Friendship gegen Einsamkeit
Pionierprojekt am Ingolstädter Katharinen-Gymnasium öffnet jungen Menschen Türen
Acht Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren sitzen zusammen mit Caritas-Jugendsozialarbeiterin Kristina Mohr auf einem Teppichboden im Kreis. In der Mitte liegt ein Plakat, auf dem der Himmel und Wolken zu sehen sind. Auf einem Tisch stehen Chips, Salzstangen, Gummibärchen und Apfelsaft. Die Tür zum Zimmer von Kristina Mohr steht offen. Alle erheben sich. „Wichtelmütze“ ruft der zwölfjährige Christian, „Marschwechsel“ daraufhin die zehnjährige Amy und „Wurzelmöhre“ die elfjährige Nikol. Diese lacht und muss deshalb eine Runde um alle Beteiligten herumlaufen.
Jugendsozialarbeiterin und Schülerin gründeten Gruppe
Ein Einstiegsspiel in der Gruppe „Friendship“ am Katharinen-Gymnasium in Ingolstadt in der Mittagspause nach dem Unterricht. Die Gruppe haben Kristina Mohr und die 18-jährige Schülerin Luna im vergangenen Herbst ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler, die sich einsam fühlen, einen Anlaufpunkt zu bieten, um Spaß zu haben und neue Kontakte zu knüpfen. Luna hat sich schon sehr oft im Leben einsam gefühlt. Letztes Jahr war sie zum ersten Mal bei Kristina Mohr, um mit ihr darüber zu reden. Sie hatte Konflikte in ihrer Klasse, wurde aufgrund eines Burnouts sogar die letzten zwei Wochen vor den Sommerferien vom Unterricht befreit und war in psychotherapeutischer Behandlung. Parallel dazu taten ihr die Gespräche mit der Jugendsozialarbeiterin an der Schule gut. „Frau Mohr ist immer total freundlich und einladend“, so Luna, die zu der Caritas-Mitarbeiterin viel Vertrauen gefunden hat.
Eines Tages sagte Luna Kristina Mohr, es müsse doch möglich sein, etwas Ähnliches wie „parship“ zur Gewinnung von Freunden zu haben. Da war die Idee geboren, die Gruppe „Friendship“ zu gründen, die seitdem einmal im Monat stattfindet. Die künstlerisch begabte Luna gestaltete Werbeplakate für die Gruppe. Um einsame Kinder und Jugendliche nicht zu stigmatisieren, lädt die Jugendsozialarbeiterin jedes Mal über den Schulmessenger alle Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums zu dem „Get together“ ein – ganz im Sinne des Mottos der diesjährigen Caritas-Jahreskampagne „Da kann ja jeder kommen. Caritas öffnet Türen“.
Beteiligte wünschen sich mehr soziale Kontakte
Es kommen schließlich in der Regel Kinder und Jugendliche, die sich mehr soziale Kontakte für sich wünschen: heute zum Beispiel die zehnjährige Julia aus der Klasse 5d: „Ich habe halt noch nicht so viele Freunde“, erklärt sie und macht damit auf ein Problem aufmerksam, das nach Beobachtung von Kristina Mohr viele Kinder haben, die gerade von der Grundschule auf das Gymnasium gewechselt sind. Julia ist zum zweiten Mal in der Gruppe: „Beim ersten Mal hat mir gut gefallen, dass wir hier viele Spiele gemacht haben und am Ende noch in den Fitnessraum gegangen sind, wo es ganz toll war“, erzählt sie. Zum ersten Mal dabei ist Miriam aus der zwölften Klasse. „Ich wollte die Gruppe hier kennenlernen und finde sie bisher eine echt coole Truppe“, meint die junge Frau und ergänzt. „Ich fühle mich manchmal einsam, aber ab und zu auch unverstanden. Das letzte halbe Jahr habe ich mich ziemlich zurückgezogen, und deshalb versuche ich jetzt, neue Kontakte zu knüpfen.“ Sie denkt dabei durchaus auch an jüngere Schülerinnen und Schüler, „sodass ich vielleicht ein paar von denen an die Hand nehmen kann, wenn sie Hilfe brauchen: zum Beispiel bei Hausaufgaben, aber eben auch, um neue soziale Kontakte zu finden“.
Zum ersten Mal ist auch der elfjährige Olexandre aus der 5c gekommen: Er flüchtete mit seiner Mutter vor dem Krieg in der Ukraine nach Ingolstadt zu einer Tante seines Vaters und ist seit diesem Schuljahr am Katharinen-Gymnasium. „Manchmal fühle ich mich einsam, und da dachte ich mir, es wäre eine gute Möglichkeit, hier neue Freunde zu finden“, sagt der Junge. Einsamkeit haben denn auch Kristina Mohr und Luna heute zum Thema in der Gruppe gemacht. Die Kinder und Jugendlichen nehmen sich Stifte, mit denen sie auf kleinen Zetteln notieren, was aus ihrer Sicht gegen Einsamkeit getan werden kann. Anschließend werfen sie die Zettel in eine Büchse. Christian mischt diese und danach ziehen die Beteiligten Zettel pro Zettel heraus: „Jemanden aktiv in den eigenen Freundeskreis einbeziehen“, „Kontakte über ‚Friendship‘ knüpfen“ oder „zu Frau Mohr gehen kann man immer“ steht beispielsweise auf einigen Zetteln.
Die Gruppe „Friendship“ hat inzwischen vielen Schülerinnen und Schülern geholfen. „Zwei, die hier waren, spielen jetzt zum Beispiel zusammen in einer Musikband“, informiert Kristina Mohr. „Und viele, die sich hier kennengelernt haben, treffen sich jetzt auch im Pausenhof.“ Und das Pionierprojekt in Ingolstadt schlägt inzwischen Wellen: „Demnächst wollen auch Schülerinnen und Schüler anderer Schulen in unsere Gruppe kommen. Dazu laufen gerade Gespräche zwischen den Caritas-Jugendsozialarbeiterinnen“, berichtet Luna.
Aktivitäten sind vielfältig
Die Aktivitäten in der Gruppe sind vielfältig. Bei einem vorherigen Treffen haben sich die beteiligten Schülerinnen und Schüler bei einem „Stärkenbasar“ ihre eigenen Kompetenzen bewusstgemacht. Manchmal geht es aber auch einfach darum, Spaß zu haben: zuletzt etwa durch Bewegungsübungen aus dem Improvisationstheater, „bei denen niemand perfekt eine Rolle spielen musste, sondern einfach jeder in Bewegung sein sollte“, so Kristina Mohr. Heute kommt noch Freude auf, weil die Kinder und Jugendlichen am Ende des Treffens die Back AG der Schule besuchen können, wo sie unter anderem Zimtschnecken und Flammkuchen genießen dürfen. „Schön, dass Ihr den Mut hattet, heute hierher zu kommen“, sagt Kristina Mohr vorher noch zu den acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Caritas-Mitarbeiterin und Luna freuen sich, dass sie mit „Friendship“ wieder ein paar jungen Menschen die Tür öffnen konnten, um Einsamkeit zu entkommen und neue Kontakte sowie Perspektiven zu finden.
Caritasverband für die Diözese Eichstätt e.V.
Auf gelben Zetteln notieren Schülerinnen und Schüler, was gegen Einsamkeit getan werden kann. Foto: Peter Esser/Caritas