„Wo ist sie hin?“ – Die Kreatur und Mary Shelley auf Spurensuche

Ingolstadt, August 2025 – Mary Shelley steigt in eine Postkutsche, fährt vorbei an Hoher Schule und Alter Anatomie. „Wo ist sie hin?“, fragt sie. Gemeint ist die Kreatur, die hier im Roman „Frankenstein“ das Licht der Welt erblickt. Zwei Tage lang verwandelte das Frankenstein-Weekend die Stadt in eine Bühne, auf der Geschichte und Gegenwart, Mythos und Erlebnis verschmolzen.

Im Zeughaus des Neuen Schlosses inszenierte der Künstler Markus Jordan ein düsteres Labor. Schon beim Betreten lief den Besuchern ein Schauer über den Rücken: flackernde Lichter, surrende Apparaturen, kalter Nebel und bedrückende Stille. Jordans Installation war mehr als Kulisse – sie machte Shelleys Idee vom „modernen Prometheus“ spürbar.

Währenddessen füllte sich der Schutterhof, das Herz des Festivals. Dort sorgten das Jugendrotkreuz Ingolstadt, das Schanzer Kindl e. V. und die Museumspädagogik für ein vielseitiges Kinderprogramm mit Schminken, Spielen und kleinen Gruselaktionen. Die Stadtwache ergänzte das Programm mit einem stimmungsvollen Erlebnislager. Für den literarischen Teil sorgten Jens Rohrer und Melanie Arzenheimer, die mit ihren Lesungen den Frankenstein-Mythos neu interpretierten. Beatrix ChaBè Müller begrüßte die Gäste, bevor als besonderer Höhepunkt die Kreatur selbst mitten im Publikum stand.

Am Abend bestimmten Feuershow, Stummfilme und Performances die Atmosphäre. Der Schutterhof wurde zum Schauplatz eines spielerischen Schauderns, bei dem Unterhaltung und Literatur, Stadtgeschichte und Popkultur zusammenfanden.

Dass Ingolstadt für dieses Festival der richtige Ort ist, zeigte sich mal wieder. Hier, im Roman wie in der Realität, studierte Victor Frankenstein, hier experimentierte er, hier verankerte Mary Shelley den Ursprung ihrer Erzählung. Die Straßen und Gebäude geben der Fiktion ein Fundament.

Der letzte Akzent des Wochenendes setzte die Aftershow im Kap 94: Bei der Frankenstein-Party verwandelte sich der Club in eine düstere Tanzhöhle, in der die Kreatur zwischen Beats und Projektionen weiterlebte.

Besonders deutlich wurde die Resonanz schon im Vorfeld:
 Frankenstein-Führungen, Kutschfahrten und das Labor-Erlebnis waren restlos ausgebucht. Ein unvergessliches Ereignis, das nach Wiederholung förmlich schreit.

So verband das Frankenstein-Weekend literarisches Erbe mit einem vielfältigen Erlebnisprogramm. Mary Shelleys Frage „Wo ist sie hin?“ blieb unbeantwortet – doch für ein Wochenende war die Kreatur mitten in Ingolstadt wieder da.