Abschiedsrede des Oberbürgermeisters Dr. Christian Scharpf
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
jetzt ist es soweit: Heute leite ich meine letzte Sitzung des Ingolstädter Stadtrats. Am Sonntag ist Michael Kern zu meinem Nachfolger gewählt worden und auch an dieser Stelle nochmal meinen herzlichen Glückwunsch zur Wahl, lieber Michael!
Oberbürgermeister von Ingolstadt zu sein ist eine herausragende und eine herausfordernde Aufgabe. Es ist etwas ganz Besonderes. Unser Job – als Oberbürgermeister, als Stadtrat und in der Stadtverwaltung ist es, dass wir unsere Stadt gemeinsam am Laufen halten und ich denke, das ist uns in den letzten Jahren ganz gut gelungen.
Trotz des herausfordernden Starts meiner Amtszeit im Corona-Lockdown, später mit den Folgen des Ukraine-Kriegs mit neuen Flüchtlingsbewegungen, mit der Energiekrise, der deutlichen Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Situation und der Einengung unserer finanziellen Spielräume in unserer Stadt.
Auch wenn das Umfeld schwierig war, haben wir unsere Stadt in den vergangenen fünf Jahren nicht bloß verwaltet, sondern gestaltet und in etlichen Bereichen nach vorne gebracht.
Ich sage bewusst „wir“, denn auch wenn der OB vorne dran steht, geht ohne Stadtrat und geht ohne die Stadtverwaltung wenig. Und da konnte ich mich auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Jahren verlassen. Es war ja durchaus mutig, bei 10 Parteien im Stadtrat ohne irgendwelche festen Kooperationsvereinbarungen oder Absprachen Politik zu machen, nicht einmal beim Haushalt. Es hat sich aber gezeigt, dass es funktioniert.
Und es hat der Stadt gutgetan, dass nicht bloß für oder gegen etwas gestimmt worden ist, weil man wie in Berlin „Regierung“ oder „Opposition“ ist.
Das ist das Schöne an der Kommunalpolitik und ich bin Ihnen da wirklich sehr dankbar, dass in diesem Haus so konstruktiv und an der Sache orientiert an die Themen herangegangen worden ist.
Ich hoffe im Interesse der Stadt, dass dieser Geist des konstruktiven Miteinanders erhalten bleibt – auch und gerade in Zeiten der Haushaltskonsolidierung.
Das „wir“ bezieht sich aber nicht nur auf den Stadtrat, sondern auf die gesamte städtische Familie, nämlich auf die Stadtverwaltung genauso wie auf unsere Beteiligungsgesellschaften. Denn als Oberbürgermeister hat man nur dann Erfolg, wenn ein engagiertes Team hinter einem steht.
Und da konnte ich mich während meiner gesamten Amtszeit auf unsere Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung und in den Beteiligungsgesellschaften verlassen.
Lasst uns als Beschäftigte der städtischen Familie nie vergessen, dass wir nicht für ein bestimmtes Amt, Referat oder städtisches Unternehmen arbeiten. Unsere Aufgabe ist der Dienst an den Ingolstädter Bürgerinnen und Bürgern – zum Wohle der ganzen Stadt!
Ich bedanke mich herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung, insbesondere bei meinen beiden Stellvertreterinnen für die loyale Zusammenarbeit, bei der Referentenrunde für das konstruktive Miteinander und nicht zuletzt bei meinem OB-Büro für die professionelle Zuarbeit.
Ebenso gilt mein Dank den Beschäftigten der Beteiligungsgesellschaften und ihren Geschäftsführern. Herzlichen Dank Ihnen allen für Ihre Unterstützung und Ihr Engagement für unsere Stadt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute ist unsere 42. Stadtratssitzung. Ich habe nicht vor, Sie mit einem langatmigen Rückblick zu quälen, aber ein paar Schlaglichter auf die wichtigsten Themen erscheinen mir an einem Tag wie heute schon angebracht:
Die Verdoppelung der Investitionen im Hochbaubereich, vor allem in Schulen und Kindertagesstätten. Das waren und sind Rekordinvestitionen in die wichtigste Ressource, nämlich die Bildung unserer Kinder. Dazu haben wir das Hochbauamt strukturell und organisatorisch neu aufgestellt und ein strategisches Immobilienmanagement eingeführt. Und trotzdem liegen noch viele Schulbaumaßnahmen vor uns. Und das ist in einer großen und weiter wachsenden Stadt ein beständiger Prozess, wie auch Stadtpolitik insgesamt natürlich nie fertig und ein beständiger Prozess ist – das ist sozusagen ein perpetuum mobile.
Die Oberbürgermeister kommen und gehen – die Stadtpolitik für die Menschen in unserer Stadt bleibt. Deswegen fand ich es ehrlich gesagt schon etwas befremdlich, dass ich in den ersten Jahren von manchen dafür kritisiert worden bin, Bauten einzuweihen, die vor meiner Amtszeit auf den Weg gebracht worden sind.
Lieber Michael, ich kann Dir heute schon versprechen, dass ich Dich natürlich nicht dafür kritisieren werde wenn Du dereinst
– den neuen Kaufhof,
– das DK-Gebäude in der Donaustraße,
– das neue Heilig-Geist-Spital,
– die umgebaute Harderstraße oder
– das Katherl und das Apian-Gymnasium und anderes mehr
einweihen wirst. Ich werde mich vielmehr darüber freuen, wenn Du – so wie ich – irgendwann Deine eigenen Maßnahmen auf den Weg bringst und Deine eigenen Akzente setzt, was Du zweifellos tun wirst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wohin und wie soll sich unsere Stadt in Zukunft weiterentwickeln?
Ingolstadt ist in den letzten Jahrzehnten gewaltig gewachsen und wächst weiter. Deshalb war es mir ein persönliches und wichtiges Anliegen, dass wir uns zu den zahlreichen Fachplänen die es schon gibt einen Gesamtrahmen geben für die Stadtentwicklungsplanung.
Damit haben wir einen strukturierten und strategischen Kompass für das Ingolstadt der Zukunft. Deshalb das integrierte Stadtentwicklungskonzept Ingolstadt 2040plus, deshalb – nach 1996 – ein neuer Flächennutzungsplan mit Landschaftsplan und Biotopkartierung.
Und apropos nachhaltige Zukunft: Auch ein integriertes Klimaschutzkonzept mit ambitionierten Klimazielen haben wir uns gegeben!
Der Donaukurier vom 5. Februar schreibt: „Rekordjahr für Photovoltaik“. Mit dem Zubau von fast 15 Megawatt sei ein neues Rekordhoch im letzten Jahr erreicht worden. 2023 waren es bereits 10 Megawatt. Das ist nur einer von etlichen Fortschritten.
Genauso beim umfassenden Ausbau unseres ÖPNV, beim Rückkauf von Stadtwerke-Anteilen, beim Ausarbeiten eines stadtweiten Wärmeplans und vielem mehr. Den Zielen folgen also auch Taten!
Ein dickes Brett bleibt auch die Zukunft der Gesundheitsversorgung und der Krankenhäuser in der Region. Die Gesundheitsreform des Bundes ist Ende letzten Jahres in Kraft getreten. Ich persönlich erwarte mir auch von einer neuen Bundesregierung keine grundlegenden Änderungen mehr, weil schlicht und einfach Geld im System fehlt. Das heißt, die Krankenhauslandschaft in Deutschland wird sich in jedem Fall ändern müssen und ich bin froh, dass wir mit unserem Krankenhausstrukturgutachten in der Region so früh dran waren.
Wir sind also auf dem richtigen Weg, wir haben gut vorgearbeitet, aber die konkrete Umsetzung der Restrukturierung unserer Krankenhäuser in der Region wird eine der größten politischen Herausforderungen der nächsten Jahre bleiben.
In den letzten Jahrzehnten ist in unserer rasant wachsenden Stadt viel gebaut worden, was jetzt saniert werden muss. Die Schulen habe ich schon angesprochen, das Klinikum steckt mittendrin und der größte Teil der Sanierung dort steht noch bevor. Und wenn wir schon bei dicken Brettern sind:
Auch unser Stadttheater mit Festsaal ist längst überfällig für eine Sanierung. Die Voraussetzungen sind geschaffen mit dem neuen Interims-Theater am Glacis, mit den beschlossenen und laufenden Planungen für das Werkstatt- und Probengebäude in der Hindemithstraße. Jetzt brauchen wir noch einen Ersatz für den Festsaal. Darüber werden wir ja später hier noch beraten. Aus meiner Sicht sollte der Hämer-Bau so schnell wie möglich leergemacht werden. Eine Million Euro im Jahr an Bauunterhalt könnten wir uns so sparen, die wir für die Anmietung eines Interims-Festsaals verwenden können. Weit über 200 Veranstaltungen finden im Festsaal statt, die für sechsstellige Einnahmen sorgen. Die Einnahmen werden aber nur dann in der bisherigen Größenordnung fließen, wenn ein Festsaal-Ersatz Hand und Fuß hat. Und Hand und Fuß muss der Ersatz auch und vor allem deswegen haben, weil der Festsaal der zentrale Begegnungsort und das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in unserer Stadt ist.
Die Generalsanierung des Hämer-Baus muss sich auf eine Basis-Sanierung beschränken. Es darf in finanziellen Zeiten wie diesen keine Luxussanierung werden. Aber eine Sanierung braucht es, denn wenn es einen wichtigen Wirtschaftsfaktor gibt, dann sind es Einrichtungen, die eine Stadt attraktiv machen.
Wir sind eine Großstadt, die neue Unternehmen und die Fachkräfte anziehen will. Deshalb braucht es neben anständigen Schulen, einer guten Gesundheitsversorgung und anderem mehr eben auch ein Kulturangebot, das nicht dauerhaft in Behelfsbauten untergebracht ist.
Wenn immer gefragt wird wie wir unsere Stadt als Wirtschaftsstandort stärken können – unter anderem genau damit! Und noch eines ist mir in diesen bewegten Zeiten persönlich ein großes Anliegen, nämlich der Zusammenhalt in unserer Stadtgesellschaft.
Im letzten Jahr habe ich zusammen mit den Kirchen, den Hochschulen, mit Audi stellvertretend für die Unternehmerschaft, den Gewerkschaften, dem Sozialverband VdK, dem Stadtjugendring und dem Migrationsrat das Ingolstädter Bündnis für Demokratie, Vielfalt und Toleranz ins Leben gerufen. Mittlerweile sind über 230 Organisationen Teil dieses starken Schulterschlusses. Das Motto des Bündnisses lautet: „Ingolstadt ist die Heimat aller hier lebenden Menschen!“
Wir leben in Zeiten, in denen Vieles ins Wanken gerät, wo der demokratische Grundkonsens in Frage gestellt wird und unsere Gesellschaft gespalten wie nie ist. Gerade hier auf kommunaler Ebene ist es daher wichtig, viele Zeichen des Miteinanders zu setzen. Ein Bekenntnis abzugeben für unsere demokratischen Werte und Errungenschaften. Deshalb war mir auch die Förderung der Erinnerungskultur ein so großes Anliegen.
Hass, Hetze und Ausgrenzung sind nicht die Lösung. Unsere Aufgabe ist es zu versöhnen statt zu spalten, um den gesellschaftlichen Frieden in unserer Stadt zu erhalten! Und auch hier wieder gibt es einen weiteren Teil der Antwort auf die Frage, wie wir unsere gebeutelte Wirtschaft in der Stadt stärken können, denn Unternehmen, v.a. internationale, und Fachkräfte aus aller Welt, wollen nicht nur in einer Stadt mit intakter Infrastruktur leben, sondern in einer Stadt, in der sie sich willkommen fühlen können und die für ein friedliches Miteinander steht, deswegen ist unser gesellschaftlicher Zusammenhalt auch in wirtschaftlicher Hinsicht so wichtig.
In punkto des gesellschaftlichen und sozialen Miteinanders möchte ich im Übrigen auch die Einführung des Jugendparlaments, das Zentrum für lokales Freiwilligenmanagement, die Etablierung des Pflegestützpunkts und die Stärkung der Jugendsozialarbeit an Schulen und der mobilen Jugendarbeit nicht unerwähnt lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe in meiner Haushaltsrede 2022 gesagt: „Der Krisenmodus ist die neue Normalität geworden“
Und wenn ich jetzt die wirtschaftliche Situation in Bayern, die gewaltigen Umbrüche in der Automobilindustrie und deren Konsequenzen für Ingolstadt betrachte, scheint sich das leider nach wie vor zu bewahrheiten.
Die Steuereinnahmen, v. a. die Gewerbesteuer, brechen ein und unsere Ausgaben steigen: Bei den Baukosten, bei den Tariflöhnen, aufgrund des Klinikdefizits und auch aufgrund immer neuer Aufgaben, die der Bund und der Freistaat den Kommunen aufs Auge drücken.
Wir haben früh gegengesteuert, im Haushalt 2024 massiv eingespart und im Juni 2024 ein Konsolidierungspaket mit einem Rekordvolumen auf den Weg gebracht. Die Umstände haben sich allerdings im Anschluss weiter verschlechtert und im Laufe der zweiten Jahreshälfte hat sich gezeigt, dass wir ein weiteres Konsolidierungspaket brauchen. Es wird seitdem vorbereitet und mit dessen Beschluss und Umsetzung erhält die Stadt hoffentlich bald wieder finanzielle Beinfreiheit zurück.
In wirtschaftlicher Hinsicht haben wir wichtige Akzente gesetzt durch Transform10, das vor allem kleinere und mittlere Unternehmen im Automotivbereich bei der Transformation unterstützen soll. Wir haben ein Gewerbeflächenentwicklungskonzept und eine Fachkräfteallianz auf den Weg gebracht und durch das Zentrum für Kreativwirtschaft und die Wasserstoff-Initiative Impulse für neue Wirtschaftszweige gesetzt.
Auch das bereits in letzten Amtsperioden auf den Weg gebrachte CongressCentrum war ein richtiger und wichtiger Schritt. Und auch im incampus schlummern Potenziale, die jetzt noch viel zügiger mit unserem Joint-Venture Partner Audi gehoben werden sollten. Dies alles waren und sind wichtige und wertvolle Maßnahmen, aber machen wir uns nichts vor: Sie werden die Abhängigkeit von der Automobilindustrie bei uns in der Region nicht auf die Schnelle und auch nicht vollständig beseitigen können.
Deshalb muss für Regionen wie Ingolstadt, in der sich das Thema Transformation so drastisch wie in wenigen anderen Regionen stellt, völlig neu gedacht werden.
Zum Beispiel durch Ausweisung einer Sonderwirtschaftszone durch den Freistaat mit wirtschaftlichen Vorteilen und Sonderrechten für Unternehmen. Damit kann die wirtschaftliche Struktur in der Region zügiger diversifiziert und die Abhängigkeit vom Automotivsektor verringert werden.
Und wenn jetzt gleich Einwände kommen, dass möglicherweise EU- oder bundesrechtliche Vorschriften dagegenstehen könnten, dann muss Politik eben dafür sorgen – das Tempo der Veränderungen in Asien und den USA lassen grüßen, dass es geht und möglich gemacht wird.
Die Zeiten für Ingolstadt bleiben also auch zukünftig äußerst herausfordernd. Die Geschichte Ingolstadts ist eine Geschichte voller Brüche. Auf sehr gute Jahre folgten schon oft herbe Rückschläge. Und auf Rückschläge antwortete Ingolstadt stets, indem es den Wandel aktiv gestaltete und sich ein Stück weit neu erfunden hat.
Die Talsohle haben wir noch nicht durchschritten, aber schon heute bin ich mir sicher, dass es Ingolstadt wieder schaffen wird. Bei allen aktuellen Schwierigkeiten sind unsere Rahmenbedingungen einfach zu gut:
Der gesamte südbayerische Raum ist wirtschaftlich extrem stark und wächst immer mehr zusammen. Unsere Lage könnte günstiger nicht sein: In der Mitte Bayerns gelegen, zwischen den Metropolen Nürnberg und München, an der Autobahn, mit ICE-Halt und ein Flughafen im Erdinger Moos vor der Haustüre. Deshalb werden wir niemals zu einem zweiten Detroit, davon bin ich überzeugt.
Ingolstadt ist eine Stadt mit historischem altbayerischem Charme, die vor Lebens- und Liebenswürdigkeit nur so strotzt. Eine Großstadt im Grünen mit sehr hoher Freizeit- und Aufenthaltsqualität und eine im Vergleich mit Metropolen entschleunigte Großstadt und damit eine familienfreundliche Stadt, in der sich gut leben und zugleich gut arbeiten lässt.
Ingolstadt kann also mit vielen Pfunden wuchern und deshalb wird mir um die Zukunft unserer Stadt auch nicht bange. Ich habe versucht, in den letzten fünf Jahren einen bescheidenen Beitrag zum Wohle Ingolstadts zu leisten und unserer Stadt zu dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat,
lieber gewählter Oberbürgermeister Michael Kern,
Ich wünsche Ihnen und Euch allen von Herzen eine glückliche Hand,
Weitsicht und viel Erfolg für unser Ingolstadt.
Ich bedanke mich für die gemeinsame Zeit und wünsche Ihnen und Euch alles Gute!
Es gilt das gesprochene Wort. Die Rede wurde von der Pressestelle der Stadt Ingolstadt zur Verfügung gestellt.