Kommentar: Wenn Farbe zum politischen Urteil wird – Warum immer gleich „links“?

In der Nacht zum Mittwoch wurden in der Ingolstädter Innenstadt mehrere rote Graffiti-Schriftzüge und Symbole entdeckt: politische Parolen, Hammer und Sichel. Die Polizei spricht in ihrer Pressemitteilung von „linkspolitischen Graffitis“. Die Ermittlungen laufen.


Doch genau an dieser Stelle lohnt ein kurzer Moment des Innehaltens:
Warum entsteht bei solchen Vorfällen reflexartig der Eindruck, es handle sich um „linke Sachbeschädigung“? Warum reicht die Farbe Rot und ein altes Symbol aus, um sofort ein politisches Lager auszumachen?

Man könnte auch fragen: Wer sagt denn, dass hinter diesen Schmierereien tatsächlich eine klassische linke Gruppe steckt? Ist es nicht denkbar, dass genau diese Zuschreibung gezielt provoziert oder instrumentalisiert werden soll? Ob aus tatsächlicher Überzeugung, aus jugendlichem Übermut oder gar aus bewusster Täuschung – das bleibt zunächst offen.

Gerade in politisch aufgeladenen Zeiten wie diesen fällt auf, dass sich Urteile häufig in eine Richtung drängen. Wenn Autos brennen, wenn Wände besprüht werden, wenn Demonstrationen ausarten: Schnell heißt es „linksextrem“ oder „rechtsextrem“. Der Wunsch nach klaren Schubladen ist menschlich verständlich – aber er birgt die Gefahr der Vereinfachung.

Denn Graffiti sind oft mehr Ausdruck von Protest, von Wut oder schlicht von Provokation als von durchdachter politischer Strategie. Wer da mit dem Finger zeigt, sollte sich bewusst sein, dass er damit oft mehr über seine eigene Wahrnehmung verrät als über die tatsächlichen Täter.


Wichtig bleibt: Es handelt sich hier in erster Linie um Sachbeschädigung, nicht um ein politisches Bekenntnis. Und unsere Aufgabe als Gesellschaft wäre es, ebenfalls nicht immer gleich zu wissen, wer „es gewesen sein muss“.

Gerade weil politische Debatten zunehmend hitzig und polarisiert verlaufen, wäre etwas mehr Gelassenheit und Offenheit im Urteil wünschenswert. Nicht jede rote Farbe an der Wand ist gleich ein politisches Manifest.

Manchmal ist es einfach nur: Farbe.

Und dennoch: Gerade weil solche Schmierereien immer wieder das Stadtbild prägen, braucht es auch klare Haltung und Konsequenz seitens der Stadt. Es reicht nicht, auf Schuldige zu warten – man muss sich ebenso dazu bekennen, wie entschieden und konsequent man gegen solche Formen der Sachbeschädigung vorgeht. Für ein sauberes Stadtbild und ein respektvolles Miteinander, unabhängig von politischen Zuschreibungen.