Coronavirus: Sorge um Asylbewerber
Die Initiativgruppe „Ingolstädter Erklärung“ sorgt sich angesichts der Coronakrise um die Bewohner der ANKER-Einrichtungen in Ingolstadt. dazu heißt es in der entsprechenden Mitteilung:
Wir, die Verfasser der Ingolstädter Erklärung, möchten uns heute in Sorge um die Situation der Asylbewerber in der ANKER-Einrichtung und den dezentralen Unterkünften in und um unsere Stadt an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wenden.
Derzeit leben über eintausend Asylbewerber in den Ingolstädter Unterkünften, die genauso wie die einheimische Bevölkerung unter der Gefährdung und den Folgen der Pandemie leiden. Wir haben jedoch Zweifel, dass die sinnvollen Schutzmaßnahmen und Regeln, die der Staat für uns alle etabliert hat, in den Unterkünften entsprechend umgesetzt worden sind oder überhaupt umgesetzt werden können. Wir fürchten,
dass die Flüchtlinge in unserer Stadt nicht ausreichend geschützt sind.
– Wir haben Zweifel, dass der Mindestabstand von 1,5 Metern in den engen Unterkünften und oft überbelegten Zimmern eingehalten werden kann. Nach unseren Informationen sind in den Zimmern oft Stockbetten bzw. bis zu 8 Menschen in engen Räumen untergebracht. Wasch- und Duschräume werden von Dutzenden von Menschen gemeinsam genutzt. In den Kantinen kann der Abstand beim Essen und der Essenausgabe nicht eingehalten werden.
– Bisher gibt es keine uns bekannten Maßnahmen, dass die Wohnsituation entsprechend entzerrt worden wäre oder besonders gefährdete Menschen mit Vorerkrankung oder ältere Menschen aus den Unterkünften herausgeholt oder separiert worden wären.
– Ab Montag gilt in Bayern aus guten Gründen eine Maskenpflicht. Wir fragen uns, ob die geflüchteten Menschen im Ankerzentrum Ingolstadt/Manching bereits Zugang zu Masken oder Hygienemitteln haben und die Verteilung bis Montag gesichert ist.
– Viele Geflüchtete sind derzeit besonders schlecht betreut. Ehrenamtliche haben keine Kontaktmöglichkeit, Sozialarbeiter wurden abgezogen. Die Security-Mitarbeiter können das nicht auffangen.
Wir bitten daher den Oberbürgermeister, den Stadtrat und die zuständigen Politiker im Umland von Ingolstadt zusammen mit den Ausländerbehörden alles zu tun, dass
– der gleiche Schutz vor Corona-Infektion für die geflüchteten Menschen in unserer Stadt gewährleistet wird wie für uns alle
– Risikogruppen unverzüglich aus den Unterkünften herausgeholt und außerhalb in Hotels, Jugendherbergen oder geeigneten Häusern untergebracht werden
– die Raumsituation in den ANKER-Einrichtungen so entzerrt wird, dass in den Zimmern der Mindestabstand gewahrt bleiben kann
– sofort Masken und Desinfektionsmittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden
– alle Menschen in den Unterkünften in den Zimmern WLAN-Zugang bekommen, um in Corona-Zeiten an Lernprogrammen und Schule weiter teilnehmen zu können und die soziale Isolation aufzufangen.
Es muss unbedingt vermieden werden, dass, wie bereits in Schweinfurt und anderen größeren Unterkünften geschehen, sich das Virus schnell verbreitet und nach Ausbruch Massenquarantänen angeordnet werden müssen.
Wir wollen alle in diesem Lande in den Zeiten der Pandemie zusammenstehen in Solidarität, gegenseitigem Behüten und Anteilnahme.
Ingolstadt, am 22.04.2020
Im Namen der Initiativgruppe „Ingolstädter Erklärung“
Gudrun Rihl
Monika Huber
Maria Tripolt Veronika Peters Julian Rapp
Lydia Halbhuber-Gassner
Barbara Leininger
Jochen Semle
Karoline Schwärzli-Bühler
Evi Tietmann
Monika Müller-Braun
Stephan Reichel, 1. Vorsitzender
Die Stadt Ingolstadt übermittelt dazu die folgende Stellungnahme der Regierung von Oberbayern:
In der ANKER-Einrichtung Manching Ingolstadt sind aktuell rund 230 (Stand heute, bei einer Kapazität von insgesamt 680) Personen untergebracht. In den drei Unterkunfts-Dependancen des ANKER Oberbayern auf Ingolstädter Stadtgebiet leben weitere insgesamt rund 540 (Stand heute, bei einer Gesamt-Kapazität von 1400) Personen.
Bei den Bewohnern und Bewohnerinnen der ANKER-Einrichtung Manching/Ingolstadt und den Ingolstädter Unterkunfts-Dependancen des ANKER Oberbayern sowie bei den dort Beschäftigten einschließlich Sicherheitsdienst wurde bis dato noch niemand positiv auf das Coronavirus (SARS-CoV-2) getestet.
Das Personal in den Asylunterkünften ist über Übertragungswege sowie persönliche Schutzmaßnahmen informiert und entsprechend sensibilisiert. In den Unterkünften wurden mehrsprachige Aushänge und Piktogramme angebracht, welche die Bewohnerinnen und Bewohner auf die allgemein empfohlenen, vorbeugenden persönlichen Hygienemaßnahmen wie unter anderem häufiges Händewaschen und das Beachten der Husten- und Nies-Etikette sowie die im Rahmen der vorbeugenden Schutzmaßnahmen getroffenen besonderen Regelungen (z.B. Besuchsverbote für Externe, Einschränkungen bei Gruppenveranstaltungen etc.) hinweisen. Es stehen für Personal sowie Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend Seife und Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Regierung von Oberbayern prüft die Beachtung der getroffenen Vorkehrungen fortlaufend und passt sie bei Bedarf an neue Entwicklungen an. Die kurative Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner ist gesichert.
Bei einem begründeten Verdachtsfall werden ebenso wie bei einem nachweislich an COVID 19 erkrankten Bewohner die dann notwendigen weiteren Maßnahmen in enger Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt ergriffen bzw. von diesem als zuständige Behörde im Einzelfall nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) angeordnet.
Für die isolierte Unterbringung positiv Getesteter aus der ANKER-Einrichtung einschließlich Unterkunfts-Dependancen, für die kein Behandlungsbedarf im Krankenhaus besteht, d.h. die keine oder nur milde Symptome haben, wird derzeit die Unterkunfts-Dependance Funkkaserne in München ausschließlich für diesen Zweck vorgehalten.
Die Regierung von Oberbayern trägt der besonderen Lebenssituation der Bewohnerinnen und Bewohner Rechnung und unterstützt sie bestmöglich. Es gilt dabei, die notwendigen und berechtigten Belange der Untergebrachten mit den allgemein gültigen Vorsichtsmaßnahmen und bestehenden behördlichen Anordnungen zu vereinbaren.
Die Belegungskapazität wird derzeit noch nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft. Dadurch ist eine entzerrte Belegung gewährleistet. Es wurden Regelungen getroffen, die größere Ansammlungen von Bewohnerinnen und Bewohnern z.B. bei der Speisenausgabe verhindern sollen. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind außerdem angehalten, stets die empfohlenen Sicherheitsabstände einzuhalten und auf die empfohlenen persönlichen Hygienemaßnahmen zu achten. Besteck und Speisen werden ausgereicht; bei der Speisenausgabe wird auf die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,50 m geachtet. Beim Eingang in die Kantinen stehen Desinfektionsspender bereit. Der vor Ort befindliche Wachdienst ist angewiesen, auf die Einhaltung der Regelungen zu achten und insbesondere auch auf eine Einhaltung der Abstandregelungen auf dem Gelände hinzuwirken.
Die Anmietung einer hotelähnlichen Unterkunft ausschließlich für vulnerable Personen ist in Vorbereitung.
Zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner sind zudem die Zutrittsregelungen zu den Einrichtungen verschärft worden. Für die Dauer der Rechtsverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ist grundsätzlich nur noch den in der jeweiligen Unterkunft untergebrachten Personen sowie dem dort tätigen Personal der Zutritt gestattet. Aufgrund der hohen Bedeutung der Flüchtlings- und Integrationsberatung hat die Regierung von Oberbayern jedoch in einem beschränkten Umfang Ausnahmen für die soziale Betreuung und Beratung zugelassen.
So ist auch in der ANKER-Einrichtung einschließlich Unterkunfts-Dependancen werktäglich für maximal drei Stunden pro Tag unter Beachtung der Infektionsschutzmaßnahmen eine soziale Betreuung und Beratung gestattet. Die Caritas hat hiervon keinen Gebrauch gemacht. Sie bietet eine Notfallbetreuung und eine telefonische Erreichbarkeit an.
Eine Ausgangssperre für Bewohnerinnen und Bewohner gibt es ausdrücklich nicht. Es gelten jedoch auch hier die allgemein bekannten Regelungen der Rechtsverordnung des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020. Mehrsprachige Übersetzungen in den Unterkünften informieren die Bewohnerinnen und Bewohner über deren Inhalte.
Den Bewohnerinnen und Bewohnern wird die Möglichkeit eröffnet, selbst Masken zu fertigen.
W-LAN ist in den Unterkunfts-Dependancen über die öffentlichen Netze der Stadt Ingolstadt zugänglich. W-LAN-Zugang in der Max-Immelmann-Kaserne ist seitens des Staatlichen Bauamtes in Vorbereitung.