Randnotizen eines denkwürdigen Tages
Als eine „Zäsur in der Ingolstädter Stadtgeschichte“ hat Oberbürgermeister Christian Scharpf diesen Montag, den 4. Mai 2020 bezeichnet. Als er 1971 das Licht der Welt erblickte, war Otto Stinglwagner von der SPD (noch ein Jahr lang) Ingolstädter Oberbürgermeister und damit vorerst der letzte „Genosse“ in diesem Amt – bis jetzt. Die konstituierende Sitzung war allein deshalb schon ein denkwürdiges Ereignis. Dass dann aber auch noch alle Anwesenden einen Mundschutz tragen müssen, sich nicht de Hände geben dürfen und die Sitzung im Theaterfestsaal anstatt im Sitzungsaal des neue Rathauses stattfindet, das macht das ganze durchaus außergewöhnlich. Beim Blick zurück wird man in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten fast nur Bilder von Damen und Herren mit Masken hervor kramen und ein gemeinsames Gruppenfoto des gesamten Stadtrats 2020 wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Und hier ein paar Randnotizen, die vermutlich nicht für die Geschichtsbücher taugen.
Von wegen Neulinge
Unter den frisch vereidigten Stadträten und Stadträtinnen (insgesamt 22!) befinden sich etliche bekannte Gesichter, die man irgendwie schon immer mit der Politik in Verbindung gebracht hat. Und doch sind sie jetzt von Christian Scharpf vereidigt worden, weil sie eben noch keine Mitglieder des Stadtrats waren: Eva Bulling-Schröter war 1994 bis 2002 und 2005 bis 2017 Bundestagsabgeordnete für die Die Linke und Agnes Krumwiede (Bündnis 90/Die Grünen) saß 2009 bis 2013 ebenfalls im Deutschen Bundestag. Alfred Grob ist gerade bei der Landtagswahl für die CSU in das bayerische Landesparlament eingezogen und nun ein „frisch gebackener“ Schanzer Stadtrat genauso wie Jürgen Köhler (UDI), der viele Jahre das Kulturamt der Stadt leitete. Außerdem wurde Christian Lösel als Stadtrat vereidigt – einen OB-Automatismus gibt’s da nicht.
Nicht zu bremsen – der neue OB
Der ausgeklügelte Ablauf des festlichen Teils der konstituierenden Sitzung ist vom neuen Stadtoberhaupt gleich mal etwas auf den Kopf gestellt worden. Nach seiner Vereidigung durch „Alterspräsident“ Manfred Schuhmann ist Christian Scharpf – anders als geplant – gleich mal auf der Bühne geblieben. Nach dem Motto: Ein Mann, ein Rednerpult – dann kann ich ja los legen! Macht durchaus Sinn, weicht aber vom Protokoll ab. Und so hielt der „Neue“ seine Antrittsrede vor der Abschiedsrede des „Alten“ (eigentlich hätte es anders herum sein sollen).
Mikro! Mikro! Mikro!
Ja, das waren noch Zeiten, als man im Großen Sitzungssaal einfach aufs Knöpfchen drückte und (in den meisten Fällen zumindest) für alle hörbar seine Meinung/Nachfrage/Anmerkung/Bestürzung kundtun konnte. Doch im sehr geräumigen Theaterfestsaal funktioniert das nicht (außer man verfügt über ein sehr lautes Organ), weswegen zwei Rednerpulte mit Mikrofonen installiert wurden, um den Stadträten/innen Gehör zu verschaffen. Aber dieses Prozedere ist noch gewöhnungsbedürftig, jedenfalls versuchten es in immer wieder wackere Abgeordnete, vom Platz aus ihre Meinung zu äußern – doch der Ruf „Mikroooooooo!“ – beendete das Ansinnen zumeist.
Knallharter Kommentar
Dass Brigitte Fuchs „gradraus“ sagt, was ihr auf dem Herzen liegt, ist nichts Neues. Und genau dafür lieben und fürchten sie ihre politischen Weggefährten. Und so hatte die CSU Politikerin und ehemalige Dritte Bürgermeisterin auch kein Blatt vor den Mund genommen, als sie am Nachmittag auf Christian Scharpf traf, der gerade im Foyer stand: „Sie reden genauso lange wie der Vorgänger!“ lautete ihr Kommentar. Danach mussten beide schmunzeln.