt. Allerdings wird ihr bald alles zu viel. Da scheint die hübsche Rosie, die ihre ältere Schwester als Pflegekraft ins Haus bringt, die Lösung zu sein. Rosie ist ein humanoider Roboter und sie ist perfekt: Sie verfügt über ein Set an Handlungsmöglichkeiten, kann Informationen verarbeiten, das Beste für ihren Schützling zu erkennen und sie kann daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Sie geht nicht nur auf die Bedürfnisse der Mutter geduldig ein, sondern sie übernimmt alsbald auch sonst alle im Haushalt anfallenden Aufgaben. Alle sind glücklich – bis Rosie nach und nach die Herrschaft an sich reißt und die Situation außer Kontrolle gerät.
Als „Schwarzer Schwan“ wird ein seltenes, unvorhergesehenes Ereignis bezeichnet, das eine enorme Tragweite und mächtigen Einfluss auf die Situation hat. Es ist ein Metapher dafür, dass man sich auf die Situation nicht vorbereiten kann, denn sie trifft vollkommen unerwartet ein. Ein „Schwarzer Schwan“ soll aber auch dafür sensibilisieren, dass bestimmte Risiken nicht unterschätzt werden dürfen.
Christine Kettering gewann 2019 beim Autorenwettbewerb „Science & Theatre“ mit ihrem Stück den Preis, den das Theater Heilbronn ausgelobt hatte. Sie thematisiert darin die Frage ob die Künstliche Intelligenz für die Menschheit ein Segen oder eine Bedrohung ist, da sie eines Tages möglicherweise die Herrschaft übernimmt. Nebenbei thematisiert sie auch das weibliche Rollenverständnis.
Ich war im Vorfeld etwas zwiegespalten, ob ich mir das Theaterstück zumuten kann – und seit der Premiere im Altstadttheater weiß ich, dass ich mit diesem Zweifel nicht alleine war. Allerdings hat das Stück restlos überzeugt: auch wenn es all die Probleme um die Pflege alter Menschen aufzeigt, macht es dies mit einer Leichtigkeit ohne allerdings oberflächlich zu werden. Die beiden Protagonistinnen Sonja Hausseguy und Katrin Wunderlich versprechen einen unterhaltsamen Abend mit Tiefgang. Sie überzeugen an der minimalistischen Bühne durch ihr wunderbar aufeinander abgestimmtes Spiel und der grandiosen Präsenz. Leni Brem-Keil gelang damit wieder ein hervorragendes Theaterstück, das unbedingt sehenswert ist.
Bildinformationen
- Schwarze Schwäne: Halbhuber-Gassner