Die Geierwally- Eine vielschichtige, unterhaltsame Inszenierung im Kleinem Haus
Willkommen auf dem Jahrmarkt. Tretet näher und bestaunt die Moritaten um Liebe, Eifersucht und Hass, aber auch um Freiheit und Selbstbestimmung in Tiroler Bergen. Wir öffnen den Guckkasten und lassen die Puppen sprechen. Diese Einladung gilt der fantastischen und fantasievollen Inszenierung „Die Geierwally“ im Kleinen Haus. Der Roman der Münchner Autorin und Schauspielerin Wilhelmine von Hillern wurde 1875 als ihr erfolgreichstes Werk veröffentlicht und seitdem vielfach verfilmt und für die Bühne bearbeitet.
Walburga Stromminger, genannt Wally, ist die einzige Tochter des reichsten Bauern im Tal, die von ihrem alleinerziehenden Vater hart wie ein Junge erzogen wird. Sie weigert sich den von ihrem Vater bestimmten Mann zu heiraten und widersetzt sich so dem patriarchalem System, in dem Männer über die Frauen bestimmen. Der Preis dafür ist hoch: Der Vater verbannt sie auf das Hochjoch. Die Einsamkeit der Bergwelt bricht sie und ihre Liebe zum Bärenjosef keineswegs, sondern stärkt sie zusätzlich und wird ihre Heimat. Als der Vater stirbt, übernimmt sie den Hof. Allerdings übernimmt sich damit auch seinen sehr rigiden Umgang mit den Menschen. Sie bricht zwar aus dem Patriarchat aus, aber eben mit dessen Mitteln. So kommt es zu einer Vermischung von Opfer und Täter. Wie sehr sie sich über ihre Mitmenschen erhebt, wird auch dadurch illustriert, dass Wally in einem langen Roch auf einem Schemel gestellt wird.
Der Regisseur Frank Alexander Engel, der Zeitgenössische Puppenspielkunst studierte, bringt bei der Inszenierung Kaukautzky-Puppen, also kleine Puppen ohne Kopf, zum Einsatz, die sich die Akteure immer wieder umhängen. Damit wird nicht nur das Jahrmarkt-Gefühl betont, sondern auch die gesellschaftliche Enge durch stereotype Rollenerwartungen, aus denen sich die Protagonisten immer wieder mal lösen, indem sie sich die Puppen vom Leibe reißen.
In einem Volkstheaterstück – und als solches versteht Engel „Die Geierwally – spielt Musik eine wichtige Rolle. Sebastian Herzfeld ist ein hervorragender Musiker mit sehr viel Gespür für die Situationen. Er greift die jeweiligen Emotionen auf und bildet sie auf dem E-Bass, den Tasteninstrumenten und verschiedenen Klangkörpern ab.
Ein absolut überzeugendes, stimmiges Volkstheater, das eineinhalb Stunden die Menschen bestens unterhält. (HaGa)