Weniger Eigeninteressen – mehr Wertschätzung für Ehrenamt und Kultur
Ingolstadts neuer Oberbürgermeister Christian Scharpf erläuterte in seiner Antrittsrede im Festsaal des Stadttheaters seine Visionen für die kommenden sechs Jahre. Seine Dank und seine Anerkennung sprach seinem Vorgänger Christian Lösel für dessen Einsatz für die Stadt aus.
Hier die Rede von Christian Scharpf:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, liebe
Kolleginnen und Kollegen, lieber Christian Lösel,
der heutige Tag ist eine Zäsur in der Ingolstädter Stadtgeschichte. Als ich 1971 das Licht der Welt erblickte, war Otto Stinglwagner von der SPD noch Oberbürgermeister. Knapp ein Jahr später hat 1972 dann der von mir hochgeschätzte Peter Schnell dieses Amt für die darauf folgenden 30 Jahre übernommen. Ich bin sozusagen mit OB Peter Schnell aufgewachsen und hätte mir in meiner Jugend und als junger Erwachsener nicht träumen lassen, dass ich das Amt des Ingolstädter Oberbürgermeisters einmal selbst übernehmen würde. Und ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass ich es sein werde, der nach fast einem halben Jahrhundert den OB-Sessel für die SPD zurückerobert.
Natürlich bin ich etwas stolz darauf, heute hier vor Ihnen stehen zu dürfen und es ist mir eine große Ehre, meiner Heimatstadt die nächsten Jahre dienen zu dürfen. Ich danke den Ingolstädterinnen und Ingolstädtern, die mir diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen haben, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, – und bei denen, die es nicht getan haben hoffe ich, sie die kommenden Jahre von meiner Arbeit zu überzeugen. Im Bewusstsein der großen Verantwortung nehme ich das Amt mit Demut und Respekt an.
Ingolstadt ist nicht mehr die Stadt meiner Kindheit und Jugend. Von der Gebietsreform 1972 bis in die Mitte der 80er-Jahre ist die Stadt kaum gewachsen, hatte stets um die 90.000 Einwohner. Das gigantische Wachstum der letzten 30 Jahre auf nunmehr fast 140.000 Einwohner und die gewaltige Dynamik haben die Stadt innerhalb nur einer Generation stark verändert.
Die Bevölkerungsstruktur hat sich gewandelt, neue Wohnviertel sind entstanden, die Mieten sind gestiegen, die Straßen sind voller geworden, aber auch die Bedeutung Ingolstadts ist gewachsen: Wir haben im Laufe der Jahre ein Landgericht bekommen, eine Universitäts-Fakultät, eine Hochschule, ein Polizeipräsidium und dereinst wohl auch einen Sitz der Regierung von Oberbayern, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Lassen Sie mich ein paar Überlegungen meiner künftigen Stadtpolitik skizzieren:
1. Ingolstadt und die Region
Im Landesentwicklungsprogramm sind wir nicht mehr bloß ein Oberzentrum, wir sind als Großstadt im Herzen Bayerns zum Regionalzentrum aufgestiegen. Dieser Verantwortung müssen wir mit einer verstärkten Zusammenarbeit in der Region, mit den umliegenden Landkreisen und Gemeinden künftig stärker gerecht werden. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit den anderen. Dabei geht es um einen ganzen Strauß an Themen, von der Straßenverkehrsplanung, über öffentlichen Personennahverkehr, Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung bis zum Schulbau und Freizeiteinrichtungen. Ich bin überzeugt davon, dass eine verstärkte Zusammenarbeit unabdingbar ist, um die Herausforderungen in einer wachsenden und zusammen wachsenden Region zu meistern.
2. Mobilität und Verkehr
Mobilität und Verkehr zählen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu den wichtigsten Themen in der Stadt. Auf das rasante Wachstum unserer Stadt habe ich bereits hingewiesen. Die Zahl der Einpendler aus der Region ist seit dem Jahr 2000 um 60% gestiegen von 40.000 auf 64.000 täglich. In den Stoßzeiten sind die Kapazitäten auf unseren Straßen an ihren Grenzen angelangt. Wir haben es in den vergangenen Jahren versäumt, eine Verkehrswende einzuläuten und alternative Massenverkehrsmittel zu planen. Es geht dabei nicht darum, jemanden zu bevormunden: Wer Auto fahren will soll Auto fahren, aber wir müssen in unserer wachsenden Stadt alternative Angebote der Fortbewegung schaffen, wir müssen den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen und den Verkehr in Stadt und Region in den Griff bekommen. Auch hier ist wieder die Zusammenarbeit in der Region gefragt.
Ich möchte der Potentialuntersuchung nicht vorgreifen. Aber: Ein S-Bahn ähnliches System in der Region auf bestehenden Gleisstrecken der Deutschen Bahn ist für mich ein viel versprechender Ansatz.
3. Bezahlbares Wohnen
Bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums können sich die Leistungen unserer Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft sehen lassen. Sowohl bei der Anzahl an Sozialwohnungen als auch bei der Durchschnittsmiete von 5,80 Euro/qm stehen wir mit unserer Wohnungsbaugesellschaft sehr ordentlich da im Vergleich zu anderen Großstädten.
Aber: Nicht jeder hat das Glück, eine Wohnung bei der Gemeinnützigen zu bekommen. Die aktuellen Marktpreise am freien Wohnungsmarkt liegen weit höher zwischen 10,00 und 14,00 Euro/qm. Die Mieten in Ingolstadt sind von 2009 bis 2019 um über 50% gestiegen. Damit liegen wir unter den TOP 10 der Großstädte in Deutschlands mit den größten Mietpreissteigerungen. Freilich werden auch auf dem freien Markt viele Wohnungen gebaut, aber die sind sehr teuer. Wir müssen deshalb auch außerhalb unserer eigenen Wohnungsbaugesellschaft stärker die uns als Stadt zur Verfügung stehenden Instrumente und Möglichkeiten nutzen, damit sich die Menschen Wohnen auch am freien Markt leisten können.
4. Stadtentwicklung
Ein wichtiges Thema ist die Stadtentwicklung. Wir brauchen ein langfristiges städtebauliches Konzept für die künftige Stadtentwicklung. Wenn die Prognosen stimmen, dass die Stadt in den kommenden Jahren auf bis zu 160.000 Einwohner wachsen soll, dann bedeutet das einen Flächenzuwachs der rund viermal so groß ist wie die Altstadt. Ich strebe kein Wachstum um des Wachstums willen an, um das klar zu sagen, aber die Stadt kann Zuzug nur bedingt steuern und natürlich sind wir auch froh, wenn neue und gute Arbeitsplätze entstehen. Wir müssen uns daher Gedanken machen, wie das kommende Wachstum bewältigt werden soll: Wo sollen die Menschen wohnen, wo soll Gewerbe angesiedelt werden? Das hat auch Auswirkungen auf die Verkehrsanbindungen, an die Anforderungen an den öffentlichen Nahverkehr, auf die Frage wo wir Schulen, Kindertagesstätten sowie Sport- und Freizeitmöglichkeiten planen. Wir müssen diese Themen ganzheitlich betrachten und planen und von vorneherein alle Aspekte einer einwohnergerechten Stadtentwicklung mitdenken.
5. Stadtgestaltung
Ein weiteres Anliegen, das mir sehr am Herzen liegt, ist unsere Stadtgestaltung. Wir haben eine historische Altstadt, um die uns viele Städte beneiden. Bei allem Verbesserungspotential, ist unsere historische Altstadt doch ein Schmuckkästchen, das wir bei künftigen Planungs- und Baumaßnahmen mit viel Gespür für unser historisches Erbe weiter entwickeln müssen. Es gab freilich auch Bausünden: So ist beim Rathausplatz mit dem all zu wuchtigen und überdimensionierten Riegel des Sparkassengebäudes das Kind leider schon in den Brunnen gefallen. Aufwertungspotential sehe ich vor allem beim Viktualienmarkt und seinem Umfeld, in der Harderstraße und in der Donaustraße. Ich möchte zusammen mit anderen Akteuren aus der Stadtgesellschaft, sei es der Historische Verein, seien es örtliche Architekten und andere, gemeinsam überlegen, wie wir diese Bereiche aufwerten können. Ideen hierzu gibt es bereits zahlreiche, wir müssen nur den Mut haben, diese auch umzusetzen.
Das Gespür für unsere Schanz brauchen wir auch außerhalb der Altstadt. Freilich spielen Investoren auch in der Zukunft eine wichtige Rolle, weil die Stadt nicht alles alleine planen und bauen kann, aber wir müssen künftig verstärkt auf eine anspruchsvolle Architektur achten und als Stadt alle Möglichkeiten nutzen, damit unsere Heimatstadt nicht
durch eine seelenlose Investorenarchitektur banalisiert wird. Mit Schrecken denke ich dabei etwa an das Gelände des alten Schlachthofs oder das Gießereigelände. Manche Gebäude könnten auch in jedem x- beliebigen Gewerbegebiet stehen. Wir müssen achtsamer mit unserer Stadt umgehen! Ich wünsche mir auch außerhalb der Altstadt ein Ingolstadt, das bei der Stadtgestaltung etwas auf sich hält, eine Stadt mit Charakter, mit einer Seele, in der sich die Menschen wohl fühlen und Stolz auf ihre Stadt sein können. Beim Areal rund um den neuen Hauptbahnhof, an der Südlichen Ringstraße oder bei der Entwicklung des Weinzierlgeländes stehen wir dabei vor den nächsten Herausforderungen.
6. Soziale Stadt – Bürgerstadt
Gemessen an den Durchschnittseinkommen der Bürger ist Ingolstadt eine relativ reiche Stadt. Ingolstadt muss aber auch eine soziale Stadt sein. Auch wenn es vielen Menschen in unserer Stadt gut geht, dürfen wir die Schwächeren nicht vergessen, Geringverdiener, Alte, Kranke, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen oder Behinderte. Hier haben wir deutliches Verbesserungspotential, etwa durch Errichtung eines Pflegestützpunkts, durch Mobilitätshelfer, durch konkrete Beratungsangebote für Senioren und Hilfsbedürftige, durch Unterstützung bei der Organisation in der häuslichen Versorgung, aber auch durch Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben.
Ich möchte eine solidarische Stadtgesellschaft, die bei bestehenden Problemen und Defiziten nicht wegschaut, sondern sie offen benennt und sich um Abhilfe bemüht. Die Stadtverwaltung steht dabei nicht in Konkurrenz mit anderen Akteuren der Stadtgesellschaft, etwa freien Trägern oder Vereinen. Im Gegenteil: Ich möchte eine Stadtgesellschaft, die sich als Ganzes versteht, in der jeder seinen Beitrag leistet, damit wir gemeinsam Gutes und etwas zum Besseren bewirken. Das verstehe ich unter einer solidarischen Stadtgesellschaft, in der wir zusammenarbeiten und zusammenhalten zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger. Das ist unsere Aufgabe.
Ich möchte eine Bürgerstadt, die das soziale Miteinander befördert, etwa durch Treffmöglichkeiten für soziale und kulturelle Vereine, für bürgerschaftlich Engagierte.
Bürgerschaftliches Engagement in Vereinen und Ehrenämtern ist essentiell für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und ein wichtiger Baustein für eine solidarische Stadtgesellschaft. Durch die Verbindung von Eigeninitiative mit gesellschaftlicher Verantwortung entwickeln sie Ideen und innovative Lösungsansätze für alle Lebensbereiche. Ingolstadt hat eine rege ehrenamtliche Struktur über weite Teile der Gesellschaft. Wir sollten das ehrenamtliche Engagement deshalb nicht nur am Abend des Ehrenamts wertschätzen, sondern es stärker fördern durch eine kontinuierliche Begleitung und Unterstützung von Seiten des Rathauses.
7. Corona-Krise
Wir erleben in der Corona-Krise gerade eine sehr schwierige Zeit. Viele Menschen sind in Kurzarbeit, viele kleine und mittlere Betriebe, etwa im Einzelhandel, in der Gastronomie, im Kulturbereich und anderswo sind in ihrer Existenz bedroht. Der Staat hat zahlreiche Hilfsprogramme aufgelegt. Der Ingolstädter Stadtrat hat einen von der IFG initiierten Millionen Euro schweren Strukturfonds Wirtschaft zur Abfederung der Corona-Folgen auf den Weg gebracht. Gleichwohl wird der Staat nicht alle Folgen der Pandemie abfedern können. Gerade jetzt ist es wichtig, dass die gesamte Gesellschaft zusammensteht und füreinander da ist. Ich danke allen, die derzeit unser gesellschaftliches Leben am Laufen halten, im Gesundheitsbereich den Ärzten und dem Pflegepersonal, den Mitarbeitern in Supermärkten und in der Lebensmittelversorgung, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und der Verwaltung, den vielen Ehrenamtlichen die sich im Dienst an der Gemeinschaft einbringen und helfen und vielen anderen mehr. Die Ingolstädterinnen und Ingolstädter haben sich in der Corona-Krise vorbildlich verhalten. Der Rückgang der Ansteckungszahlen in unserer Stadt gibt Anlass zur Hoffnung.
Die wirtschaftlichen Folgen der Krise werden wir allerdings noch lange schmerzhaft spüren.
Es ist schon jetzt klar, dass die Steuereinnahmen sinken und unsere Rücklagen abschmelzen werden. Wir werden bei unseren politischen Zielen Prioritäten setzen müssen.
Bei all den sich abzeichnenden Schwierigkeiten dürfen wir aber nicht unseren Gestaltungsanspruch als verantwortliche Kommunalpolitiker aufgeben. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Investitionen der öffentlichen Hand notwendig, um die Konjunktur nicht noch weiter abzuschwächen.
Auch wenn wir schwereren Zeiten entgegen gehen appelliere ich an uns alle: Lassen wir uns nicht runterziehen, nehmen wir die kommenden Herausforderungen an und wenn wir als Stadtgesellschaft
zusammenhalten, werden wir es schaffen.
8. Wirtschaft und Arbeitsplätze
Auch jenseits der Corona-Krise werde ich beim Thema Wirtschaft und Arbeitsplätze alles in meiner Macht Stehende tun, damit die Stadt in enger Zusammenarbeit mit allen am Ingolstädter Wirtschaftsleben Beteiligten Arbeitsplätze erhält und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Ingolstadt bewahrt bleibt. Natürlich kann die beste kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nicht die Folgen einer weltweiten Konjunkturkrise oder der Stagnation in der Autobranche komplett kompensieren, aber wir können wichtige Impulse setzen. Ich möchte deshalb zusammen mit dem Stadtrat einen Wirtschaftsreferenten etablieren, der das wirtschaftspolitische Gesicht der Stadt ist, der eingebunden ist in die Stadtregierung, in die Debatten des Stadtrats und der die Wirtschaftsthemen vorantreibt.
Die Themen Wissenschafts- und Hochschulstandort sowie neue Technologien und daraus resultierende neue Arbeitsplätze, wie sie mein Amtsvorgänger Dr. Christian Lösel angeschoben hat, sollen weiter geführt werden. In der Zukunft müssen wir uns aber auch verstärkt um die kleinen und mittleren Betriebe kümmern, Gewerbe- und Handwerkerhöfe gründen, ein Gewerbeflächenentwicklungsprogramm auflegen und neue Impulse beim Thema Tourismus und Standortmarketing setzen.
9. Stadtimage und Stadtidentität
Das bringt mich gleich zum Thema Stadtimage und Stadtidentität. Da tun wir Ingolstädter uns nicht so ganz leicht. Auswärtige verbinden mit Ingolstadt in erster Linie Audi, die Älteren haben noch die Raffinerien im Hinterkopf. Und unsere eigene Bevölkerung hat denke ich keine einheitliche Vorstellung von unserer Stadtidentität, weil alteingesessene Schanzer, die noch nicht in der boomenden Großstadt sozialisiert worden sind, anders „ticken“ als die in den letzten Jahrzehnten zahlreich zugezogenen Neubürger.
Wenn ein hochqualifizierter Arbeitnehmer die Wahl hat, einen hochdotierten Job in Regensburg, München oder Ingolstadt zu anzunehmen, wird er in der Regel eher nicht Ingolstadt bevorzugen. Das sollten wir ändern. Ich möchte, dass die Menschen nicht nur wegen gut bezahlter Jobs zu uns nach Ingolstadt kommen, sondern auch und vor allem deswegen, weil Ingolstadt eine tolle Stadt ist. Unsere Stadt ist attraktiv, unsere Stadt ist lebenswert, unsere Stadt hat eine hohe Lebensqualität, aber leider verbinden das viele Menschen außerhalb Ingolstadts nicht mit unserer Stadt.
a) Kulturstadt
Daran sollten wir arbeiten und hierbei ist die Kultur ein ganz wesentlicher und entscheidender Faktor, was meiner Ansicht nach bislang völlig unterschätzt wird. Kultur verschafft einer Stadt Identität, Kultur verleiht einer Stadt Charme, gibt ihr „Flair“. Und Kultur schafft Urbanität. Wir geben ohne mit der Wimper zu zucken viele Millionen für ein neues Parkhaus aus. Das wird weder in der Stadtpolitik noch in den Medien großartig thematisiert. Die Diskussion über Kammerspiele, bei denen der Freistaat 75% der förderfähigen Kosten übernimmt und bei denen die Betriebskosten auf ein Minimum reduziert sind, nimmt hingegen seit Jahren beinahe Dramen hafte Züge an. Das verstehe wer will. Dabei besteht Kultur freilich nicht nur aus Hochkultur; genauso wichtig sind Kreativkultur, Subkultur und viele andere kulturelle Erscheinungsformen.
Wenn wir Großstadt nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Kopf und im Herzen sein wollen, müssen wir ihnen eine stärkere Stimme geben, damit Ingolstadt nicht bloß als Wirtschaftsstandort wahrgenommen wird, sondern dass man uns als Stadt identifiziert, die mehr zu bieten hat als Audi und gut bezahlte Arbeitsplätze. An diesem Image, dass Ingolstadt mehr ist und mehr kann, müssen wir noch arbeiten: In unseren Köpfen und in unseren Herzen.
b) Grüne Stadt
Ingolstadt hat noch viel mehr Pfunde mit denen es wuchern kann. Ingolstadt ist eine „grüne“ Stadt mit hohem Freizeitwert: Eine Großstadt im Grünen mit den einzigartigen Donauauen als Naherholungsgebiet. Mit einer Donau, die uns als Frischluftschneise trotz Umweltbelastungen eine gute Luft beschert. Eine Großstadt, bei der sogar die Altstadt mit dem Glacis von einem Grüngürtel umgeben ist und eine Großstadt mit einem zweiten Grünring, den wir künftig noch viel stärker wertschätzen und sichern müssen.
c) Historische Stadt
Ein weiteres Pfund ist unser historisches Erbe mit einer Geschichte, die nicht frei von Brüchen ist: Die Herzogszeit hat baulich mit Münster und neuem Schloss ihre Spuren hinterlassen, währte aber nur kurz, die erste bayerische Landesuniversität brachte europaweite Geltung, ihr Wegzug 1800 dagegen beinahe Bedeutungslosigkeit, die Landesfestung aus dem 19. Jahrhundert entfaltet heute noch ihren Charme im Stadtbild, hat die Stadtentwicklung aber mehr behindert als befördert. Nach dem zweiten Weltkrieg, nach wirtschaftlich auch schwierigen Jahren, schließlich der Aufstieg von Audi zum Weltkonzern und der Aufstieg Ingolstadts zur
boomenden Großstadt, praktisch im Zeitraffer!
Die Besinnung auf unser historisches Erbe und auf unsere altbayerischen Wurzeln und Traditionen sind in zweierlei Hinsicht wichtig: Zum einen nach außen zur Schärfung unseres Stadtimages, zum anderen nach innen für uns selbst als feste Konstante gerade angesichts der Dynamik der letzten Jahrzehnte.
d) „High Tech“-Stadt
Und zu guter Letzt ist mein Ingolstadt nicht nur eine grüne, urban vielfältige Kulturstadt mit reichem historischem Erbe, sondern als Wissenschafts- und Hochschulstandort gleichzeitig auch High Tech- Stadt mit vielen qualifizierten Arbeitsplätzen in Zukunftstechnologien, wie sie derzeit etwa am IN-Campus entstehen. Auf dieser Basis kann eine Vision Ingolstadts für das 21. Jahrhundert wachsen, denn Ingolstadt kann mehr und ist mehr als ein Industriestandort. Wir müssen es nur wollen.
10. Strukturen bei Gesellschaften und der Stadtratsarbeit
Wir sollten aber nicht nur an Visionen, wir müssen auch an Strukturen arbeiten:
Wir haben viele Beteiligungsgesellschaften. GmbHs sind nicht per se schlecht. Sie machen Sinn in Bereichen wie etwa bei den Stadtwerken, beim Klinikum oder unserer Wohnungsbaugesellschaft. Aber es muss für die Bürgerinnen und Bürger klar und nachvollziehbar sein, wo die Entscheidungen fallen und wer dafür verantwortlich ist. Wenn ein Beteiligungsgeflecht aus zahlreichen Gesellschaften und Untergesellschaften nur noch Eingeweihte durchblicken, dann geht die Entwicklung in die falsche Richtung. Die zentralen Entscheidungen für unsere Stadt müssen in erster Linie im von unserer Gemeindeordnung dafür vorgesehen Gremium getroffen werden, nämlich im Stadtrat und nicht in Aufsichtsräten, liebe Kolleginnen und Kollegen.Deshalb müssen wir unsere Beteiligungsstrukturen auf den Prüfstand stellen. Wir sollten auch den Zuschnitt der Stadtratsausschüsse überdenken. Die Ausschussarbeit im Stadtrat muss gestärkt werden, dort sollen die fachlichen Themen von den Fachpolitikern diskutiert werden bevor sie in die Vollversammlung kommen. Deshalb macht es Sinn, den Zuschnitt der Ausschüsse verstärkt am Zuschnitt der Referate zu orientieren. Das und noch viel mehr wird Gegenstand der Beratungen in der Geschäftsordnungskommission sein, wenn wir uns nach den Corona- Beschränkungen endlich wieder in geregelten Sitzungen treffen können; ich hoffe, noch vor der Sommerpause.
11. Zusammenarbeit im Stadtrat
Ich habe auch noch ein paar Wünsche und Erwartungen an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtrat.
Ich wünsche mir einen die Interessen der Stadt selbstbewusst vertretenden Stadtrat, einen Stadtrat, der selbst Impulse setzt, einen mutigen und einen entscheidungsfreudigen Stadtrat. Die Wählerinnen und Wähler haben sich am 15. März für einen bunten Stadtrat aus 11 Parteien und Gruppierungen entschieden und damit gilt es jetzt umzugehen. Das birgt Risiken, aber auch Chancen. Als Oberbürgermeister kann ich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht durchregieren. Das mag in früheren Zeiten funktioniert haben, aber das ist vorbei. Und das hätte ich auch nicht gewollt. Wir müssen uns daher zusammenraufen. Politik besteht immer aus Geben und Nehmen. Es braucht die Fähigkeit zu Kompromissen, die Bereitschaft, die Argumente des anderen gelten zu lassen und sie zu respektieren, es braucht die Fähigkeit aufeinander zuzugehen. Wenn jeder nur seine eigenen Interessen im Blick hat kann die Arbeit in einem Stadtrat nicht funktionieren. Wenn wir wollen, dass sich die Menschen in unserer Stadt mit gegenseitigem Respekt begegnen, dann müssen wir als Stadträtinnen und Stadträte mit gutem Beispiel voran gehen.
Wir können in der Sache hart miteinander streiten. Das muss auch so sein, so funktioniert Demokratie. Aber wir müssen uns dabei einander immer zugestehen und anerkennen, dass auch die jeweils andere Seite das Wohl der Stadt und ihrer Bürger im Blick hat. Wenn wir das respektieren, wenn wir sachliche Differenzen nicht persönlich nehmen, wird es auch jederzeit möglich sein, dass wir uns nach den Sitzungen noch auf ein Bier oder was für ein Getränk auch immer zusammen setzen und vernünftig miteinander umgehen. So stelle ich mir den politischen Neuanfang im Stadtrat vor und wenn wir es schaffen das zu beherzigen, werden wir sechs gute Jahre miteinander und für unsere Stadt haben.
12. Miteinander für die Bürgerinnen und Bürger
Die Umfragen in Vorfeld der Kommunalwahl haben gezeigt, dass die Zufriedenheit der Menschen mit der Kommunalpolitik ausbaufähig ist, um es vorsichtig zu formulieren. Die Menschen fühlen sich von der Politik offenbar das eine oder andere mal nicht wirklich mitgenommen und ernst genommen. Vertrauen ist anscheinend in den letzten Jahren teilweise
abhanden gekommen. Die Menschen mitnehmen, ernst nehmen und ihnen Gehör verschaffen, ihren Anliegen mit Respekt gegenübertreten, das ist für mich die beste Basis, um Vertrauen wieder aufzubauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur seriöse Politik stabilisiert unsere Demokratie und unsere Zivilgesellschaft. Für die Arbeit in unserem politisch bunten Stadtrat wird das gegenseitige sich ernst nehmen, das einander respektieren zum Schlüsselmoment für unseren künftigen Erfolg werden. Die Herausforderungen, die die kommenden Jahre auf Ingolstadt zukommen, werden groß sein.
Ich will gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die besten Lösungen für Ingolstadt entwickeln. Der OB für ALLE war nicht nur ein Wahlkampfslogan von mir, sondern ich möchte diesen Ansatz auch leben als ehrlicher Makler in einem bunten und vielfältigen Stadtrat mit 11 Parteien und Gruppierungen. Letztlich arbeiten wir alle nicht für eine Partei, sondern für die Interessen der Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger. Das ist unsere Aufgabe.
Ich danke Ihnen für´s Zuhören, für Ihr Vertrauen, und ich freue mich auf unsere gemeinsame Arbeit zum Wohle Ingolstadts.
Viele Dank!