Die kleinen dürfen nicht die Zeche zahlen!
In einer gemeinsamen Video-Pressekonferenz haben sich Vertreter der unterschiedlichen Gewerkschaften zur Situation in der aktuellen Corona-Krise geäußert. Normalerweise würde man am 1. Mai zur traditionellen Maikundgebung auf die Straße gehen und dort Forderungen und Positionen auch sichtbar zu machen. Das und die obligatorische Vorab-Pressekonferenz findet bzw. fand aber nun online statt. „Es ist trotzdem wichtig zu zeigen, dass es die Gewerkschaft gibt“, meinte Christian De Lapuente, Organisationssekretär des Ingolstädter DGB Büros. Das Motto in diesem Jahr lautet: Solidarisch ist man nicht alleine. Und so berichteten die einzelnen Gewerkschaftsvertreter aus ihren jeweiligen Bereichen – und es wurde klar: Die Corona Thematik beherrscht alle Arbeitsbereiche – aber die Auswirkungen sind nicht überall die gleichen.
Bernhard Stiedl, Erster Bevollmächtigter der IG Metall, meinte, dass „so eine Situation noch keiner erlebt habe.“ Die Arbeit der Gewerkschaften sei in den vergangenen Wochen sehr intensiv gewesen, was vor allem die Unterstützung der Arbeitnehmer beim Arbeits- und Gesundheitsschutz angehe. Nicht alle in der IG Metall organisierten Betriebe im Bereich Ingolstadt haben derzeit geschlossen, 46 Unternehmen hätten Kurzarbeit angemeldet, was zirka 20 000 Beschäftigte betrifft. Die wichtigsten Forderungen der IG Metall seien: 1. Die Menschen dürfen nicht krank werden! und 2. Kein Beschäftigter darf seinen Arbeitsplatz verlieren! Um letzteres zu verhindern, gäbe es das Instrument der Kurzarbeit. „Es darf aber nicht passieren, dass die Menschen dann arbeitslosen werden, wenn die Kurzarbeit ausläuft.“ Steidl warnte davor, dass Unternehmen die Krise ausnutzen könnten, Sozialleistungen oder Personal abzubauen und forderte eine milliardenschwere, staatliche Investitionsoffensive. Er befürwortet dabei auch eine Umweltprämie für die Automobilindustrie: „Jeder achte Arbeitsplatz in Deutschland hängt mit der Autoindustrie zusammen.“
Verdi Bezirksgeschäftsführerin Steffi Kempe und stellvertretende Vorsitzende des DGB Stadtverband Ingolstadt bedankte sich bei den Mitarbeitern in Kliniken, Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie allen Beschäftigten im Servicebereich für ihren Einsatz in der Corona Krise. Die Ankündigung einer 500 Euro Sonderzahlung für Pflegekräfte begrüße sie, aber „das ist Teamarbeit. Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen sollten diesen Bonus bekommen, auch die Mitarbeiter in der Reinigung oder der Küche.“ (Die Bundesregierung hat am selben Tag noch eine 1000 Euro Sonderprämie für Beschäftigte in der stationären Langzeitpflege und der ambulanten Pflege beschlossen, Anm.d.Red.) Sie hofft, dass aus der Krise heraus der dringende Bedarf an Fachkräften auch bei den politisch Verantwortlichen und den Arbeitgebern erkannt wird und eine „ordentliche Bezahlung“ der Beschäftigten im Gesundheitswesen künftig möglich werde.
Gabi Gabler, Kommissarische Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Ingolstadt – Eichstätt, erklärte, dass sich jetzt räche, dass man „Investitionen in Schulen immer nur als Unkosten gesehen hat.“ Das Personal sei hoch motiviert, auch online mit den Schülern zu arbeiten. Aber es mache sich eine tiefe Kluft bemerkbar zwischen den bestens mit PC. und Co. ausgestatteten Familien und denen, die kein entsprechendes Equipment haben: „Es gibt Kinder, die haben nicht einmal einen Zugang zum Internet oder eine E-Mail Adresse.“ Sie fordert außerdem ein grundsätzliches Umdenken des Systems Schule – weg von den Leistungsabgaben, hin zu mehr Pädagogik. Zudem begrüßt die GEW den Einsatz pensionierter Lehrer, um den Lehrermangel aufzufangen und fordert eine einheitliche Bezahlung aller Lehrkräfte nach A 13.
Zustände wie vor 20 Jahren attestierte der Vorsitzende des Ingolstädter Ortsvereins der Eisenbahnergewerkschaft, Eduard Seitz, der momentanen Situation auf den Bahnhöfen. Freie Plätze und, leere Züge, gestrichene Verbindungen seien in der Corona-Rise zu verzeichnen. Hier bereite man sich nun vor allem darauf vor, künftige Abstands- und Hygieneregelungen auch umsetzen zu können. Für die DGB Jugend erläuterte Jugendsekretärin Kati Koper die Problematiken von Azubis, die z.B. nun ohne Ausbilder auskommen müssten. Für die Abschlussprüfungen forderte sie, dass diese im vertraglich festgelegten Zeitraum ermöglicht werden sollten. Studenten sollten eine Unterstützung nicht in Form eines Darlehens, das man wieder zurück zahlen müsse bekommen, sondern eine echte Finanzspritze. Sie fordert klare Regelungen für die Ausbildung und keine „Willkür“ von Unternehmen und Schulen. Durch eine Aufnahme der schulischen Ausbildung und des Dualen Studiums in das Berufsbildungsgesetz könne das gewährleistet werden. Die DGB Jugend fordert außerdem, die Sachgründe für befristete Arbeitsplatzverhältnisse einzuschränken, um mehr Berufsanfängern unbefristete Arbeitsverträge zu ermöglichen.
Volle Auftragsbücher, jede Menge Arbeit – das vermeldet die IG Bau. „Die Baubranche boomt, die Kräne drehen sich und die Straßen werden geteert,“ erklärte der Gewerkschaftssekretär bei der IG Bauen-Agrar-Umwelt Thomas Ruckdäschel. Dabei werde natürlich auf den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter geachtet. Derzeit mache sich allerdings der Fachkräftemangel, der auch ohne Corona schon ein Problem war, verstärkt bemerkbar, denn Arbeitskräfte aus dem Ausland würden fehlen. Andererseits sei es unwürdig, nun Erntehelfer in Containern in Gruppequarantäne zu stecken. Hier habe die Würde des Menschen Vorrang. Besonders schlecht gehe es außerdem gerade dem Gebäudereinigerhandwerk. Hier könnten viele, die eh schon zu den ärmsten gehören, gar nicht arbeiten. Mit einem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des Lohns sei ein Auskommen schwierig – die Erhöhung auf 80 Prozent absolut notwendig. Ruckdäschel sieht hier auch die Unternehmer in der Pflicht, ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung nach zu kommen. Hier werde oft sofort mit staatlicher Unterstützung gerechnet, während kleine und Kleinst-Unternehmer, Gaststätten und Hotels weniger unterstützt würden. „Bei einem Pflastersteinhersteller werden Überstunden gemacht und Feiertagsarbeit genehmigt und gleichzeitig wird Kurzarbeit beantragt.“
„Die Kleinen dürfen nicht die Zeche bezahlen!“ betonte auch DGB Regionsgeschäftsführer Günter Zellner. Gerade im Bereich Gastronomie, Hotellerie, Tagungsbusiness und Tourismus sei die Lage verheerend. Im Gegensatz zu Unternehmen, die ihre Produktion in absehbarer Zeit wieder hoch fahren können, sind hier die Folgen noch unabsehbarer. Die sofortige Aufstockung des Kurzarbeitergeldes sei hier dringend nötig. Und Bernhard Stiedl erklärte: „Steuererleichterungen bringen nichts!“ Es müssten Kaufanreize geschaffen werden – das gelte für alle Bereiche. Grundsätzlich sollte man an den Werten festhalten, die von Politik und Neo-Liberalen verdammt worden seien und die sich jetzt in der Krise als richtig heraus gestellt hätten, etwa Rücklagen zu bilden, das Gesundheitssystem zu stärken, Gelder richtig zu verteilen und den Markt eben nicht alles regeln zu lassen.