Endlich wieder Theater – aber bitte mit Abstand!
Die Premiere von „Drei Schwestern“ im Großen Haus fand unter Corona Bedingungen statt.
Flexibel sein. Das ist beim Arbeiten im künstlerischen Bereich sowieso von Vorteil. Und gerade in der Corona-Krise zeigt sich, wie wichtig es ist, flexibel auf die Veränderung von Vorschriften reagieren zu können. So hatte man sich im Stadttheater zunächst darauf eingestellt, dass 50 Besucher für die Premiere von „Drei Schwestern“ im Großen Haus zugelassen sind. Entsprechend wurde an einem Einlass- und Sitzplan getüftelt. „Zwischendurch hatten wir angedacht, die Plätze, die nicht besetzt werden dürfen, mit Hussen zu bedecken, aber das haben wir wieder verworfen,“ erklärt Theatermeister Jamil el-Jolani, der zusammen mit allen Abteilungen ein umfangreiches Corona-Konzept für das Stadttheater erarbeitet hat. Wenige Tage vor der Premiere kam dann die Erlaubnis, dass es 100 Zuschauer sein dürfen. Ein neuer Spitzplan musste her – unter Einberechnung der bereits verkauften Karten, die ja auch schon auf die Sitzplätze verteilt waren.
Der Einlass erfolgt über vier Zugänge, so dass sich die Besucher nicht in Gruppen begegnen. Das Gläschen Prosecco vor und nach der Aufführung entfällt – ebenso der Pausenplausch, denn eine Pause gibt’s nicht. „Bitte Abstand halten“ Schilder wurden aufgestellt, Desinfektionsmittel stehen zur Verfügung und auf dem Boden kleben weitere Abstands-Hinweise. Jeder Zuschauer hat seinen genau zugeteilten Platz im Großen Haus mit viel Luft zum nächsten Gast. Wie das wohl von der Bühne aus wirken mag? So blicken die Schauspieler auf überwiegend leere Plätze. Und wenn dort jemand sitzt, dann mit Mund-Nasen-Bedeckung.
Kein Szenenwechsel – keine künstlichen Vollbärte
Der Zuschauer macht sich (und das soll er ja auch nicht) keine Gedanken über die Arbeit, die in einer Inszenierung wie „Drei Schwestern“ steckt. Für den Probenbetrieb wurde ein eigenes Konzept erarbeitet: Welche Requisiten wurden von wem angefasst, wann wurde was desinfiziert und wo abgestellt, was passiert mit getragenen Kostümen, wann wurde gelüftet (zur Lüftung muss im Übrigen regelmäßig die Bühnenrückwand abgebaut werden) – jeder Schritt wird minutiös aufgelistet und dokumentiert. „Wir Techniker sind dann immer die Spaßbremsen,“ schmunzelt der Theatermeister, aber es gäbe nun mal Vorschriften. Und er lobt die gute Zusammenarbeit mit den Behörden, die das gesamte Konzept genehmigen mussten: „Ordnungsamt und Gesundheitsamt waren sehr daran interessiert, dass es mit dem Theater wieder los geht.“
Nicht nur auf die Proben hat Corona direkte Auswirkungen, sondern auch auf die Inszenierung. Die Darsteller halten in „Drei Schwestern“ den Mindestabstand. Bis auf zwei: Victoria Voss und Ralf Lichtenberg küssen sich sogar! Keine Panik, sie dürfen das, denn beide sind auch abseits der Bühne ein Paar. Weil bei jedem Szenenwechsel die Kulissen desinfiziert werden müssten, bleibt es bei „Drei Schwersten“ zum Beispiel bei einem Bühnenbild. Und in der Maske wird „auf Sparflammme“ gearbeitet. Wenn ein Schauspieler mit Vollbart auf der Bühne steht, dann ist das sein eigener, echter Bart. Weil das Anbringen und Entfernen eines künstlichen Vollbarts nur in engem und länger andauernden Kontakt mit dem Schauspieler erfolgen kann, sind „Rauschebärte“ erst mal gestrichen. Maximal ein künstlicher Schnauzbart ist aktuell drin.
„So eine Situation haben wir noch nie erlebt“, sind sich Theatermeister Jamil el-Jolani und der technische Leiter Jochen Reichler einig. Und das will was heißen, schließlich ist el-Jolani seit 30 Jahren am Haus und bei Jochen Reichler sind es sogar 32.
Das Stück zum „Corona-Lagerkoller“
Gelandet in der russischen Provinz, die großen Träume geplatzt. Irina, Mascha und Olga Prosorow und ihr Bruder Andrej führen nicht das Laben, das sie sich erwünscht haben. Das Schicksal hat sie zusammen gepfercht und mit der Zeit macht sich der „Lagerkoller“ bemerkbar, den diese Zwangsgemeinschaft mit sich bringt. Die Welt draußen droht sich während dessen zu verändern. Eine Bedrohung, die sich auch auf diese „Wohngruppe“ auswirkt, die mit Veränderungen – sagen wir – eher suboptimal zu Rande kommt. Ja, es wird laut. Und manchmal auch hässlich. In so fern passt Anton Tschechows Klassiker „Drei Schwestern“ in dieser neuen „Corona-Fassung“ von Regisseur Christoph Mehler sehr gut in unsere Zeit von Lockdown und Quarantäne.
Infos zum Spielplan, den Hygieneregeln, zum Ticketverkauf und mehr finden Sie unter www.theater.ingolstadt.de
Titelbild: Ulrich Kielhorn, Karolina Nägele, Katharina Hintzen, Sarah Horak (Foto: Ludwig Olah)