Literatur und Jazz im Mai
Mit einer Kurzgeschichte des Shootingstars der deutschen Literaturszene
Als wäre die Geschichte eigens für Peter Greif geschrieben worden: Sonja Walter hat mit „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ voll ins Schwarze getroffen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer der restlos ausverkauften Veranstaltung erlebten den begnadeten Vorleser einmal mehr in seinem Element. Wenn er in die Rolle der Gisel schlüpfte, ließ er all die Emotionen und Gedanken der Hamburger Witwe lebendig werden. Es waren Momente voller Wehmut, Einsamkeit und Traurigkeit – aber auch voller Trotz, Eigensinn, Humor und großer Zuneigung zur Protagonistin.
Neben Greifs eindrucksvoller Vorlesekunst und den musikalischen Einlagen der Formation „Die Männer“ war es vor allem der Text von Shootingstar Saša Stanišić, der den Sonntag Vormittag zum Höhepunkt machte. Wer den Autor bislang nicht auf dem Schirm hatte, sollte sich seinen Namen unbedingt merken.
Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad (Bosnien) geboren. Als 1992 bosnisch-serbische Truppen die Kleinstadt besetzten, flüchtete seine Familie zum Onkel nach Hamburg. Dort schlugen sich die Politikprofessorin und der Betriebswirt mit Jobs in einer Wäscherei und auf dem Bau durch. 1998 wanderten die Eltern in die USA aus.
Bereits während seiner Schulzeit an der Internationalen Gesamtschule Heidelberg fiel Stanišićs schriftstellerisches Talent auf – sein Deutschlehrer förderte ihn und unterstützte seinen Wechsel auf ein Gymnasium. Schon während des Studiums erregten einige seiner Texte viel Aufmerksamkeit. Bald wurde er mit renommierten Auszeichnungen und Preisen wie dem Ingeborg-Bachmann-Preis, dem Preis der Leipziger Buchmesse, dem Deutschen Literaturpreis, dem Deutschen Jugendliteraturpreis und vielen weiteren geehrt.
Ein so grandioser Start in den Sonntag darf gern weiter Tradition bleiben. (HaGa)