Eine Perle in der Ingolstädter Kulturlandschaft
Sie verfügt offenbar über große Anziehungskraft, diese Marieluise Fleißer. Jedenfalls war Kulturreferent Gabriel Engert beim Pressetermin im neu gestalteten Marieluise-Fleißer-Haus nahezu von den (roten) Socken: „Ich bin tief beeindruckt! Seit Corona gab es keine Pressekonferenz mit annähernd dieser Frequenz!“ Und so tummelten sich etliche Reporter in dem historischen Gebäude (Kupferstraße 18), das allein schon ein sehenswerter Ort ist. Und dann auch noch diese prominente Bewohnerin!
„Marieluise Fleißer ist der einzige bedeutende Beitrag Ingolstadts zur neueren deutschen Literaturgeschichte,“ betonte Gabriel Engert. Ihr Leben und Werk steht im Mittelpunkt des Museums, das in dem nun komplett sanierten Haus eingerichtet wurde, in dem „die Fleißer“ 1901 geboren wurde und aufgewachsen ist. Aber anhand ihrer Familiengeschichte wird hier zugleich das Leben in einer bürgerlichen Familie dokumentiert und die Historie des Hauses selbst geht sogar über 600 Jahre (!) zurück. Literaturgeschichte und Stadtgeschichte treffe hier zusammen und werden auch wieder lebendig, denn im zweiten Stock des Gebäudes werden künftig Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte, Vorträge oder auch Filmvorführungen stattfinden. „Ich glaube, dass wir eine Perle in der Ingolstädter Kulturlandschaft eröffnen,“ schwärmte Gabriel Engert.
Beatrix Schönewald, Direktorin des Stadtmuseums und Projektleiterin in Sachen Marieluise-Fleißer-Haus, ging auf die Geschichte des Hauses ein, das einst doppelt so groß war (Kupferstraße 16 und 18) und das wohl um 1401 erbaut worden ist, wenn man das Ergebnis der dendrochronologischen Untersuchung der Holzbalken im Haus heran zieht. Allein deshalb ist es eine echte Rarität. Ab 1861 lebte dort in der Kupferstraße 18 die Familie Fleißer. Der Großvater der Schriftstellerin, Andreas Fleißer, kaufte das Haus und sein Sohn Heinrich richtete dort eine Schmiede samt Eisenwarengeschäft ein. In der Schmiede könnte theoretisch heute noch gearbeitet werden. Und so ist dieses Gebäude auch „eine Möglichkeit für die Ingolstädter, ihren Vorfahren zu begegnen,“ meinte Beatrix Schönewald.
„Die Vielseitigkeit des Hauses ist eine Herausforderung,“ meinte Sylvia R. Weber, die die Ausstellung konzipiert hat und dabei eben die Person der Marieluise Fleißer, ihr Leben, Werk und Nachwirken ebenso wie die Geschichte des Gebäudes unterbringen musste. Auf insgesamt 228 Quadratmetern keine einfache Angelegenheit. Und so erläutern Raumtafeln die Historie des Hauses und im Erdgeschoss, in dem sich auch die bereits genannte Schmiede befindet, geht es um die Archäologie des Ortes, die Geschichte des Handwerks und die Bewohner. Der erste Stock gehört der Schriftstellerin: In sieben Themenräumen (das Talent, der Erfolg, die Isolation, die Männer, die Anerkennung, die Sprache und die Wirkung) kann sich der Besucher auf die Spur der Fleißer begeben (und natürlich auch Objekte wie Schreibmaschine und Schreibtisch betrachten). Jedem Raum ist ein Zitat der Schriftstellerin zugeordnet. Und an verschiedenen Medienstationen im Haus sind erstmals alle verfügbaren audiovisuellen Dokumente von und über Marieluise Fleißer der Öffentlichkeit zugänglich.
Der Raum „Die Sprache“ stellt außerdem eine Besonderheit dar: Unter Federführung der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft wurden hier fünf Module entwickelt, die auch ein aktives Mitarbeiten der Besucher möglich machen. So kann ein eigenes Hörspiel aus gesprochenen Textfragmenten gestaltet werden oder man selbst versuchen, die unverkennbare Sprache der Schriftstellerin selbst zu vertonen. „Es geht darum, die Kraft ihrer Sprache zu erkennen,“ erklärte Andreas Betz, 1. Vorsitzender der Fleißer-Gesellschaft.
Für die Öffentlichkeit ist das neue Museum ab Dienstag, 6. Oktober, 9.30 Uhr zugänglich. Eintritt 3 Euro. Das Fleißer-Haus ist nur eingeschränkt behindertengerecht. Und wie in allen Museen müssen die Corona-Hygieneregeln eingehalten werden. Derzeit sind maximal 24 Besucher gleichzeitig zugelassen.