Yalla! Was für ein vergnüglicher Dedikodu Talk mit Lady Bitch Ray
Dem erwarteten Gast, Lady Bitch Ray eilt, wegen ihrer oft provozierenden Auftritten in den Medien, ein Ruf wie Donnerhall, voraus. Wer allerdings eine provokante, schrille Performance am Freitag Abend in der Werkstattbühne des Stadttheaters erwartete, wurde möglicherweise diesbezüglich enttäuscht. Denn die üppig dekorierte Wellnessoase auf der Bühne lud zu einer Dedikodu ein, also einem Tratsch, Klatsch oder einem fröhlichen Ratschen – türkisch Dedikodu. Die Zuschauenden hatten am Freitag das Vergnügen an so einer Dedikodu teilzunehmen. Es war ein entspanntes, spritziges und kluges Geplänkel bis hin zur vertieften Diskussionen zwischen der Wissenschaftlerin, politischen Aktivistin, Buchautorin, Rapperin, Modedesignerin und Bildungsreferentin, Lady Bitch Ray aka Dr. Reyhan Sahin mit türkischen und der Regisseurin, Autorin und Performerin Antigone Akgün mit einem griechischen Hintergrund. Die beiden Frauen machten es sich auf den mit vielen bunten Kissen einladenden Couchs gemütlich und sinnieren darüber, ob und in welcher Art sie sich auch einmal Ruhe und Entspannung gönnen. Sahin erzählte wie schwer es ihrer Mutter, stellvertretend für diese Generation, fällt sich auch einmal Ruhe und Selbstfürsorge zu gönnen. Es folgt ein Appell an alle Frauen, für sich selbst gut zu sorgen. Oft reiche schon sich bewusst – vielleicht mit einer Gesichtsmaske – zu entspannen. Es können einfache Kleinigkeiten sein, entscheidend sei dabei, sich selbst etwas zu gönnen.
Nicht nur gönnen, sondern unbedingt fordernd sollten Frauen das verlangen, was ihnen zusteht. So ermuntert Sahin immer wieder Künstlerinnen, angemessene Honorarforderungen zu stellen und sich nicht von Aussagen, man habe für die Veranstaltung nicht so viel Geld, beeindrucken zu lassen. Durch die häufig große Bescheidenheit, oder dem Umstand, wegen möglicherweise geringen finanziellen Mitteln zurück zu stecken, betrage das GAP in der Kulturszene 25 Prozent. Lady Ray appelliert an die Künstlerinnen sich bewusst zu machen, dass eineVeranstaltung nicht wirklich cool wird, wenn es an finanziellen Möglichkeiten mangelt.
Ein wichtiger Diskussionspunkt war die permanente Anforderung an die weibliche Selbstoptimierung, die bereits sehr junge Mädchen erreicht. Nicht nur, dass sie immer dünner sein wollen, um ihren Körper in geforderte Schönheitsnorm rein zupressen, sondern es ist inzwischen fast normal, dass sich bereits Kinder mit 12/ 13 Jahren Botox und Hyaluronsäure spritzen lassen. Der Einfluss der sozialen Medien ist so massiv, dass die jungen Frauen – und nicht nur die ganz jungen – tatsächlich glauben, diese Unterwerfung unter bestimmte Körpernorm sei ein freiwilliger Akt der Selbstbestimmung. Das Unverständliche dabei ist, dass diesen Schönheitswahn oft auch Feministinnen mitmachen. Beide Gesprächspartnerinnen sahen kaum Möglichkeiten dieser neuen Form der weiblichen Unterwerfung etwas entgegen halten zu können.
Besonders schwierig schätzen die zwei Protagonistinnen auch die Frage ein, wie man eigentlich die Frauen, die bereits emanzipiert waren, die oft ein oder gar zwei Studienabschlüsse haben, aber anschließend in die traditionellen, patriarchalen Rollen wieder zurück gefallen sind, zurück gewinnen kann.
Auf eine wohl wenig bekannte Tatsache wies Dr. Sahin hin, dass es nämlich 1973 türkische, griechische und italienische Gastarbeiterinnen waren, die für ihre Rechte in Streik getreten sind: „Auch das hat Deutschland uns zu verdanken“
In einer Rollenumkehr waren es an diesem Abend zwei Männer – teilweise leicht bekleidet – die fürsorglich bis devot den diskutierenden Frauen ihre Wünsche schier von den Augen ablasen. Vor allem Lady Bitch hatte das Vergnügen ausgiebig Martins hingebungsvolle Massagen ausgiebig zu genießen.
Den inspirierend gelungenen Abend konnte man mit anregenden Gesprächen bei einem leckeren türkischen Buffet ausklingen lassen. (HaGa)